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Panorama Schwedin über Abschiebe-Stopp

„Ich habe mich von den Menschen an Bord unterstützt gefühlt“

Junge Schwedin verhindert Abschiebung nach Afghanistan

Als sich die Passagiere des Linienflugs Göteborg–Istanbul setzen sollen, startet Elin Ersson ein Live-Video. Mit ihrer Aktion versucht sie, die Abschiebung eines Afghanen zu verhindern – mit Erfolg.

Quelle: WELT/ Laura Fritsch

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Ihr Livevideo ging um die Welt: Eine junge Schwedin verhinderte am Montag die Abschiebung eines Afghanen, indem sie sich weigerte, sich im Flugzeug hinzusetzen. Nun spricht die junge Frau über ihre Beweggründe für die Aktion.

Mehr als zwei Millionen Mal wurde ihr Video nun schon angesehen, mehrere internationale Medien berichteten über die Aktion: Am Montag hatte die junge schwedische Aktivistin Elin Ersson die Abschiebung eines Afghanen verhindert. Vor dem Start des Fluges von Göteborg nach Istanbul weigerte sie sich, ihren Platz einzunehmen und forderte, dass der Mann das Flugzeug verlassen solle. Einige Passagiere wurden wütend, eine Fußballmannschaft solidarisierte sich.

Am Ende hatte die junge Frau Erfolg: Die Abschiebung des Mannes, der von Istanbul weiter nach Kabul gebracht werden sollte, wurde abgebrochen. Nun hat die Schwedin mit dem britischen „Guardian“ über ihre Beweggründe und ihre Gefühle während der Aktion gesprochen.

Sie sei eigentlich am Flughafen gewesen, um die Abschiebung eines anderen jungen Afghanen zu verhindern. Im Flugzeug sah sie, dass er nicht an Bord war – dafür jedoch ein anderer Mitte-50-jähriger Afghane. Obwohl sie erst nicht wusste, wie der Mann aussah, habe sie ihn im Flugzeug erkannt und sogar kurz mit ihm sprechen können. Doch ein Sicherheitsmann, der ihn begleitete, hätte sie weggestoßen. Da habe sie das Livevideo gestartet. „Als er anfing, mich wegzustoßen, habe ich angefangen zu filmen für den Fall, dass mir etwas zustößt. Ich wollte, dass andere Menschen wissen, was da gerade abläuft.“

„Es hat sich gut angefühlt“

Es dauerte nicht lang, bis Ersson die Aufmerksamkeit der Passagiere und des Bordpersonals auf sich zog. „Ich war so gefangen im Moment, dass ich gar nicht realisierte, dass alle mich ansahen“, sagte sie. Trotz einiger aggressiver und wütender Menschen, die versuchten, ihr das Handy abzunehmen, habe sie sich gestärkt gefühlt. „Erst waren viele genervt …, aber als sie realisierten, was ich da tat, fanden die meisten es gut“, ist sie sich sicher. „Insgesamt habe ich mich von den Menschen an Bord unterstützt gefühlt.“

Eine Fußballmannschaft stand schließlich auf und solidarisierte sich mit Ersson. Schon vor dem Abflug hatte Ersson die Männer angesprochen und sie auf die anstehende Abschiebung aufmerksam gemacht. Sie habe gewusst, dass die Mannschaft ihr Anliegen unterstützen würde, sagte Ersson dem „Guardian“.

Der Protest hatte schließlich Erfolg, der Afghane konnte das Flugzeug wieder verlassen. Ersson sagt, sie selbst habe dies nicht mit eigenen Augen verfolgen können, weil sie durch einen anderen Ausgang herausgeführt wurde als der Mann. Jedoch habe sie ein Gespräch gehört, aus dem sie geschlossen habe, dass die Abschiebung gestoppt wurde. „Es hat sich gut angefühlt“, sagt sie.

Ihr Ziel: Abschiebungen nach Afghanistan verhindern

Schon länger engagiert sich die 21-jährige Studentin der sozialen Arbeit gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Seit einem Jahr arbeitet sie als Freiwillige in Flüchtlingseinrichtungen. Auch unter deutschen Flüchtlingsorganisationen stehen Abschiebungen nach Afghanistan in der Kritik: Das Land wird als politisch instabil angesehen, in regelmäßigen Abständen kommt es dort zu Gefechten und schweren Anschlägen mit mehreren Toten, zuletzt Mitte Juli. Im ersten Halbjahr 2018 erreichte die Zahl der getöteten Zivilisten in Afghanistan mit 1692 Menschen einen neuen Höchststand.

„Die Menschen dort sind nicht in Sicherheit“, argumentiert auch Ersson. „Sie wissen nicht, ob sie den nächsten Tag überleben werden.“ Zu dieser Überzeugung sei sie durch ihre Arbeit mit afghanischen Flüchtlingen gekommen. „Niemand sollte nach Afghanistan abgeschoben werden.“ Sie fügte hinzu: „Die Art, wie wir mit Flüchtlingen umgehen – ich denke, wir können das besser, besonders in einem reichen Land wie Schweden.“

Sie hoffe, dass durch die massenhafte Verbreitung des Videos mehr Menschen über den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten nachdenken würden. „Mein Ziel ist es, Abschiebungen nach Afghanistan ganz zu verhindern“, sagte sie.

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Ihre Aktion endete für Ersson jedoch nicht nur mit einem Gefühl des Erfolgs: Sie glaubt, dass der junge Mann, dessen Abschiebung sie eigentlich verhindern wollte, stattdessen auf einem anderen Flug in sein Heimatland zurückgebracht wurde. Auch die Abschiebung des Mitte-50-jährigen Afghanen wurde vermutlich nur verschoben, nicht aber verhindert.

Ob die Studentin mit juristischen Konsequenzen rechnen muss, ist noch unklar. Sie selbst sagt, sie habe kein geltendes Recht gebrochen.

cba

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