Noch vor wenigen Tagen sprach Donald Trump anstelle vom Coronavirus immer wieder vom „chinesischen Virus“ oder einem „ausländischen Virus“. Rhetorisch zelebrierte er diese Vokabeln geradezu. Noch am Donnerstag vergangener Woche hatte der amerikanische Präsident gar in seinem Manuskript für eine Pressekonferenz im Weißen Haus den Begriff „Corona“ mit schwarzem Filzstift gestrichen – und durch „chinesisch“ ersetzt.
Ein Fotograf der „Washington Post“ hatte einen Blick auf Trumps Manuskript erspähen können. „Überhaupt nicht rassistisch“ sei der Begriff vom „chinesischen Virus“, hielt Trump kritischen Fragestellern entgegen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wendet sich ganz generell gegen einen geografischen Bezug bei der Benennung von Krankheiten.
Tagelang hatte Trump seine Wortwahl vom „chinesischen Virus“ verteidigt. Führende Republikaner verwendeten den Begriff ebenso, bestärkten somit den Präsidenten, daran festzuhalten „Weil das Virus aus China kommt“, rechtfertigte Trump seine jüngste Wortschöpfung noch in der vorigen Woche: „Das ist der Grund. Ich möchte genau sein.“
Aus. Vorbei. Schluss, vorerst jedenfalls. Trump will nun darauf verzichten, das Coronavirus als „chinesisches Virus“ zu bezeichnen. Jeder wisse, das Virus sei aus China gekommen, aber er habe entschieden, „daraus keine große Sache mehr zu machen“, sagte Trump am Dienstag in Washington. In bemerkenswerter Konsequenz hielt er sich bei drei Auftritten an seinen neuen Vorsatz. Während einer knapp zweistündigen Pressekonferenz am Montag, während eines virtuellen Town-Hall-Meetings des Fernsehsenders Fox und bei einer Presskonferenz am Dienstag kam Trump nicht einmal der „chinesische Virus“ über die Lippen.
Warum aber dieser Sinneswandel? Offenbar handelt Trump auf Druck aus der asiatisch-amerikanischen Community, zu der etwa 20 Millionen Einwohner in den USA zählen. Mehrere asiatisch-stämmige Amerikaner wurden nach eigenen Berichten Opfer von Anfeindungen und körperlicher Gewalt. Knapp zwei Dutzend Asian Americans im ganzen Land schilderten der „New York Times“ ihr Unbehagen.
Russell Jeung, Professor für asiatisch-amerikanische Studien an der San Francisco State University, spricht von einer Zunahme anti-asiatischer Diskriminierung. Die Journalistin Jiayang Fan, die für den „New Yorker“ schreibt, berichtet auf Twitter, sie sei, während sie jüngst ihren Müll nach draußen gebracht habe, von einem Mann beschimpft worden, weil sie Chinesin sei. So habe sie sich in 27 Jahren in den USA noch nie gefühlt, schrieb sie später.
Am Montag berichtete Jiayang Fan auf Twitter, ein asiatisch-amerikanischer Freund habe ihr gesagt, wenn der Rassismus in den USA schlimm werde, könnten Asien-Amerikaner erwägen, nach Asien zu ziehen. Zur selben Zeit habe ihr eine nationalistisch eingestellte Tante mitgeteilt, „Amerikaner mit asiatischen Gesichtern“ seien in China nicht willkommen. „Was bedeutet das für eine Chinesisch-Amerikanerin wie mich?“ fragt Fan.
Die „New York Times“ berichtet, in Kalifornien sei ein 16-jähriger Asian American in der Schule von Schlägern attackiert worden. Diese warfen ihm vor, er sei mit dem Coronavirus infiziert. In New York wurde eine Frau, die eine Atemmaske trug, getreten und geschlagen. Schon am Montag hatte Trump vor einer Diskriminierung von Asian Americans gewarnt. „Es ist sehr wichtig, dass wir unsere asiatisch-amerikanische Gemeinschaft in den USA und auf der ganzen Welt vollständig schützen“, sagte er. Diese „großartigen Menschen“ seien für die Verbreitung des Coronavirus „in keiner Weise schuldig“.
Trump distanziert sich von Trump
Von einem Reporter auf diese Bemerkung angesprochen, distanzierte sich Trump indirekt von seiner einstigen Wortwahl. Es scheine so, sagte er, als gäbe es in den USA „eine ein wenig böse Sprache gegenüber den asiatischen Amerikanern, und das gefällt mir überhaupt nicht“. Die Asian Americans seien „unglaubliche Menschen“, die „unser Land lieben“. Die Frage, ob er nicht mit dem Wort vom „chinesischen Virus“ zu den von ihm beschriebenen Phänomen beitrage, ließ Trump am Montag unbeantwortet.
Während Trump erst seit Neuestem auf das „chinesische Virus“ verzichtet, sprach Vizepräsident Mike Pence schon weit vor ihm konsequent vom „Coronavirus“. Außenminister Mike Pompeo hingegen verwendet seit Wochen den Begriff „Wuhan-Virus“. Er tat dies auch noch am Montag, während Trump auf „chinesisches Virus“ bereits verzichtete. Vor dem virtuellen G-7-Außenministertreffen an diesem Mittwoch besteht Pompeo darauf, die Corona-Pandemie in der gemeinsamen Erklärung mit dem Begriff „Wuhan-Virus“ zu bezeichnen, berichtet „Der Spiegel“. Die anderen G-7-Staaten lehnen dies ab.
Der demokratische Senator und Außenpolitiker Ben Cardin forderte Pompeo am Dienstag auf, auf die Begriffe „Wuhan-Virus“ oder „chinesisches Virus“ zu verzichten. Diese Termini für eine Pandemie bürgen die Gefahr, „Stereotypen, Angst und Fremdenfeindlichkeit angesichts einer Gesundheitskrise zu schüren“, schrieb Cardin in einem Brief an Pompeo.
mit AP