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AfD-Wahlsieg als Weg aus dem privaten Finanzdesaster

Der Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, hatte sich stets als erfolgreicher Geschäftsmann dargestellt. Die Realität sieht anders aus Der Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, hatte sich stets als erfolgreicher Geschäftsmann dargestellt. Die Realität sieht anders aus
Der Landesvorsitzende der AfD in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, hatte sich stets als erfolgreicher Geschäftsmann dargestellt. Die Realität sieht anders aus
Quelle: picture alliance / dpa
Ärger mit dem Gerichtsvollzieher: Sachsen-Anhalts AfD-Chef hat Finanzprobleme. Besonders der Kauf eines Ritterguts erwies sich als Fehlschlag. Er hofft, dass ihn eine Abgeordnetendiät rettet.

Das Rittergut Nöbeditz im südlichen Sachsen-Anhalt leuchtet schon aus der Entfernung weiß in der Januarsonne. Die stattliche Residenz, im Jahr 1266 erstmals urkundlich erwähnt, besteht aus einem Herrenhaus, vielen Stallungen und Scheunen und ist umgeben von einem Gutspark. Über Jahrhunderte hinweg lebte hier der erste Mann des Ortes mitsamt Familie und Gesinde.

Heute wohnt auf dem gut zwei Hektar großen Anwesen ein einziger Mann: André Poggenburg, Landeschef und Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland (AfD) bei der Wahl in Sachsen-Anhalt. Wenn sich die Umfragen bewahrheiten, wird er am 13. März einen Triumph erringen und das beste Ergebnis in der Geschichte seiner Partei erzielen.

Nun hat seine Karriere jedoch einen Dämpfer erlitten. Nachdem die Lokalpresse darüber berichtet hatte, musste Poggenburg am Mittwoch bei einer Demonstration in der Landeshauptstadt Magdeburg eingestehen, dass er einige Rechnungen nicht bezahlt hat. In den Auszügen einer Wirtschaftsauskunftei liest sich das weniger harmlos. Im Februar 2013 erließ das Amtsgericht Naumburg gleich zwei Haftanordnungen gegen Poggenburg. Seitdem ist er mindestens sieben Mal nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft, früher Offenbarungseid genannt, erschienen. Zuletzt im Dezember.

Und auch für seine Firma, die sich auf die Reparatur von Autokühlern spezialisiert hat, sind die Bonitätsurteile vernichtend: „Von einer Geschäftsverbindung wird abgeraten“, heißt es. „Kredite werden abgelehnt.“ Selbst die von der AfD viel gescholtenen „Pleite-Griechen“ sind da solventer.

Hier soll richtig Leben auf dem Hof einkehren. Mit vielen Tieren, damit unser Hängebauchschwein Rudi, das schon mehrfach ausgebüchst ist, nicht mehr so allein ist
André Poggenburg (AfD), Spitzenkandidat und Landeschef in Sachsen-Anhalt, im Jahr 2007

Das alles passt schlecht zu einer Partei, deren Funktionäre gern auf Recht und Ordnung pochen. Noch dazu hatte sich Poggenburg stets als unabhängiger und erfolgreicher Geschäftsmann dargestellt. In Sachsen-Anhalt ist er der Posterboy, Wahlkampfplakate zeigen ihn mit verwuschelten Haaren und schelmischem Lächeln. Doch Recherchen zeichnen ein anderes Bild. Darin entpuppt er sich als ein Mann, der sich übernommen hat, der seine politische Arbeit im Kreistag vernachlässigt und dem es beim Kampf um ein Landtagsmandat wohl vor allem um eines geht: die eigene Absicherung.

Bislang agierte er in dieser Hinsicht eher glücklos, wobei sich vor allem das Projekt Rittergut als Fehlschlag erwies. Als der heute 40-Jährige die Immobilie 2007 erwarb, war er noch kein Politiker und träumte vom idyllischen Familienleben auf dem Land. Der Lokalzeitung sagte er: „Hier soll richtig Leben auf dem Hof einkehren. Mit vielen Tieren, damit unser Hängebauchschwein Rudi, das schon mehrfach ausgebüchst ist, nicht mehr so allein ist.“ Knapp zehn Jahre später ist von Rudi keine Rede mehr. Von den Gebäuden bröckeln Putz und Farbe. Selbst im Herrenhaus, dessen Fassade der Vorbesitzer saniert hatte, ist seither kaum etwas geschehen. Das Tonnengewölbe wartet noch immer darauf, freigelegt zu werden. Und auch der Brunnen im opulenten Wintergarten hat schon bessere Zeiten gesehen.

In Tröglitz trat er mit Rechtsextremisten auf

Obwohl sein privates Finanzdesaster nun öffentlich ist, gibt sich Poggenburg siegesgewiss. Der neunköpfige Vorstand der Landespartei habe am Donnerstag „die Angriffe gegen meine Person“ besprochen, sagte er. Es habe „konstruktive Kritik“ gegeben. Aber seine Kollegen hätten eingesehen, dass maßlos übertrieben werde. Verhaftet worden sei er jedenfalls noch nicht. „Da findet dann natürlich eine gewisse Solidarisierung statt“, sagt Poggenburg.

Die AfD hetzt gegen Merkels Flüchtlingspolitik

In Erfurt demonstrierten rund zweitausend Menschen gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Der AfD-Landesvorsitzende Höcke hetzte mit beleidigenden Äußerungen gegen Kanzlerin Merkel.

Quelle: Die Welt

Er schwärmt davon, dass die AfD bei der Wahl sogar bei 20 Prozent landen könnte: „Das könnten 17 bis 18 Abgeordnete sein.“ In seiner Partei hat sich Poggenburg weit rechts einsortiert. Er bezeichnet sich als nationalkonservativ und gilt als Unterstützer des thüringischen AfD-Fraktionschefs und Hardliners Björn Höcke.

In Tröglitz, wo es einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim gab, trat er mit NPD-Abgeordneten, Rechtsextremen und sogenannten Reichsbürgern auf. Dennoch sagen mehrere Menschen, die ihn in der AfD des Burgenlandkreises, seiner Heimat, beobachtet haben: Das Politische sei Poggenburg egal, ihm gehe es um Geld.

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Der Landtag in Magdeburg lässt pro Parlamentarier und Legislaturperiode fast eine halbe Million Euro springen: Monatlich würde Poggenburg eine Diät von mindestens 5655 Euro brutto kassieren sowie weitere 1600 Euro steuerfreie Pauschale. Auf diese Aussicht habe er den Landesvorstand vergangenes Jahr eingeschworen, behauptet einer, der dabei war: „Wir müssen alles in diesen Wahlkampf stecken, was wir haben. Wenn wir es in den Landtag schaffen, sind wir für immer saniert.“ So soll die Ansage angeblich gewesen sein.

Details rückt er scheibchenweise raus

Die AfD hat in Sachsen-Anhalt nach eigenen Angaben rund 300 Mitglieder. Poggenburg vertraue nur wenigen Getreuen, sagen Ex-Mitglieder. Sie charakterisieren ihn als Kontrollfreak. So musste etwa jeder, der sich als Landtagskandidat bewarb, Poggenburg einen Fragenkatalog beantworten. Bewerber sollten „Körperverletzungs- und Eigentumsdelikte“ und fahrlässige Verkehrsunfälle offenlegen, selbst solche Vorfälle, „die nicht mehr im Führungszeugnis erscheinen“. Poggenburg wollte ausschließen, dass Punkte aus der Vergangenheit später auftauchen, die „geeignet sind, Ihre Person und damit letztlich die AfD zu diskreditieren“.

Nur er selbst war nicht zu vergleichbarer Offenheit bereit. Scheibchenweise rückte er in dieser Woche mit Details zu den finanziellen Unregelmäßigkeiten heraus.

Neben seinem Posten als AfD-Landeschef sitzt er für seine Partei seit Sommer 2014 auch im Kreistag des Burgenlandes. Auf Flyern hatte er seine Agenda für den Landkreis vorgestellt. Er wolle regionale Produkte fördern, die Sicherheit und die ärztliche Versorgung verbessern. Nichts von dem habe Poggenburg versucht umzusetzen, sagt der Naumburger Versicherungsmakler Carsten Schmidt. Er war mit Poggenburg für die AfD in den Kreistag eingezogen. Anderthalb Jahre später stellt er dem Spitzenkandidaten ein bitteres Zeugnis aus. „Alles nur leere Versprechungen“, schrieb Schmidt im Dezember in seiner Austrittserklärung.

Auch die Sitzungsprotokolle lassen nicht auf besonderen politischen Fleiß schließen. Im vergangenen Jahr standen zwölf Sitzungen von Kreistag und Sozialausschuss in Poggenburgs Terminkalender. Fünf dieser Sitzungen hat er geschwänzt, zwei davon unentschuldigt. In den übrigen sieben Sitzungen kam er dreimal zu spät. Für das ganze Jahr 2015 findet sich keine einzige Wortmeldung Poggenburgs in den Protokollen.

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