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Deutschland Kinderschützer alarmiert

Corona-Quarantäne – Gesundheitsämter drohten, Kinder in Heime „abzusondern“

RKI meldet viele Neu-Infektionen wie seit April nicht mehr

In ganz Deutschland steigt die Zahl der Corona-Infektionen wieder an. Innerhalb der letzten 24 Stunden gab es über eintausend neue Ansteckungen. Darunter auch neun Teilnehmer einer Abifahrt nach Kroatien.

Quelle: WELT/Christoph Hipp

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Schon bei Corona-Verdacht sollten die Kinder innerhalb der Familie „isoliert“ werden. Bei Nichtbefolgung drohte das Amt sogar damit, die unter 11-Jährigen aus der Familie zu nehmen. Diese amtlichen Anordnungen sorgen nun nachträglich für Aufregung.

Eltern und Elternverbände haben die Anordnungen von Gesundheitsämtern mehrere Bundesländer kritisiert, Kinder mit Corona-Verdacht innerhalb der Familie zu isolieren.

Diane Siegloch, Mitgründerin der bundesweiten Initiative „Familien in der Krise“, bezeichnete das Vorgehen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) sogar als „eine seelische Grausamkeit“ und „akute Kindeswohlgefährdung“.

Betroffen sind Medienberichten zufolge Orte in Hessen und Baden-Württemberg.

Über den Fall hatte zuerst die Online-Ausgabe der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ berichtet. Dem Blatt zufolge hatten die Gesundheitsämter der Kreise Offenbach und Karlsruhe in einer Anordnung gefordert, es solle keine gemeinsamen Mahlzeiten geben. Zudem drohten sie Eltern, dass bei Zuwiderhandlung das Kind für die Dauer der Quarantäne in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werde.

Bei den Empfängern der Anordnungen handelt es sich um Eltern von Kindern zwischen drei und elf Jahren. Wörtlich hieß es in dem Schreiben: „Ihr Kind muss im Haushalt Kontakte zu anderen Haushaltsmitgliedern vermeiden, indem Sie für zeitliche und räumliche Trennung sorgen. Keine gemeinsamen Mahlzeiten. Ihr Kind sollte sich möglichst allein in einem Raum getrennt von anderen Haushaltsmitgliedern aufhalten.“

Der Kreis Offenbach bezeichnete das Ganze in einer Stellungnahme eher als ein Kommunikationsproblem. Dinge wie Zwangsgelder müssten als mögliche Rechtsfolge zunächst angedroht werden, „um gegebenenfalls auch festgesetzt werden zu können“, wird eine Sprecherin in der örtlichen Presse zitiert. Entsprechende Passagen müssten sich deshalb auch immer in den Anschreiben finden, wie etwa auch die Hinweise zu weiter gehenden Maßnahmen.

„Der Initiative Familien in der Krise liegt diesbezüglich scheinbar ein Missverständnis vor“, versichert die Sprecherin des Kreises gegenüber „Offenbach Online“ weiter.

Auch zu Hause Mundschutz tragen

Auch die Stadt Bruchsal war laut dem Nachrichtendienst epd betroffen. In einer Bruchsaler Grundschule im Kreis Karlsruhe waren im Juli 46 Viertklässler unter strengsten Vorgaben in Quarantäne geschickt worden, nachdem eine Lehrerin positiv getestet wurde.

In einer schriftlichen Anordnung wurden die dortigen Erziehungsberechtigten dann offenbar aufgefordert, das Kind auch zu Hause beim Kontakt mit anderen Personen einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu lassen. Gedroht wurde zudem damit, dass bei Zuwiderhandlung für die Dauer der Quarantäne das Kind „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert“ werden könne.

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Das für Erwachsene formulierte Schreiben habe die Eltern sehr erschreckt und verängstigt, sagte Siegloch. Einen ähnlichen Fall habe es auch in einer Kita in Dreieich bei Frankfurt gegeben.

Die Sprecherin der Initiative stellte die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in Frage, auch wenn diese nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) zulässig seien. In Dänemark werde etwa bei positiv getesteten Kindern „Fürsorge und Umarmungen“ empfohlen.

Manche Eltern in Bruchsal hätten ihre Kinder zu Hause nur noch mit Masken herumlaufen lassen, erzählte Siegloch. Eine Familie habe vor dem gemeinsamen Essen die Vorhänge zugezogen, aus Angst von Nachbarn verpetzt zu werden. Rechtliche Schritte hätten die Eltern, die fast alle anonym bleiben wollten, nicht unternommen. Mittlerweile sei die im Juli angeordnete Quarantäne wieder aufgehoben.

Auch der Deutsche Kinderschutzbund äußerte sich kritisch zu den Maßnahmen. Die „Bild“-Zeitung zitierte aus einem offenen Brief des Vereins: „Die Situation der Quarantäne ist für Familien, insbesondere für Kinder, ohnehin sehr belastend. Kinder in dieser Phase von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren ist eine Form psychischer Gewalt“, erklärt Kinderschutzpräsident Heinz Hilgers in einer auch online zugänglichen Erklärung.

Die Drohung mit dem „scharfen Schwert“ der Herausnahme und Unterbringung auf einer Isolierstation verunsichere zudem nachhaltig.

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epd/krott

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