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Panorama Eigenbedarf

Alter schützt Mieter nicht automatisch vor der Kündigung

Lange Mietdauer oder hohes Alter schützt nicht vor Kündigung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine lange Mietdauer oder ein hohes Alter allein nicht ausreicht, um sich gegen Kündigung wegen Eigenbedarfs zu wehren. Künftig muss eine strenge Einzelfallprüfung erfolgen.

Quelle: WELT/ Christoph Hipp

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Alter und Mietdauer genügen nicht, um sich als Mieter gegen einen Rauswurf bei Eigenbedarf zu wehren.
  • Der Mieter muss gut begründen, warum ein Umzug unzumutbar ist, urteilte der Bundesgerichtshof.
  • In bestimmten Fällen ist von Amts wegen ein Gutachten einzuholen.

Rückschlag für Mieter: Die höchsten deutschen Zivilrichter hoben zwei Urteile auf, in denen Gerichte aus Bundesgerichtshof-Sicht nicht gründlich genug geprüft hatten, ob ein Härtefall vorliegt, der eine Eigenbedarfskündigung ausschließt. In beiden Fallen muss in neuer Verhandlung festgestellt werden, ob tatsächlich ein Härtefall vorliegt.

In bestimmten Fällen ist von Amts wegen ein Gutachten einzuholen – nämlich dann, wenn der Mieter eine Verschlechterung seiner Gesundheit mit ärztlichem Attest geltend mache.

In einem Berliner Fall hatte die Revision eines Eigentümers Erfolg: Ein Familienvater hatte einer 80 Jahre alten Mieterin gekündigt, weil er für seine junge Familie selbst mehr Platz brauche. Das Berliner Landgericht hatte zwar seinen Eigenbedarf bestätigt – weil die Seniorin bereits seit 45 Jahren in der Wohnung lebt und bei ihr Demenz attestiert wurde, durfte sie aber trotzdem in ihrem Zuhause bleiben. Ob die alte Dame nun raus muss, hängt davon ab, ob sie in einem neuen Prozess negative gesundheitliche Folgen bei einem Umzug nachweisen kann (VIII ZR 180/18).

Scharfe Kritik gab es dazu vom Berliner Mieterverein: „Der BGH drückt sich um eine Klarstellung, zulasten Tausender Mieter“, meinte Geschäftsführer Reiner Wild. Im Fall der Seniorin hätten vier Härtegründe vorgelegen: hohes Alter, Demenzerkrankung, tiefe Verwurzelung im Quartier durch ein langjähriges Mietverhältnis und fehlender Ersatzwohnraum.

„Was muss denn noch vorliegen, damit die Härtegründe das Erlangungsinteresse des kündigenden Vermieters überwiegen, fragen wir uns“, so Wild. Der Verein appelliert an die Bundesregierung, bei der angestrebten Mietrechtsänderung auch den Kündigungsschutz zu stärken.

Im zweiten Fall entschied der BGH zugunsten von zwei Mietern einer Doppelhaushälfte in Kabelsketal (Sachsen-Anhalt). Hier war die Vorinstanz der Ansicht, ein Umzug sei den Mietern trotz verschiedener schwerer Krankheiten zumutbar. Dagegen wehrten sie sich erfolgreich bis vor den BGH (VIII ZR 167/17). Auch hier muss ein neuer Prozess die Auswirkungen eines Umzugs auf die kranken Mieter klären.

Nach dem Gesetz kann ein Vermieter einem Mieter kündigen, wenn er Eigenbedarf für sich, seine Familie oder Angehörige seines Haushalts geltend macht. Der Mieter kann sich dagegen unter Verweis auf einen Härtefall wehren.

Härteklausel bereitet Gerichten Probleme

Angesichts von Wohnungsnot und immer mehr älteren und hochbetagten Mietern bereitet die Härteklausel Gerichten zunehmend Probleme. Der BGH sieht deshalb die Tendenz, dass viele Fälle in den unteren Instanzen schematisch und „nicht in gebotener Tiefe“ gelöst werden. Dem schob er nun einen Riegel vor.

„Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, in denen generell die Interessen einer Partei überwiegen, lassen sich – entgegen einer teilweise bei den Instanzgerichten anzutreffenden Tendenz – nicht bilden“, so der BGH. Faktoren wie Alter und lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld wirkten sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark aus. Sie allein rechtfertigten deshalb nicht grundsätzlich die Annahme einer Härte.

Damit präzisierte der BGH seine Rechtsprechung zur Frage, wann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen kann.

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Quelle: WELT/ Marcus Tychsen

dpa/lep

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