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Deutschland Verbrechensaufklärung

Erweiterte DNA-Fahndung weckt Ängste vor Racial Profiling

Politikredakteurin
DNA-Spuren sollen umfassender ausgewertet werden dürfen

DNA-Spuren sollen in Zukunft noch umfassender ausgewertet werden dürfen. So kann die Polizei dann auch Alter sowie Haut-, Haar- und Augenfarbe des Gesuchten erfahren. So zeigt es der Gesetzentwurf des Justizministeriums.

Quelle: WELT/ Kevin Knauer

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Die Bundesregierung will der Polizei erlauben, Genspuren auf Haut-, Haar- und Augenfarbe auszuwerten. FDP, Grüne und Linke warnen davor: Sie warnen, dass die erweiterte DNA-Analyse nicht besonders effizient sei – und zu pauschalen Verdächtigungen führen könnte.

Ein paar Wochen nach dem Mord an der Freiburger Studentin Maria L. im Herbst 2016 äußerte sich der für die Ermittlungen zuständige Polizeipräsident Bernhard Rotzinger in der Presse. Seine Behörde stand unter Rechtfertigungsdruck, weil sich die Ermittlung des Hauptverdächtigen so lange hingezogen hatte. Rotzinger deutete an, dass auch veraltete Ermittlungsmethoden dafür verantwortlich seien.

Wenn es der Polizei erlaubt gewesen wäre, die gefundenen DNA-Spuren auch auf Augen- und Haarfarbe des Tatverdächtigen zu analysieren, „hätten wir sehr viel zielgerichteter vorgehen können“, sagte Rotzinger damals. Er forderte die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen. Nun – drei Jahre nach dem Mord – kommt die Politik seiner Forderung nach.

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In dieser Woche soll der Bundestag in erster Lesung über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten. Er sieht eine Reihe von gesetzlichen Änderungen vor, die die Aufklärung von Straftaten vereinfachen sollen. Die geplante Ausweitung der DNA-Analyse dürfte dabei einer der umstrittensten Punkte im Gesetzgebungsprozess werden. Nicht nur Linke und Grüne fürchten, dass die neuen Polizeibefugnisse zu Racial Profiling führen könnten – pauschale Verdächtigungen auf Grundlage äußerer Merkmale.

Schon heute dürfen Kriminalisten am Tatort gefundene DNA analysieren. Sie können daraus etwa ableiten, welches Geschlecht der sogenannte Spurengeber hatte, und die Fahndung danach ausrichten. Die Analyse von anderen Merkmalen – etwa Haar-, Augen- und Hautfarbe – ist hingegen bislang tabu. Zu groß waren die Befürchtungen, bestimmte Personengruppen, etwa Dunkelhäutige, vorschnell zu verdächtigen.

Dass die Bundesregierung den Schritt nun dennoch geht, erklärt sie mit der „hohen Bedeutung“, die die Aufklärung schwerer Straftaten habe. „Untersuchungen einer DNA-Tatort-Spur zur Ermittlung äußerlich erkennbarer Merkmale eines Spurenlegers“ seien grundsätzlich geeignet, „die Ermittlungen voranzubringen und den wahren Sachverhalt aufzuklären“, heißt es im Gesetzentwurf.

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Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, konkretisierte die Pläne am Montag. Es gehe darum, die Ermittlungsarbeit der Polizei zu vereinfachen, sagte er – auch als Folge der Erfahrungen des Freiburger Mordfalls. Sorgen, dass man durch die neuen Ermittlungsmethoden bestimmte Bevölkerungsgruppen stigmatisieren könnte, wies Fechner zurück. „Das ist nicht der Fall.“ Schon heute fahnde die Polizei aufgrund gezeichneter Phantombilder nach Personen mit einem bestimmten Erscheinungsbild. Da diese Zeichnungen auf Zeugenaussagen beruhten, seien sie ungenauer als die DNA-Analysen.

Grüne finden es „rechtsstaatlich bedenklich“

Dennoch gibt es an den Plänen heftige Kritik. „Wir lehnen die geplante Ausweitung der DNA-Analyse ab“, sagt Friedrich Straetmanns, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Die Gefahr eines Racial Profiling ist nicht von der Hand zu weisen.“ Die Analysen seien zudem „nicht hinreichend“ sicher. „Kriminologen berichten uns, dass sie eine zweifelsfreie Auswertung der DNA-Spuren gar nicht vornehmen können.“

Ähnlich sieht es die Grünen-Fraktion. Die Ausweitung der DNA-Analyse sei „rechtsstaatlich bedenklich“, sagt die Rechtsexpertin der Fraktion, Canan Bayram. „Aus der DNA lassen sich die gesuchten Eigenschaften, die quasi die Erstellung eines Phantombildes ermöglichen sollen, nicht herauslesen.“ Die zur Verfügung stehenden Analysemöglichkeiten wiesen „derart große Ungenauigkeiten“ auf, dass zu befürchten sei, „dass Menschen falsch festgestellt werden und es aufgrund dieser fehlerhaften Feststellungen zu Diskriminierungen und Hetze gegen Minderheiten kommen“ könne.

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Auch die FDP warnt vor problematischen Folgen. „Durch eine solche Ausweitung würde stark in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen“, sagt der rechtspolitische Sprecher Jürgen Martens. „Die aktuelle Regelung wurde bewusst auf den persönlichkeitsneutralen Bereich beschränkt, unter anderem um dem sogenannten Racial Profiling vorzubeugen.“ Darüber hinaus sei die Belastbarkeit solcher Erkenntnisse selbst nach Darstellung der Bundesregierung zweifelhaft. Es sei zu befürchten, dass der Ermittlungserfolg sogar gefährdet würde.

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Denkbar ist nach Darstellung des FDP-Politikers, dass Tatverdächtige die Ermittler täuschen, indem sie etwa ihre Haare färben. Die Auswertung der DNA-Spuren nach der ursprünglichen Haarfarbe wäre dann nutzlos.

Anwaltsverein warnt vor einem „Tabubruch“

Auch in der SPD-Fraktion weiß man, dass die Trefferquoten nicht unbedingt hoch sind. Manchmal ergebe die DNA-Analyse nur eine Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent, sagt Rechtsexperte Fechner. Er geht davon aus, dass die Polizei die Erkenntnisse für ihre Ermittlungsarbeit dann nicht verwenden würde.

Bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) wäre man über die neuen Befugnisse zwar erfreut. „Eine erweiterte DNA-Analyse kann den Werkzeugkoffer der polizeilichen Ermittler sinnvoll ergänzen“, sagt der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Voraussetzung dafür sei jedoch „nicht nur eine verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung, sondern auch ein wissenschaftlich ausgereiftes Vorgehen“. Er fordere „eine gesunde Skepsis“ ein, bevor die Methode flächendeckend eingesetzt werde. „Eine zu hohe Fehlerrate oder eine zu ungenaue Bestimmung könnten einerseits für vermeintlich Tatverdächtige einen großen Schaden bedeuten, andererseits die Polizei sogar auf eine falsche Fährte führen.“

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Philipp Wendt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, lehnt die Ausweitung der DNA-Analyse hingegen grundsätzlich ab. „Das ist ein Tabubruch, den wir ablehnen“, sagt Wendt WELT. Das Erbgut eines Menschen zu untersuchen stelle „einen erheblichen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht“ dar. „Dieser Eingriff steht einem absehbar geringen Nutzen gegenüber. Angesichts der hohen Fehlerquote bei der Analyse von Haar- und Augenfarbe ist ein Beitrag zum Ermittlungserfolg nicht wahrscheinlich.“

Unterstützt wird die Bundesregierung hingegen von der AfD. „Wir halten die Ausweitung der DNA-Analyse für überfällig“, sagt der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Roman Reusch. Die entlaste nicht nur die Polizei, sondern auch Verdächtige. „Bislang kam es schon mehrfach vor, dass Tausende Männer aufgefordert wurden, DNA-Proben abzugeben, weil ein Vergewaltiger gesucht wurde.“ Mit einer DNA-Analyse könne man die Zahl reduzieren.

Viel Zeit für die Diskussionen lassen will die Bundesregierung offenbar nicht. Nach Auskunft des SPD-Rechtsexperten Fechner soll das Gesetz schon in den nächsten Wochen durch den Bundestag gehen.

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