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Panorama Loriot-Denkmal

Wo sich wilde Waldmöpse genüsslich räkeln dürfen

Auch ein „Wilder Waldmops“ muss gelegentlich mal Auch ein „Wilder Waldmops“ muss gelegentlich mal
Auch ein „Wilder Waldmops“ muss gelegentlich mal
Quelle: dpa
In memoriam Vicco von Bülow alias Loriot: Brandenburg an der Havel feierte die Eröffnung des ersten und einzigen Waldmopszentrums der Welt. Frank-Walter Steinmeier sah ein „zoologisches Großereignis“.

Vom gewöhnlichen Mops unterscheidet sich der Waldmops durch sein kleines Geweih, das dem eines Elches ähnelt. Seit der bekannte Zoologe Vicco von Bülow alias Loriot (1923-2011) vor Jahren seine sensationelle Entdeckung publik machte, dass Restbestände dieses seltenen Tieres in dichten Wäldern Nordskandinaviens überlebt hätten, kommt die kynologische Welt nicht zur Ruhe.

Es tobt in der Wissenschaft vom Hund ein Streit darüber, in welchem Verhältnis Mops und Waldmops zueinander stehen. Die herrschende Lehre, dass der Mops seinen Ursprung im chinesischen Kaiserreich habe, wo er am Hofe aus Kriegshunden herausgezüchtet worden sei, ist erschüttert.

Denkbar wäre nach Loriots Entdeckung des Waldmopses ja immerhin, dass es sich beim Mops um dessen domestizierte Form handle und es eines Hundetransfers aus dem Reich der Mitte gar nicht bedurft hätte, diesen liebenswerten, stupsnasigen Gesellen in Europa solcherart heimisch zu machen, dass, einem Diktum des Mopsfreundes Loriot zufolge, ein Leben ohne ihn zwar möglich, aber sinnlos ist.

Man sieht, es geht beim Mops respektive Waldmops um letzte Fragen europäischer Identität. Damit ist der Mops auch ein Fall für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der Wahlkreis des Außenministers, welch ein Glück

Es fügt sich, dass die schöne Stadt Brandenburg an der Havel sowohl die Geburtsstadt Vicco von Bülows als auch die Hauptstadt des Steinmeierschen Bundestagswahlkreises ist. Als Vorsitzender des dortigen Kulturvereins hat der Außenminister jahrelang daran gearbeitet, dass dem großen Sohn der Stadt Loriot in Brandenburg ein angemessenes Denkmal gesetzt wird.

Am Wochenende war es endlich so weit. Just zur Eröffnung der Bundesgartenschau im Havelland konnte in Brandenburg das Loriot-Denkmal enthüllt werden. Steinmeier sprach feierlich von einem „zoologischen Großereignis“, und die Sonne lachte dabei. Nach vielen Jahren der Hege und Pflege könne nun endlich zu Ehren Loriots das erste und einzige Waldmopszentrum eröffnet werden.

Als Festredner hatte Steinmeier den berühmten Sinologen, Schriftsteller und langjährigen Loriot-Nachbarn am Starnberger See, Tilman Spengler, mitgebracht. Naturgemäß behandelte der die zoologische Kardinalfrage des Verhältnisses von Mops und Waldmops eher frei und nicht streng wissenschaftlich. Als Chinakenner schien er aber der Orthodoxie zuzuneigen, zumal er ausschließlich über den Mops extemporierte, was den im Gebüsch um die Ruine der Johanniskirche versteckten Waldmöpsen durchaus nicht gefallen haben mag.

Eine Art Hund von kleiner Größe und verdrießlichem Aussehen
Sprachforscher Johann Christoph Adelung, Mops-Definition

Doch sie blieben absolut stumm und regungslos. Wahrscheinlich verdanken sie diesem Verhalten ihr Überleben. Immerhin war Spenglers Ausführungen zu entnehmen, dass am Starnberger See, wo in Deutschland wohl die größte Denkerdichte herrscht, auch über den Mops verschärft nachgedacht wurde, vor allem anlässlich legendärer Grünkohlessen bei frühzeitiger Anwendung hochprozentiger Getränke.

„Eine Art Hund von kleiner Größe“

Bei diesen Tafelrunden mit Loriot rückte der Mops, den der Sprachforscher Johann Christoph Adelung vor 200 Jahren noch „eine Art Hund von kleiner Größe und verdrießlichem Aussehen“ nannte, in jene durch Loriots Bonmot definierte kulturelle Zentralstellung (Leben ohne Mops möglich etc.).

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Man soll die Geisteskraft, die ältere Herren bei Grünkohl, Pinkel und Schnäpsen aufbringen, nicht unterschätzen. Ohne den klaren Verstand und den Witz einer jungen Frau wäre das Waldmopszentrum allerdings nicht zustande gekommen. Zu ihrer eigenen großen Überraschung gewann die damals 23 Jahre alte Berliner Innenarchitektur-Studentin Clara Walter den Denkmalwettbewerb mit einer genial einfachen und klaren Idee.

Künstlerin Clara Walter in ihrem Atelier in Berlin, bei der Arbeit an einem „Waldmops“
Künstlerin Clara Walter in ihrem Atelier in Berlin, bei der Arbeit an einem „Waldmops“
Quelle: dpa

Ein Bildnis von Loriot wäre immer ein Abklatsch. Und auf einem Sockel wirkte es lächerlich. Das eigentliche Denkmal besteht deshalb nur aus einem Sockel, auf dem die Fußabdrücke Loriots eingelassen sind. Man kann vor diesem Denkmalsockel in stillem Gedenken verharren.

Aber lange wird es den Loriot-Verehrer dort nicht halten, denn aus den Augenwinkeln schon nimmt er war, wie er von neugierigen Waldmöpsen beobachtet wird. Von Denkmalsockel aus wird er sich auf eine Waldmopsexkursion begeben. Das ist der eigentliche Sinn des Denkmals.

Clara Walter hat sogar eine Beobachtungsplattform gebaut wie man sie aus Vogelschutzgebieten kennt. Von dort lässt sich das Treiben der Tiere beobachten, von denen sich manche versteckt halten, andere aber sich ganz ungeniert unter die Spaziergänger mischen, sich in der Sonne räkeln oder an markanten Punkten das Bein heben, denn seine Hundenatur kann der Waldmops nicht verleugnen, auch wenn seine eiszeitlichen Vorfahren eher an Elche erinnern.

Die Hörner durften nicht zu spitz werden

Clara Walter war im vergangenen Jahr nahezu ausschließlich mit der Herstellung von Waldmöpsen beschäftigt. Sie modellierte die Möpse mit einer keramikartigen Masse um ein Drahtgestell herum. Die Hörner durften nicht zu spitz werden. Es soll sich ja niemand verletzen. Zunächst sollten acht dieser Modelle in Bronze gegossen werden.

Das Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos. So sprach einst Humorist Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot
Das Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos. So sprach einst Humorist Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot
Quelle: picture-alliance/ dpa

Doch der Waldmops erweist sich als fruchtbare Spezies, auch weil er viele Freunde unter den Kulturschaffenden findet. Steinmeier und sein Brandenburger Kulturverein luden immer wieder Künstler und Schriftsteller wie Armin Mueller-Stahl, Sten Nadolny, Günter Grass und Martina Gedeck zu Benefizveranstaltungen ein. Die zur Auswilderung anstehende Herde wuchs deshalb schon von acht auf vierzehn Exemplare, von denen einige allerdings noch in der Gießerei aufgepäppelt werden müssen, bevor sie in die freie Wildbahn entlassen werden können.

Am Samstag kurz vor 14 Uhr war es so weit. Clara Walter lüftete das blaue Tuch, welches den Denkmalsockel verhüllte und übergab das Waldmopszentrum dem Publikum. Es gibt viele Gründe, ins Havelland zu fahren. An manchen Stellen scheint die arkadische Landschaft aus Wasser, Himmel und grünen Auen nicht von dieser Welt zu sein.

Ein Grund mehr, nach Brandenburg zu fahren

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Nun gibt es noch einen Grund mehr, nicht nur für Jünger des großen Humoristen, Karikaturisten und Schauspielers Vicco von Bülow, der seiner Heimatstadt mit folgenden Worten gedachte: „Als ersten verbürgten Eindruck meines Lebens empfing ich den Blick auf eine rötliche Kasernenwand, deren wilhelminisch dekorativ geziegelte Oberfläche zunächst dem Auge, später auch dem Griff des schwankenden Kleinkindes Zuversicht und Stütze bot. Seither verschwimmen in meiner Erinnerung altväterliche Kasernenbauten und die mütterliche Brust zu einem harmonischen Ganzen.“

Er wäre glücklich darüber, dass Brandenburg an der Havel nun zum einzigen Waldmopsbiotop der Welt geworden ist.

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