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  3. Homoehe: Schwule sollten Heteros nicht kopieren wollen

Meinung Homoehe? Nein danke!

Ich will keine Kopie des verlogenen Hetero-Kitschs

Leitender Feuilletonredakteur
Immer schön konform bleiben. Auch viele Homosexuelle wollen heute ihren Partner heiraten Immer schön konform bleiben. Auch viele Homosexuelle wollen heute ihren Partner heiraten
Immer schön konform bleiben. Auch viele Homosexuelle wollen heute ihren Partner heiraten
Quelle: picture alliance/chromorange
Gegen Diskriminierung, für die rechtliche Gleichstellung der Homosexuellen: ja, das versteht sich wohl von selbst. Aber das heterosexuelle Modell der Ehe kopieren? Bitte mehr Mut zum Anderssein!

Alles gegen Diskriminierung. Alles für rechtliche Gleichstellung. Das versteht sich ja von selbst. Und übrigens auch alles für homosexuelle Sichtbarkeit, wo immer es geht. Sollen die Heteros nach zweitausend Jahren des Totschlagens und vor allem des Totschweigens sich endlich von der Pike auf die große weite Welt der Homosexualität erschließen und zur Abwechslung mal schön ihre Augen und Ohren aufsperren für das, was ihnen entgangen ist und noch entgeht. Sie tun es ja auch schon. Eigentlich rührend, wie sich die politisch korrekte Speerspitze bereits für Kurse immatrikuliert, damit sie LGBT richtig buchstabieren und auseinanderhalten kann. Das soll, darf und muss alles so sein.

Lieber die „Glorie des Paria“

Aber Homoehe? Wieso denn? Wegen der rauschenden Roben? Wegen des schönsten Tags im Leben? Weil sich alle weinend in den Armen liegen können? Diese Kitschorgie, die einem bei jedem zweiten Heteropaar wie fauler Budenzauber vorkommt, wollen wir jetzt kopieren, nur weil wir glauben, wir kriegen das noch glamouröser, romantischer, brillanter hin?

Nein, da bin ich doch entschieden für die „Glorie des Paria“, um einen französischen Roman der Achtzigerjahre zu zitieren. Und wenn nicht für Paria und Außenseiter, dann bin ich für Minderheit und Anderssein. Zum homosexuellen Selbstbewusstsein gehört für mich ohne Wenn und Aber nach wie vor, dass man es eben gerade nicht wie die Heteros macht. Was, mit Verlaub, ist an den gegengeschlechtlich Empfindenden denn so großartig? Und außerdem: Wir sind nicht Kopie, wir sind Originale. Oder wir sollten es doch sein.

Alles drängt in die Mitte der Gesellschaft

Denn nie waren wir so wertvoll wie heute. Nie gab es eine Zeit, in der sich freiwillig, also ohne politischen, totalitären Druck, alles derart konformistisch in die Mitte der Gesellschaft drängte wie in unseren Tagen. Die ungeheure Nivellierungsmaschinerie des Internet mit ihren ewig gleichen Like- und Follow-Floskeln ist dabei, die klebrige Konsens- und Konsumsoße noch in die hinterste Ecke des globalen Dorfes einsickern zu lassen. Und die letzten Mohikaner des Abseitigen, meinetwegen Abwegigen knicken auch noch ein? Schöne neue Welt, nein danke!

Vielleicht bin ich zu sehr Kind der Siebzigerjahre, vielleicht bin ich zu gern Sand im Getriebe der Welt, um den Happy-Go-Lucky-Frischwärtsoptimismus einer Generation teilen zu können, die glaubt, zum homosexuellen Glück gehört nur die Gleichbehandlung, Vater Staat wird es schon richten. Was heißt außerdem Glück?

Homosexuelle könnten Vorreiter des Nonkonformismus sein

Meine bescheidene Überzeugung steht leider unverrückbar fest: Wer Glück ausschließlich rechtlich oder materiell definiert, bleibt bei der Ich-Schablone, bringt es nicht zum Ich. Zum Glück gehören auch der Schmerz, der Sinn für Tragik und fürs Transzendente, zum Glück gehört die (gemeisterte!) Schwierigkeit zu sein. Das Glück ergibt sich aus den stufenweisen, von Rückschlägen und Vorwärtsbewegungen mühsam ausbalancierten Versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Arbeit am rauen Stein! Äußerlichkeiten, Rituale, vorgegeben Muster helfen dabei, das ist klar. Aber davon alles abhängig zu machen, kann keine Lösung sein.

Mir träumt von einer Gesellschaft, in der die Menschen sich in Eintracht und Vielfalt verwirklichen. In der Menschen, statt ihre Energie damit zu verschwenden, wie die anderen zu werden, herausfinden, was ihr ureigenes Wesen ist. Dabei können Homosexuelle Vorreiter sein, jedenfalls solche, die gelernt haben, sich infrage zu stellen, weil sie es mussten. Und das ist immer noch die Mehrheit. Das hohe Gut, das sie sich bei der Entdeckung ihrer von der Norm abweichenden Sexualität erworben haben, sollten sie mehren, anstatt es auf dem Altar der Heterosexualität zu opfern. Die Homoehe sollten sie schlicht und ergreifend nicht nötig haben.

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