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  3. Atomkrieg in Deutschland? Darum gibt es keine Bunker für das Volk

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Im Fall eines Atomkrieges fehlen Deutschland die Schutzbunker

Freier Wirtschaftsredakteur
Für die Deutschen gibt es keine Bunker mehr

Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt es, dass der Bund bereits 2007 mit den Ländern das frühere Schutzraumkonzept aufgeben hat. Derzeit gebe es keine funktionstüchtigen öffentlichen Schutzräume mehr.

Quelle: N24/Kevin Knauer

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Während in den USA die Angst vor einem Atomangriff das Bunker-Geschäft antreibt, die Schutzräume in der Schweiz zum Alltag gehören, gibt es in Deutschland keine funktionstüchtigen Schutzräume mehr. Warum ist das so?
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Die Drohkulisse könnte auch aus früheren Zeiten des Kalten Krieges stammen. Die eine Seite, diesmal Nordkoreas Diktator Kim Jong-un, droht mit dem Einsatz von Interkontinentalraketen mit Atomsprengkopf. Die andere Seite, diesmal US-Präsident Donald Trump, erklärt seine Waffen als „geladen und entsichert“.

Vor diesem Hintergrund keimt eine diffuse Sorge über einen neuen Krieg. Dabei ist das Kapitel Schutz der deutschen Bevölkerung durch Bunker oder gar der Neubau von Schutzräumen längst abgeschlossen.

Beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt es, dass der Bund bereits 2007 mit den Ländern das frühere Schutzraumkonzept aufgeben hat. Derzeit gebe es keine funktionstüchtigen öffentlichen Schutzräume mehr. Vor einem Jahrzehnt waren es noch rund 2000 Schutzräume für etwa zwei Millionen Menschen, inzwischen sind es noch etwa 1000 Anlagen. Die werden aber seit Jahren vom Bund praktisch nicht mehr gewartet und nicht mehr funktionsfähig gehalten.

Experten sprechen davon, dass die öffentlichen und privaten Schutzräume „nach und nach aus der Zivilschutzbindung entlassen“ werden. Mit dem Wegfall des „baulichen Veränderungsverbotes“ können die Räume hinter dicken Betonwänden verkauft, umgebaut oder das Gebäude abgerissen werden.

Für Südkorea und Japan ist klar: Es war ein Atomwaffentest

Zunächst waren Fotos veröffentlicht worden, die Kim neben dem Sprengkopf einer Wasserstoffbombe zeigen sollen. Wenig später bebte die Erde in der Provinz Nord-Hamgyong. Für Südkorea und Japan bestehen keine Zweifel.

Quelle: N24/ Sebastian Honekamp

Erst die Krise, dann die Bunker

Dabei gibt es sogar einen historischen Bezug zwischen deutschen Bunkern und Korea-Krisen. Der Korea-Krieg Mitte der 50er-Jahre löste nämlich ein Sofortprogramm aus, bei dem viele deutsche noch funktionsfähige Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg im Schnellverfahren wieder nutzbar gemacht wurden.

Immer mehr Amerikaner bauen sich einen Bunker

Atomkrieg, Naturkatastrophen, Terroranschläge - viele Amerikaner wollen auf solche Szenarien vorbereitet sein. Das Geschäft der Bunkerbauer boomt. Die Basisvariante gibt es ab 40.000 Euro.

Quelle: N24/Steffen Schwarzkopf

Durch das Eingreifen der USA und später Chinas in den Korea-Krieg wurde er zu einem Stellvertreterkrieg der Großmächte und davor hatte die damalige Regierung Angst. In den 60er-Jahren wurden die deutschen Bunker nach der Kuba-Krise und der atomaren Bedrohung nochmals erweitert. Das Ende des Ost-West-Konflikts Anfang der 90er-Jahre leitete dann aber das Ende der Bunker ein – zumindest in den meisten europäischen Ländern.

Eine Ausnahme ist die Schweiz. Dort ist der Schutzraumbau immer noch Pflicht. Jeder Bürger soll möglichst einen Schutzraum in unmittelbarer Nähe haben, lautet die Grundformel. So finden sich auf aktuellen Ausschreibungen für Mietshäuser regelmäßig Bedingungen wie „2 Waschräume, 3 Fahrradräume, 2 Schutzräume“.

Gigantischer DDR-Bunker soll zum Konsulat werden

In der Alpenrepublik gehört der Schutzraum genauso zum Alltag wie das Wohnzimmer. Zwar wurden die Baupflichten 2012 etwas gelockert, aber nach wie vor gibt es in den Schutzräumen Platz für mehr Menschen, als Einwohner in der Schweiz leben. Für den 52-jährigen Unternehmer und Immobilienexperten Jörg Heitmann ist es ohnehin eine Frage der persönlichen Einstellung und Kultur, wie Menschen mit der Angst vor einem Krieg umgehen. Heitmann ist Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Berliner Der Berg datastorage GmbH.

Sicherheitsdepot Rothenstein bei Jena- November 2009 bunker
Blick in den Bunker Rothenstein bei Jena im November 2009
Quelle: Holger Kreitling

Der Firma gehört im thüringischen Rothenstein bei Jena die wahrscheinlich weltweit größte private Bunkeranlage. Dort gibt es in einem Berg eine gigantische ehemalige DDR-Munitionsbunkeranlage. Das Grundstück ist 283.000 Quadratmeter groß, verfügt in diversen Stollen über eine Bunkerfläche von mehr als 17.500 Quadratmetern sowie 20 Tonnen schwere Panzertüren. Über die künftige Nutzung der Bunkeranlage wird derzeit gerungen. So gibt es etwa Pläne für eine riesige Datenspeicheranlage, aber auch einige andere Ideen.

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Erst jüngst kamen Anfragen „aus dem arabischen Raum, ob im Berg auch ein Konsulat möglich wäre“, sagt Heitmann. Grundsätzlich sei das eine Option. Der private Mega-Bunker in Thüringen wird seit Jahren auch vom kalifornischen Unternehmen The Vivos Group als der ultimative Schutz vor allen Bedrohungen angeboten. Unter dem Projektnamen Vivos Europa One könnten Superreiche über Jahre in luxuriösen Bunker-Wohnungen geschützt leben, wirbt die US-Firma für das Projekt.

In den USA blüht das Geschäft mit der Angst

Bislang handelt es sich aber nur um ein verlockendes Werbeversprechen. Vivos hat noch nicht genügend Kunden für den tatsächlichen Umbau seiner Bunkeranlage zusammen, wie Heitmann sagt. Dabei blüht besonders in den USA das Geschäft mit der Kriegsangst. Während in Nordamerika Anbieter von Privatbunkern ihre Schutzräume wie den Kauf eines neuen Autos bewerben, ist das in Europa kein öffentliches Thema mehr. Es wird eher im Verborgenen gebaut. Offizielle Zahlen, wie viele private Bunker existieren, gibt es nicht.

Sicherheitsdepot Rothenstein bei Jena- November 2009 bunker
Blick in den riesigen Bunker Rothenstein bei Jena: Er zieht Interessenten aus dem Ausland an
Quelle: Holger Kreitling

Beim Berliner Unternehmen BSSD (Bunker Schutzraum Systeme Deutschland), das sogar einen „Schutzraum-Atomsicher“ im Programm hat, gibt man sich auf Anfrage zugeknöpft und will nicht kurzfristig und nur abgestimmt Auskunft geben. Dabei wird sogar auf der Homepage ein möglicher Nuklearkrieg thematisiert.

So behauptet der Bunker-Anbieter: „Immer wieder hört man die Behauptung, ‚in einem Atomkrieg gibt es keinen Schutz!‘ Das stimmt nicht. Diese Behauptung wäre nur dann richtig, wenn man sich einen Krieg vorstellt, in dem ein Land mit einem dichten Teppich von Atombomben belegt würde.“

„Kims Bombe hatte eine Stärke von 6,3 auf der Richterskala“

Trotz aller Warnungen und Sanktionen geht Nordkorea immer einen Schritt weiter als erwartet: Zuerst die Langstreckenrakete über Japan, nun ein mutmaßlicher Wasserstoffbombentest. Asien-Korrespondent Martin Fritz berichtet aus Tokio.

Quelle: N24

Bei globalem Nuklearkrieg hilft auch kein Bunker

Fragt man Experten, klingt das etwas anders. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat bei Wissenschaftlern und Konfliktforschern eine Gefahrenstudie beauftragt, die 2015 veröffentlicht wurde. Danach sind ein klassischer konventioneller Krieg auf deutschem Boden und ein globaler Nuklearkrieg kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich.

Dann folgt eine nüchterne Analyse. Bei einem globalen Nuklearkrieg wäre das Schadensausmaß so katastrophal, „dass sich die Frage des Bevölkerungsschutzes nicht mehr stellen dürfte“. Wie soll aber eine Bevölkerung überhaupt gewarnt werden, wenn es in Deutschland neben den fehlenden Schutzräumen auch kein flächendeckendes Sirenennetz mehr gibt? Hier hat das Bundesamt eine neuzeitliche Lösung parat.

Die Warn-App NINA als Abkürzung für „Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes“ lässt sich kostenlos herunterladen (für Android-Handys, für iPhone). Sie zeigt wichtige Warnmeldungen für unterschiedliche Gefahrenlagen an – vom Gefahrstoffunfall bis zum Großbrand. Auch Luft- oder Raketenangriffe würden im Krisenfall gemeldet.

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