Nach dem türkischen Einmarsch in Nordsyrien ist in Moscheen in Deutschland für einen Sieg der Türkei gebetet worden. So verbreitete die türkische Religionsbehörde Diyanet, die Imame an Moscheegemeinden der Ditib, der Islamischen Gemeinschaft Milli Görus (IGMG) und der Atib entsendet, eine Freitagspredigt, in der es wörtlich heißt: „Helfe unserer heldenhaften Armee, die einen Feldzug gestartet hat für die Sicherheit unseres Landes“.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete zudem über ein Tondokument, das von der Ditib-Gemeinde in Herne veröffentlicht wurde. „Allah, führe unsere glorreiche Armee zum Sieg“, heißt es darin. Eine Sprecherin der Ditib-Zentrale erklärte dort, dass dies „von uns weder angewiesen noch geplant“ worden sei.
Jetzt zeigen Recherchen auf Facebook, dass in deutlich mehr Moscheen für einen türkischen Sieg gebetet wurde. Die Ditib-Gemeinde Horn-Bad Meinberg postete ein Zitat des Diyanet-Chefs Ali Erbas, der betete, „unsere glorreiche Armee siegreich zu machen“. Ein Vorstandsmitglied der Ditib-Gemeinde Kirn postete, dass diese Sure während des Einsatzes in Nordsyrien „in den Moscheen im ganzen Land“ gelesen werde.
„Nach dem Gebet am Sonntagnachmittag wird die Sure des Sieges gelesen, damit unser Prophet erfolgreich ist“, heißt es etwa auch auf der Seite der Ditib im französischen Forbach. Auf der Seite der Ditib-Gemeinde im elsässischen Saverne steht: „Möge Gott unsere Armee triumphieren lassen.“
Auch die Zentrale der Islamischen Gemeinschaft Milli Görus verbreitete in ihrer Freitagspredigt einen Zusatz zur Militäroperation. Diese möge „Land und Volk Gutes sowie Frieden in die Region bringen“. Ein Sprecher der IGMG erklärte auf WELT-Anfrage, dass es sich um ein „Friedensgebet“ handele. Die IGMG habe „überwiegend türkeistämmige Mitglieder, die Verwandte in der Türkei haben oder Menschen kennen, die ihren Militärdienst leisten und mithin sehr besorgt sind“, so der Sprecher.
Ditib erklärte, dass die Facebook-Seiten der Gemeinden ehrenamtlich gepflegt würden und „im Widerspruch zu unserer Haltung“ stünden. „Sobald wir solche Aktivitäten feststellen, gehen wir aktiv dagegen vor“, so ein Sprecher.
Gebete mit Bezug auf den Krieg in Nordsyrien wurden auch von einem hochrangigen Funktionär des Zentralrats der Muslime (ZMD) verbreitet. „Möge Allah Sie segnen und Sie mit seiner unsichtbaren Armee unterstützen“, schrieb Mehmet Alparslan Celebi am vergangenen Dienstag auf Twitter. Celebi ist stellvertretender ZMD-Vorsitzender sowie leitendes Mitglied im Dachverband Atib, der als Abspaltung der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ entstand.
Auf WELT-Anfrage distanzierte sich der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, von seinem Stellvertreter. Der Tweet sei „eine private Meinungsäußerung“ und gebe „nicht die Haltung des Zentralrats wieder“, so Mazyek. „Bekanntlich lehnt der ZMD jede Form der kriegerischen Auseinandersetzung grundsätzlich ab. Mutmaßliche Gebete zu welchen Kriegsführungen auch immer haben auf der Moscheekanzel nichts verloren.“
Der frühere Grünen-Abgeordnete Volker Beck vom Bochumer Centrum für Religionswissenschaftliche Studien reagiert mit scharfer Kritik: „Die Unterstützung Allahs mit seiner Armee herbeizuflehen, erinnert an dunkelste Zeiten des 20. Jahrhunderts“, sagte er. „Die islamischen Verbände Ditib, IGMG und Zentralrat der Muslime machen mit ihrem Vorgehen deutlich, dass sie religiöse Vereine mit einem politischen Kommunikationszweck und nicht Religionsgemeinschaften sind.“
„In Gotteshäuser gehören Gebete für den Frieden“
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries fordert, dass Ditib, Zentralrat der Muslime und IGMG aus der Deutschen Islamkonferenz ausgeschlossen werden, „wenn die Einheit zwischen ihnen und dem türkischen Staat nicht beendet wird“.
Die Gebete führten zu einer „Aufwiegelung türkischstämmiger Bürger“ und zu einer „Verbreitung von Nationalismus“, so de Vries. „In Gotteshäuser gehören Gebete für den Frieden, nicht aber Kriegs- und Heldenverehrung.
Die Glorifizierung der völkerrechtswidrigen türkischen Aggression in Hunderten Moscheen in Deutschland ist unerträglich.“
Korrektur: In einer früheren Version des Textes fehlte die Angabe, dass es sich bei Forbach und Saverne um französische Städte handelt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.