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Politik

Himmlers Nachwuchs

Der SS-Chef konnte mit seinen Kindern wenig anfangen. Seine Tochter wollte ihn rehabilitieren

Sie trug ein Sommerkleid und eine Schleife im Haar, sogar ihre Freundin Röschen durfte sie mitnehmen zu diesem Ausflug nach Oberbayern.

Den Ort fand Gudrun Himmler einfach nur „herrlich!“ „Heute fuhren wir ins SS-Konzentrationslager nach Dachau“, schrieb die knapp Zwölfjährige am 22. Juli 1941 in ihr Tagebuch. „Schön ist’s gewesen.“ Mindestens 41.500 Menschen sollten hier ermordet werden.

Die Tochter von SS-Chef Heinrich Himmler war beeindruckt von dem, was der Vater ihr vorführen ließ: „Ein sehr großer Betrieb.“ Zum KZ-Komplex, den Himmler schon 1933 hatte errichten lassen, gehörte auch ein „Kräutergarten“. Die Nazis ließen dort Heil- und Gewürzkräuter züchten. Unter welchen menschenverachtenden Umständen, das erfuhr Gudrun nicht bei ihrem Familienausflug. Sie sah auch nicht, dass die Häftlinge dort unter unwürdigen Umständen lebten. Dass sie bei der Arbeit auf den Plantagen an Entkräftung starben. Dass sie willkürlich erschossen wurden. Das Mädchen notierte nach dem Besuch nur, dass sie die große Gärtnerei gesehen hätten, die Mühle, Bienen, Kräuter, die ganzen Bilder, die Sträflinge gemacht hätten. „Dann haben wir gegessen, viel, dann hat jeder etwas geschenkt bekommen.“ Ihr „Pappi“ kam ihr wie ein Held vor.

Das Tagebuch von Gudrun Himmler gehört zu dem Dokumentenbestand, der nun zum ersten Mal veröffentlicht wird. Von ihren privaten Notizen sind einige wenige schon zuvor publiziert worden; nun erlauben die gesamten Einträge zwischen dem 1. Juli 1941 und dem 29. April 1945 neue Einblicke in die Gedankenwelt der heranwachsenden Tochter und in das Familienleben des „Reichsführers-SS“.

So machte sich „Püppi“ Gedanken über den Verlauf des Zweiten Weltkriegs. „Überhaupt tut sich jetzt etwas, die Invasion hat in der Nacht vom 5. zum 6. Juni begonnen in der Normandie“, schrieb die Vierzehnjährige am 15. Juli 1944. „In Russland sind die Russen schon fast an der Grenze, einfach furchtbar, aber alle glauben sie so fest an den Sieg (Pappi), dass ich als Tochter des jetzt besonders angesehenen und beliebten Mannes es auch denken muss.“ Es wäre „ja gar nicht zum Ausdenken, wenn wir verlieren würden“.

Fassungslos war das Mädchen nach dem Anschlag auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. „Wie ich es gehört habe, gerade wie wir vom Baden kamen, habe ich fast geheult“, vertraute sie ihrem Tagebuch an. Gott sei Dank sei ihr Pappi nicht dabei gewesen, „aber er hat ja im Grunde die letzte Verantwortung“.

An Gudrun Himmlers Erinnerungen, den Kindheitstagebüchern ihrer Mutter Margarete und bisher unveröffentlichten Briefen, die der Organisator des Holocaust zwischen 1927 und 1945 an seine Frau schrieb, wird auch klar, wie streng Himmler und seine Frau ihre nationalsozialistische Ideologie in der Familie lebten und wie sehr das ihre Kinder prägte.

Der „Führer“ spielte schon in Gudruns Kindheit eine zentrale Rolle. „Muss der Onkel Hitler auch sterben?“, fragte sie ihre Mutter im März 1935. Marga notierte in ihrem Kindheitstagebuch: „Sie schlief in Pappis Bett neben mir, und es war schon halb elf Uhr, sie schlief noch nicht.“ Plötzlich sei ihr dieser Gedanke gekommen. „Ich beruhigte sie und sagte, der Onkel Hitler lebt noch ganz lange; erfreut rief sie: 100 Jahre, ganz lange, nein, Mami, ich weiß, 200 Jahre.“ Dann habe sich Gudrun hingelegt und sei beruhigt eingeschlafen.

Himmler, selten zu Hause, mühte sich, seine Gudrun zu einer NS-Mustertochter zu machen. Er predigte Anstand, gute Manieren, Gehorsam, Fleiß in der Schule. Schickte ihr Postkarten mit SS-Symbolen oder SS-Mitteilungsblätter zum Lesen. Sie schrieb Briefe an die Front, bastelte Geschenke für SS-Soldaten, trat mit zehn Jahren dem Bund Deutscher Mädel bei. Zu Weihnachten bekam sie Porzellanfiguren von einem Hitler-Jungen und einem BDM-Mädel, produziert in einer SS-eigenen Manufaktur, auch von Häftlingen aus Dachau.

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In jenem Sommer 1941, als Gudrun mit ihrer Mutter das KZ besuchte, schrieb sie ihrem Vater fast täglich sehnsüchtige Briefe. Himmler, der Chef von SS, Polizei und Gestapo, entwickelte sich gerade zu einem der größten Massenmörder der Geschichte. Die Tochter vermisste ihren „Reisepappi“. Von seinen Verbrechen ahnte sie nichts. „Püppi konnte nicht begreifen, dass Du geschrieben hast, Du könntest nicht mehr so lachen wie 1936“, schrieb Marga ihrem Mann Ende Juli 1941. „Vielleicht ist es doch ganz gut, dass sie sich den Krieg noch nicht vorstellen kann.“

Himmler antwortete fünf Tage später aus dem „Führerhauptquartier“: „Du hast schon recht, es ist gut, dass unser Püppi den Krieg noch nicht ganz auffasst, aber erzählen musst du ihr schon immer wieder davon.“ Sie sollte wissen, was in der Welt passiert. In diesem dritten Kriegsjahr konnte Himmler zum ersten Mal nicht pünktlich mit der Familie Heiligabend feiern. Sie zogen das „Julfest“ vor vom 24. auf den 20. Dezember. Am nächsten Tag flog der „Reichsführer“ zurück an die Ostfront. „Ob nächstes Weihnachten noch Krieg sein wird?“, fragte sich Gudrun. Und schrieb in ihr Tagebuch: „Gott erhalte uns Pappi.“ Sie genoss die seltenen Besuche des Vaters zu Hause in Gmund.

Gudrun Margarete Elfriede Emma Anna war am 8. August 1929 zur Welt gekommen. 3625 Gramm, 54 Zentimeter. „Blonde Haare, mit blauen Augen und einer rosigen kleinen Nase“, notierte die Mutter im Babyjournal. „Friedlich lag sie vor mir.“ Nach dem Kaiserschnitt musste sie drei Wochen im Krankenhaus liegen; in der Zeit schaffte es der Vater nur einmal zu Besuch. Von den folgenden Dienstreisen schrieb der „liebe Heini“ meist Belangloses. Dem Neugeborenen widmete er kaum mehr als einen Satz am Ende: „Das kleine Bengele soll nur hie und da schreien, damit die Mutter merkt, dass sie nicht allein ist und dass sich da ein Teil vom Vati rührt.“

Es wurde kein großes Theater gemacht um das Baby, Hauptsache, es aß, nahm zu und bekam frische Luft. „Das Bengele spuckt wenig. Schläft viel“, teilte Marga dem Vater spärlich mit (Oktober 1929). „Püppi ist frech, munter und fidel.“ Himmler zeigte sich mit den knappen Informationen zufrieden: „Was bin ich froh, dass es Euch zwei ,Kleinen‘ so gut geht.“

Die wichtigen Dinge hielt Marga im Kindheitstagebuch fest. Dort schrieb sie viel liebevoller über ihr „Fratzelinchen“, über die ersten Zähne, die ersten Schritte, die ersten Worte („Auch sagt sie jetzt ,Kruzitürken‘“, 9. April 1932); und dass das Kind schon mit fünf Monaten aß, ohne sich zu besudeln, dass es „mit affenartiger Geschwindigkeit vom Töpfchen floh“ oder aus dem Laufstall kletterte und das ganze Haus auf den Kopf stellte. Marga hatte spürbar ihre Freude an ihrem „Püpperlein“: „Sie lacht so, dass man mitlachen muss, legt die Hände auf den vorgestreckten Bauch und meckert los, zu komisch.“ Himmler erkundigte sich anfangs noch regelmäßig nach „unserem herzigen Kind“. „Immer sehe ich Eure beiden lieben Gesichtchen und denke an Euch und möchte in den angenehmen Stunden immer, dass ihr dabei sein könntet.“ (21. Juli 1930). Ab 1931 aber wurden die Liebesbezeugungen spärlicher. Häufig schickte „Euer Pappi“ nur noch „einen Extrakuss für das Püpperlein“ als PS.

Im März 1933 tauchte dann zum ersten Mal ein „Bubi“ in Grußliste auf. Himmlers Pflegesohn Gerhard von der Ahé war vier Jahre alt, als er in die Familie zog, Waise eines bei Straßenschlachten erschossenen SS-Mannes. Der blonde Bub kam dem „Reichsführer“ wohl gerade recht. Marga konnte nach Gudruns Geburt keine Kinder mehr bekommen. Das passte nicht so recht zu Himmlers Ideologie der Volksvermehrung. Pflegesohn Gerhard half in dieser Lage, das familieninterne Soll in der Nachwuchsproduktion zu erfüllen. „Er ist ein hübscher geweckter Bub. Püppi freute sich schon mächtig“, trug Marga ins Kindheitstagebuch ein (10. März 1933). Die Kleine tröste ihn, wenn er weine. Außerdem bekomme ihr der Umgang mit einem anderen Kind gut. „Der Bub ist sehr gehorsam, hoffentlich lernt Püppi es auch bald.“

Die Begeisterung über den braven Jungen ließ allerdings schnell nach. Je älter er wurde, umso weniger liebevoll gingen Marga und Heinrich mit ihm um. Gerhard von der Ahé erinnerte sich Jahre später, dass er oft Angst vor den Besuchen des Stiefvaters in Gmund hatte; dass er Prügel bekam, auch mal mit der Reitpeitsche. Schläge als Strafe waren für die Himmlers normal, auch bei Gudrun. Das beweist Margas Eintrag vom Juli 1932: Hätte ihre Tochter „mag nicht“ geantwortet, wenn sie etwas tun sollte, hätte sie „schon oft ein paar herunter bekommen“ müssen.

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Trotzdem blieb sie Himmlers Augenstern, anders als der ein Jahr ältere Pflegesohn. Auch in Margas Tagebuch wird der Ton ab 1937 deutlich distanzierter. „Gerhard ist eine Verbrechernatur“, schrieb sie im April 1938. „Er hat irgendwo wieder Geld gestohlen und lügt unbeschreiblich. Wir müssen ihn in eine Erziehungsanstalt tun.“ Tatsächlich gaben die Himmlers den Pflegesohn mit neun Jahren in ein Starnberger Internat. Im Frühjahr 1939 meldete ihn der Stiefvater an der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt in Berlin-Spandau an. „Ich fand, er war netter geworden“, schrieb Marga, als er die Aufnahmeprüfung geschafft hatte (14. Januar 1940). „Er hängt doch sehr an uns.“

Ehrlich liebevolle Worte über den Halbwaisen fand allerdings nur Margas jüngere Schwester. Lydia Boden war ledig, lebte ab 1934 mit bei den Himmlers im „Haus Lindenfycht“ in Gmund und kümmerte sich um die Kinder, wenn die Eltern weg waren. In ihrem Erinnerungsbuch „Um und mit Gerhard“, das sie Mitte der 50er-Jahre schrieb und das heute im Besitz von dessen Sohn Horst ist, schrieb Lydia zum Beispiel: „Ganz unbekümmert warst Du, mein lieber Junge.“ Ein Kavalier sei er gewesen, aber auch ein „ganz wilder Junge“, einer, der Hunde sehr liebte. Alle anderen Tiere hätten unter ihm eher leiden müssen.

Vermutlich gab der kleine Tierquäler die Gewalt, die er selbst erfuhr, weiter. Lydias Erinnerungen bestätigen, wie schwer es der Junge im Hause Himmler hatte. „Wir haben Gerhard tüchtig verprügelt“, erinnerte sich die Tante. Auch sie selbst langte zu, als sie einer Rede des „Führers“ lauschen wollte und Gerhard anfing zu klappern. „Er hörte nicht, und ich wurde ärgerlich, nahm das Lineal und prügelte ihn.“ Der Bub sei ganz entsetzt gewesen. Die Strenge des autoritären Vaters verschwieg Schwägerin Lydia, etwa wenn sie verherrlichend das idyllische Familien-Frühstück beschrieb: „Pappi schnitt kleine Häppchen, die er sorgfältig belegte und wie einem kleinen Vögelchen, den Kindern ins Mäulchen steckte.“

Der Frühstücks-„Pappi“ hatte bald aber noch mehr „Mäulchen“ zu füttern als seine zwei in Gmund. Ende 1938 begann er eine Affäre mit seiner Sekretärin Hedwig Potthast, sie brachte am 15. Februar 1942 den gemeinsamen Sohn Helge zur Welt; eine komplizierte Zangengeburt. Wann genau Himmlers erste Familie von der zweiten erfuhr, ist nicht genau bekannt. Aus Margas und aus Gudruns Tagebuch lässt sich aber ablesen, dass er kurz nach Helges Geburt zwei Tage am Tegernsee verbrachte. Womöglich beichtete er sein Verhältnis bei diesem Besuch – oder informierte vielmehr seine Frau darüber, dass der „Reichsführer“ einen neuen „arischen“ Bürger gezeugt hatte, wo doch das Land so unter den sinkenden Geburtenzahlen litt.

Himmler erfüllte seine „Pflicht“ weiter. Am 3. Juni 1944 brachte seine Geliebte „Häschen“ das zweite Kind zur Welt, Nanette Dorothea. Ihre Geburt verpasste der Vater, er hatte wichtigere Pflichten an diesem Tag, als Trauzeuge von SS-Gruppenführer Hermann Fegelein und Gretl Braun, der Schwester von Hitlers Lebensgefährtin Eva Braun. Am 25. Juni ließ Himmler von einem SS-Richter die Vaterschaft auch für sein zweites uneheliches Kind anerkennen. Für Hedwig, Helge und „Nanettechen“ ließ er in der Nähe von Hohenlychen ein ehemaliges Försterhaus umbauen. In der Nähe lebte die befreundete Familie des SS-Spitzenfunktionärs Oswald Pohl, der sämtliche Konzentrationslager leitete.

Der Ehebrecher hielt aber auch weiter engen Kontakt mit seiner offiziellen Familie. Er schrieb der „lieben Mami“, telefonierte mit „Püppi“, versorgte die zwei mit raren Lebensmitteln. Was und wie viel der SS-Chef mit seinen beiden unehelichen Kindern unternahm, wie oft er sie überhaupt sah, darüber ist wenig bekannt. In den Briefen an seine Geliebte ließ er sie allenfalls grüßen. Dafür hielt Hedwig ihn auf dem Laufenden über die freundliche Nanette und den „mustergültig artigen“ Helge, der im Dezember 1944 bei einem Besuch bei Gerda Bormann, Ehefrau von Hitlers Privatsekretär Martin Bormann, (die damals ihr elftes Kind erwartete) „nicht von ihrem Rockzipfel“ gewichen sei. Sie selbst könne bald wieder „den ganzen Struwwelpeter auswendig“, schrieb Hedwig. Und ihre Schwester Thilde sei schon sehr innig mit dem Neffen, teilte sie dem Kindsvater im Januar mit. „Sie muss alles mitmachen – auch wenn der Herr auf dem Clö’chen sitzt, muss sie zugucken.“ Nanettchen finde sie „abnorm brav“.

Außer wenigen Vertrauten wusste niemand von den unehelichen Kindern des „Reichsführers“. Einer davon war Himmlers Adjutant Joachim Peiper. Er war mit einer Freundin und Arbeitskollegin von Potthast verheiratet und auch selbst mit „Häschen“ befreundet. Wie der Historiker Jens Westemeier in seiner Peiper-Biografie „Himmlers Krieger“ schreibt, besaß der SS-Offizier sogar ein sehr seltenes Bild von Himmler mit seinem einzigen leiblichen Sohn auf dem Arm. Potthast schickte es ihrem Freund Joachim bald nach der Geburt. Er antwortete dem „lieben Schwesterlein“: „Sollten unbefugte Augen einmal einen Blick darauf werfen, werde ich mit Helge renommieren und ihn stolz als meinen Sohn ausgeben, welcher ausnahmsweise auf dem Arm seines hohen Herrn Patenonkel sitzen darf.“

Als klar war, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, leitete Himmler alles in die Wege, seine beiden Familien in Sicherheit zu bringen. Das gelang zumindest im Fall der Zweitfrau. Hedwig Potthast lebte nach 1945 mit Helge und Nanette in Bayern. Beide erfuhren erst lange nach Kriegsende, wer ihr leiblicher Vater war. Joachim Peiper soll es ihnen auf Hedwigs Wunsch gesagt haben.

1953 zog Potthast mit den Kindern in die Nähe von Baden-Baden. Dort teilte sie einen stattlichen Bungalow mit ihrer Freundin Sigurd Peiper, deren Mann bis 1956 wegen seiner Kriegsverbrechen im Gefängnis Landsberg saß. Helge lebte mit seiner Mutter in Baden-Baden, bis diese 1994 starb. Eine Anfrage, bei ihm Einblick in den Nachlass seiner Mutter zu erhalten, hat er über seinen Anwalt vor einigen Jahren ablehnen lassen. Der Jurist verband die Absage mit „der Bitte, seinen Mandanten nicht mehr zu kontaktieren“, heißt es im Buch „Himmler privat“, das der Historiker Michael Wildt zusammen mit Himmlers Großnichte Kathrin geschrieben hat (Pieper-Verlag). Helge soll zuletzt den Namen seines späteren Stiefvaters getragen haben und inzwischen verstorben sein, ledig und kinderlos. Von Nanette Dorothea heißt es, sie habe als Ärztin in Norddeutschland gearbeitet. „Angeblich eine nette, sympathische Person“, sagt Historiker Jens Westemeier.

Genauer bekannt ist, was aus Himmlers offizieller Familie wurde. Pflegesohn Gerhard, der sich als 16-Jähriger freiwillig zur SS gemeldet hatte, geriet nach dem Krieg in russische Gefangenschaft. Im Oktober 1955 kehrte er als 27-Jähriger zurück nach Deutschland, seine Stiefmutter Marga holte ihn im Lager Friedland ab. Gerhard lebte kurze Zeit bei ihr und Tante Lydia in Bielefeld. Im Frühjahr 1956 zog er nach Lübeck, wurde Kraftfahrer, heiratete und bekam einen Sohn. Zu Stiefmutter und Stiefschwester hatte er noch Kontakt bis zu Margas Tod im August 1967. Den „Lübecker Nachrichten“ gab er 2001 ein Interview, erzählte von seiner Kindheit in meist „friedlicher Idylle“. Im Dezember 2010 starb Gerhard von der Ahé in einem Lübecker Krankenhaus.

Gudrun wurde nach dem Krieg in Sicherheit gebracht. In der Nacht auf den 19. April 1945 organisierte ein enger Mitarbeiter aus Himmlers Stab ihre Flucht aus Gmund nach Südtirol, ins Valepp. „Wo wir hingehen, muss ganz geheim bleiben (unter falschem Namen)“, schrieb sie in ihr Tagebuch.

Am 13. Mai verhafteten amerikanische Soldaten Frau und Tochter des gesuchten SS-Chefs, brachten sie in ein Internierungslager in Italien. Zehn Tage später erfuhr Gudrun, dass sich ihr Vater in britischer Gefangenschaft vergiftet hatte. Ende 1946 wurden sie und ihre Mutter aus der Haft entlassen, kamen in den Bodelschwingh’schen Anstalten unter, die ein evangelischer Pastor in Bethel gegründet hatte. Gudrun lernte dort das Schneidern. 1952 zog sie nach München, versuchte dort, eine Stelle zu finden, doch der Name ihres Vaters sollte ihr dabei immer wieder im Weg stehen. Trotzdem nannte sie sich weiter Gudrun Himmler, bis sie Dieter Burwitz heiratete, einen Funktionär im NPD-Landesverband Bayern.

Gudrun war der Ansicht, dass Hitler ihrem „Pappi“ nur die „Müllabfuhr des Reiches“ übertragen hatte, deswegen wollte sie ihn in einem Buch rehabilitieren. Daraus wurde nichts. Sie blieb aber der Ideologie ihres Vaters verbunden, war aktiv in neonazistischen Kreisen, engagierte sich im Verein „Stille Hilfe“, der inhaftierte Kriegsverbrecher unterstützt, besuchte Veteranentreffen der Waffen-SS. 1960 gab sie dem Journalisten Norbert Lebert ein einziges Interview. Danach wollte sie nicht wieder mit Fremden über ihr Leben reden. Sie ist heute 84 Jahre alt.

Als die israelische Regisseurin Vanessa Lapa, die einen Dokumentarfilm über Himmler gedreht hat („Der Anständige“), Gudrun Himmler anbot, ihr das Tagebuch aus Kinderzeiten zurückzugeben, lehnte sie ab.

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