WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. Knabe-Untersuchungsausschuss: Opposition wirft Lederer Verschleppung vor

Deutschland Entlassener Stasi-Aufklärer

Plötzlich wird der Untersuchungsausschuss mit Akten überschüttet

Kultursenator Klaus Lederer erklärt: Der mit dem Ausschuss abgesprochene Zeitplan wurde eingehalten Kultursenator Klaus Lederer erklärt: Der mit dem Ausschuss abgesprochene Zeitplan wurde eingehalten
Kultursenator Klaus Lederer erklärt: Der mit dem Ausschuss abgesprochene Zeitplan wurde eingehalten
Quelle: dpa
Zuerst erhält der Untersuchungsausschuss zur Entlassung des Ex-Gedenkstättendirektors Hubertus Knabe wenig Dokumente aus der Kulturverwaltung von Klaus Lederer – jetzt trifft mit einem Mal ein kaum überschaubarer Berg ein. Parlamentarier sprechen von „Verschleppung“.

Im Streit um den vor zwei Jahren als Gedenkstättendirektor entlassenen Stasi-Aufklärer Hubertus Knabe sieht sich die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus vom zuständigen Kultursenator Klaus Lederer hinters Licht geführt. Mitglieder des Untersuchungsausschusses werfen dem Linken-Politiker Verschleierungstaktik vor.

Wie jetzt bekannt geworden ist, hat Lederers Behörde dem Ausschuss ein halbes Jahr lang teils brisante Unterlagen nicht zugeliefert. Sie waren mit Beweisbeschluss vom 24. März angefordert worden und hätten für die Befragung von Zeugen wichtig sein können.

Erst am 22. September kamen die Dokumente im Büro des Untersuchungsausschusses an. Dort wurden sie für die Einsicht der Parlamentarier vorbereitet – seit Mittwochnachmittag vergangener Woche können Abgeordnete das Material einsehen. Den Mitgliedern des Gremiums wurde vom Ausschuss empfohlen, aufgrund des enormen Umfangs einen Aktenwagen mitzubringen.

Lesen Sie auch
Langjährige Konkurrenten: Hubertus Knabe (l.) und Klaus Lederer
Entlassener Stasi-Aufklärer

FDP-Ausschussmitglied Stefan Förster sagte WELT dazu: „Die Verschleppung der Herausgabe ist eine Unverschämtheit.“ Lederers Verwaltung hatte dem Ausschuss zuvor lediglich 900 Seiten zur Verfügung gestellt. Diese passten in zwei Aktenordner. Die aktuelle Lieferung besitzt ein anderes Ausmaß: Insgesamt handelt es sich laut einer internen Mitteilung des Ausschusses um 25 Bände. Allein 13 tragen den Geheimhaltungsgrad „VS-Vertraulich“ und dürfen nur in einem speziell geschützten Raum eingesehen werden. Eine gründliche Auswertung dürfte viele Wochen in Anspruch nehmen.

Ein Sprecher der Kulturverwaltung wehrt sich gegen den Vorwurf der FDP: „Es fand keine Verschleppung statt, da der mit dem Ausschussbüro abgesprochene Zeitplan eingehalten wurde.“

Die jetzt auch dem Ausschuss vorliegenden Dokumente zeigen laut einer am Wochenende veröffentlichten Recherche von WELT AM SONNTAG, wie Lederer bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Dezember 2016 nach Gründen gesucht hatte, gegen den damals amtierenden Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vorzugehen.

Knabe hatte das ehemalige Stasi-Gefängnis zu einer Mahnstätte von nationaler Bedeutung entwickelt. Im September 2018 wurde er auf Betreiben des Kultursenators entlassen, weil er strukturellen Sexismus geduldet haben soll. Ein Vorwurf, den Knabe bis heute bestreitet. Ein vor dem Landgericht Berlin anhängiger Rechtsstreit endete mit einem Vergleich.

Das einstige Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen
Das einstige Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen
Quelle: picture alliance / rolf kremming

Der Historiker Knabe gilt wegen seiner Kritik an der SED-Nachfolgepartei und der Aufklärung von Stasi-Verstrickungen bei einem Teil der Linken als Hassfigur. Lederer hatte ihn bereits 2013 als „Ewiggestrigen“ bezeichnet.

Der Berliner CDU-Chef und Bundestagsabgeordnete Kai Wegner nimmt an, dass der Rauswurf von langer Hand geplant sei. „Der Verdacht wird immer stärker, dass Senator Lederer die Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses über seine Rolle bei der Knabe-Entlassung behindert“, heißt es in einer Erklärung.

Eines der wichtigsten Dokumente liegt erst jetzt vor

Anzeige

Nicht nachvollziehbar ist laut einer Erklärung der Berliner CDU-Fraktion etwa, dass eines der wichtigsten Dokumente in der gesamten Affäre erst jetzt vorliegt. Es handelt sich um den Regieplan der Kündigung von Knabe im Jahr 2018. Aus dieser „Handlungsempfehlung“ ergibt sich, dass Knabe vor seinem Rauswurf offenbar nur zum Schein angehört wurde.

Hubertus Knabe, ehemaliger Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen
Hubertus Knabe, ehemaliger Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen
Quelle: picture alliance/dpa

Zu den verzögert gelieferten Akten erklärt Ausschussmitglied Förster, er habe sie erstmals am Montag dieser Woche gesehen. „Wir hätten diese Unterlagen dringend benötigt, um die vor den Untersuchungsausschuss geladenen Zeugen sachgerecht befragen zu können“, sagte Förster.

Ausschussvorsitzende Sabine Bangert (Grüne) teilte mit, es sei ihre Aufgabe, „gegenüber allen herausgebenden Stellen auf eine zügige und vollständige Lieferung der angeforderten Unterlagen“ zu bestehen. Sie kritisierte nur allgemein: „Vor diesem Hintergrund ist es in der Tat stets misslich, wenn es zu Verzögerungen bei der Bereitstellung von Unterlagen kommt.“ Die Politikerin gibt zu bedenken, dass der Ausschuss von der Kulturverwaltung umfangreiche Akten angefordert habe.

Ausschussmitglied Hans-Christian Hausmann (CDU) will jetzt von Lederer unter anderem wissen, welche Daten, Akten, Dateien bisher Journalisten erhalten haben, „nicht aber dem Untersuchungsausschuss vorgelegt worden sind.“ Zugleich verlangt er eine eidesstattliche Versicherung, dass „alle Vorgänge und Akten vollständig geliefert“ wurden. Die Kulturverwaltung teilt mit, die Aktenvorlage sei „ein laufender Prozess“, dem eine aufwendige rechtliche Bewertung der Akteninhalte vorausgehen müsse.

Lederer hatte Zweifel am Sinn des Ausschusses bereits vor der Einsetzung geäußert. Damals erklärte er dem „Tagesspiegel“, die Opposition habe die Möglichkeit gehabt, die Akten gründlich einzusehen. Das war im November 2019. Diese Darstellung hat sich als vorschnell herausgestellt. Tatsächlich kann erst jetzt, fast ein Jahr später, mit einer eingehenden Prüfung des Großteils der Akten begonnen werden.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema