WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Daimler: Angeblich manipulierte Motoren stammen von Renault-Nissan

Wirtschaft Vito-Rückruf

Bei Daimlers Dieselproblem führt die Spur nach Frankreich

Wirtschaftskorrespondent
Daimler droht eine gewaltige Rückrufaktion

Laut einem Bericht des „Spiegel“ prüft das Kraftfahrtbundesamt derzeit, ob bei den Baureihen C und G unzulässige Abschalteinrichtungen eingebaut sind. Offenbar haben Modelle einen vergleichbaren Motor wie der gerade erst zurückgerufene Transporter Vito.

Quelle: WELT/ Isabelle Bhuiyan

Autoplay
Daimler soll illegal die Abgase beim Transporter Vito manipuliert haben. Der Konzern bestreitet den Vorwurf und will sich wehren. Denn die betroffenen Motoren stammen von einem anderen Hersteller.

Lange hatte man bei Daimler versucht, das Schlimmste noch zu verhindern. Zwar gibt es seit Monaten, teils Jahren auch gegen den Stuttgarter Konzern Ermittlungen von deutschen Staatsanwälten und dem amerikanischen Justizministerium wegen des Verdachts der illegalen Abgasmanipulation, doch offiziell hatte bislang keine Behörde diesen Vorwurf öffentlich erhoben. Bis jetzt.

Am Donnerstag teilte der Konzern selbst mit, dass das Kraftfahrt Bundesamt (KBA) per Bescheid einen Rückruf für Transporter des Modells Vito mit einem 1,6-Liter-Motor der Abgasnorm Euro 6 verhängt hat. Viele Fragen lässt Daimler auch offen. Nicht einmal die Zahl, wie viele Fahrzeuge davon betroffen sind, will man beantworten.

Da hilft das Bundesverkehrsministerium weiter: Knapp 6300 Transporter sollen illegale Abschalteinrichtungen enthalten, 1372 davon in Deutschland. Es ist das erste Mal, dass Daimler einen solchen Bescheid erhält, in dem die Behörde dem Hersteller illegale Abgasmanipulation vorwirft, die unter bestimmten Bedingungen zu einem erhöhten Ausstoß von giftigem Stickoxid führt.

Motor kommt aus Frankreich

Daimler bestreitet die Vorwürfe, kündigt Widerspruch gegen den Bescheid an und will ihn notfalls gerichtlich anfechten. „Nach Rechtsauslegung des KBA entspricht die spezifische Programmierung von zwei Funktionen in der Motorsteuerung des Fahrzeugs nicht den geltenden Vorschriften“, teilt Daimler mit. Auch auf Nachfrage will ein Sprecher nicht präzisieren, in welchen Situationen die Abgasreinigung abgeschaltet wird.

Lesen Sie auch

Nach Informationen von WELT soll es sich um die Dosierung des Harnstoffs „AdBlue“ handeln, die in bestimmten Situationen reduziert wird. „Die Funktionen sind Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs sicherstellen soll“, heißt es in der Mitteilung lediglich.

Nach WELT-Informationen aus Unternehmenskreisen soll der Motor der betroffenen Modelle allerdings gar nicht von Daimler selbst stammen, sondern im Rahmen der Kooperation mit Renault-Nissan von den Franzosen entwickelt worden sein. Ein Renault-Sprecher bestätigte, dass es sich beim betroffenen Motor um ein Renault-Aggregat handelt. Tatsächlich tauschen die beiden Konzerne nicht nur bei Nutzfahrzeugen wie dem Vito Motoren aus, sondern auch für einige Pkw in der Kompaktklasse. Ob für diese Fahrzeuge noch ein Rückruf anstehen könnte, blieb zunächst unbeantwortet.

Renault war wegen des Verdachts der Abgasmanipulation bereits in den Fokus französischer Ermittler geraten, im Januar 2016 hatte es sogar Durchsuchungen bei dem französischen Konzern gegeben. Im Frühjahr dieses Jahres, nachdem bekannt geworden war, dass das KBA im Fall des Vito ermittelt, hatte der Vizechef von Renault die Verantwortung von sich gewiesen. „Für die Motorensteuerung ist immer der Autohersteller verantwortlich, in dessen Fahrzeug der Motor eingebaut ist“, sagte Thierry Bolloré der „Süddeutschen Zeitung“. „Ich bin für Renault verantwortlich – und bei Renault gibt es keine Trickserei. Punkt.“ Diese Aussage habe weiter Bestand, sagte ein Sprecher von Renault-Deutschland auf Nachfrage am Donnerstag.

Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte sich früh festgelegt: „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert“, sagte er damals WELT AM SONNTAG. Auch deshalb will der Stuttgarter Konzern nun alles tun, damit der Bescheid des KBA nicht rechtswirksam wird. Denn dann wäre amtlich festgehalten, dass Zetsches Aussage falsch war.

Inzwischen alle deutschen Autobauer betroffen

Der Bescheid des KBA bringt Daimler damit weiter unter Druck. Bislang hat der Konzern stets alle Vorwürfe bestritten. Schon kurz nach Bekanntwerden des Abgasbetruges bei Volkswagen hatte das amerikanische Justizministerium eine Untersuchung auch bei Daimler gefordert. Diese ist offenbar noch immer nicht abgeschlossen. Auch die Staatsanwaltschaft in Stuttgart ermittelt inzwischen gegen bekannte und unbekannte Mitarbeiter von Daimler wegen des Verdachts des Abgasbetrugs. Auch diese Verfahren laufen noch.

Anzeige

Daimler kündigte an, unabhängig von der rechtlichen Klärung der KBA-Vorwürfe weiterhin „vollumfänglich mit den Behörden kooperieren“ zu wollen. Der Konzern werde für die betroffenen Vito-Modelle ein Software-Update entwickeln, ohnehin seien die Transporter bereits Teil der rund drei Millionen Fahrzeuge, bei denen Daimler mit einem Update das Abgasverhalten freiwillig habe verbessern wollen.

Inzwischen gibt es keinen deutschen Autohersteller mehr, der nicht von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Abgasmanipulationen betroffen ist. Neben Daimler, Volkswagen sowie den VW-Tochtergesellschaften Porsche und Audi wird inzwischen auch gegen BMW ermittelt. In München spricht man jedoch von einer versehentlich aufgespielten falschen Software, es habe sich um einen „menschlichen Fehler“ gehandelt, eine bewusste Manipulation habe es nicht gegeben. Bewusstes Fehlverhalten eingeräumt hat bislang nur der VW-Konzern.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema