Frauen, die schwanger sind, müssen Folsäure nehmen. Frauen, die schwanger werden wollen, sollten Folsäure nehmen. Und Frauen, die eigentlich gar nicht schwanger werden wollen, aber vielleicht doch schwanger werden könnten, die sollten es vorsichtshalber auch tun.
Folsäure, Folsäure, Folsäure – sonst könnte das Baby, das man sich möglicherweise gar nicht wünscht, mit schweren Schäden zur Welt kommen. Das hören Frauen immerzu. Und schlucken kleine Tabletten. Sie sollten es damit allerdings nicht übertreiben. Vor allem nicht, wenn sie schon schwanger sind.
Viel zu viel Folsäure kann für das ungeborene Kind möglicherweise aber auch schädlich sein. Darauf deutet eine Studie hin, die am Freitag auf einem Internationalen Kongress von Autismus-Forschern in Baltimore erstmals vorgestellt wurde.
Ein großes Übermaß an Folsäure im Blut einer Schwangeren kann demnach das Risiko erhöhen, dass ihr Kind eine Form von Autismus entwickelt. Die Studie ist noch nicht komplett veröffentlicht, die Forscher haben bisher nur erste Ergebnisse präsentiert.
Weitaus mehr Folat als empfohlen
Unabhängig davon gilt weiterhin: Um gesund im Bauch seiner Mutter heranzuwachsen, braucht ein Baby dringend einen Stoff namens Folat. Vor 40 Jahren entdeckte ein Arzt diesen Zusammenhang. Wenn Schwangere nicht genug Folat im Körper haben, steigt das Risiko für eine schwere Missbildung bei ihren Babys. Die Missbildung heißt Neuralrohrdefekt. Den Babys fehlt ein Teil des Gehirns, oder sie kommen mit „offenem Rücken“ zur Welt. Oft leben sie nur wenige Stunden. Wenn Frauen mindestens vier Wochen vor Beginn ihrer Schwangerschaft schon Folsäure einnehmen, sinkt das Risiko für ihre Babys um die Hälfte.
Folat ist im Essen, aber die Mengen reichen für Schwangere nicht aus. Folsäure gibt es in Tablettenform, manchmal ist der Stoff auch Lebensmitteln zugesetzt. In den USA ist das weitaus häufiger der Fall als in Deutschland, Folsäure steckt dort oft im Brot oder Cornflakes. Aus den USA stammen die Daten der Studie, die jetzt vor dem Überschuss an Folsäure warnt.
Die Forscher haben 1400 Mütter und ihre Kinder aus Boston untersucht, die an einer Langzeitstudie teilnahmen. Die Kinder kamen zwischen 1998 und 2013 zur Welt. An einem der ersten drei Tag nach ihrer Geburt maßen Ärzte unter anderem, wie viel Folat die Mütter im Blut hatten. Bei jeder zehnten Frau fanden sie erstaunlich hohe Werte. Diese Frauen hatten weitaus mehr Folat im Blut, als es etwa die Weltgesundheitsorganisation für Schwangere empfiehlt.
Bitte nicht aufhören, Folsäure zu nehmen
Als die Ärzte die Entwicklung der Familien verfolgten, stellten sie fest, dass die Kinder dieser Frauen doppelt so häufig unter einer Form von Autismus litten. Kindern, deren Mutter nach der Entbindung zu viel Vitamin B12 im Blut gehabt hatten, waren dreimal so häufig von Autismus betroffen. Die Forscher stellten bisher nur einen statistischen Zusammenhang fest.
Frauen sollten nun bitte keinesfalls aufhören, Folsäure zu nehmen – es dabei aber auch nicht übertreiben. Die Dosis, die der eigene Arzt empfiehlt, reicht vollkommen.
Die meisten der Mütter aus der Bostoner Studie gaben an, sich während ihrer Schwangerschaft selbst mit Multivitaminen versorgt zu haben. Mit Pillen und Pulvern, die überall angeboten werden und angeblich doch so gut für die Gesundheit sind. Für die eigene und für die des künftigen Kindes. Vitamine eben! Viel hilft viel. Nein, sagen die Forscher. Das sei ein Irrglaube. Der Körper spüle auch Vitaminüberschüsse nicht einfach aus.