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Wirtschaft WM in Russland

Im Duell mit Nike steht jetzt die Ehre von Adidas auf dem Spiel

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Ob Manzukic (l.) Kroatien oder Mbappé Frankreich zum WM-Titel schießt - Ausrüster Nike gewinnt in jedem Fall
Quelle: AFP/JOHANNES EISELE
Im WM-Finale spielt zum ersten Mal seit Jahrzehnten kein Adidas-Team. Doch der Sportartikelhersteller hat ein noch größeres Problem: Ihm fehlen die Stars der Zukunft. Nike hat vor allem einen künftigen Giganten unter Vertrag.
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Eine der Szenen der Weltmeisterschaft 2018, die in Erinnerung bleiben wird, ist kein Tor – obwohl der Spielzug eines verdient gehabt hätte. Sie stammt aus der zweiten Halbzeit des Halbfinals zwischen Frankreich und Belgien, Kylian Mbappé, Frankreichs Nummer 10, bekommt an der Strafraumgrenze den Ball, mit der Sohle des rechten Schuhs streichelt er leicht darüber und spielt ihn mit der Hacke des linken direkt in den Lauf von Stürmer Olivier Giroud. All das passiert in weniger als einer Sekunde, mit dem Rücken zum Tor. Wer dem 19-jährigen Franzosen bei dieser WM zusieht, versteht, warum Paris Saint Germain für seine Verpflichtung 180 Millionen Euro bezahlt hat.

Die Schuhe, mit denen Mbappé den Ball streichelt, stammen von Nike. Zu den Gewinnern der Weltmeisterschaft, die schon vor dem Finale am Sonntag feststehen, gehört nicht nur der Franzose, sondern vor allem sein amerikanischer Ausrüster. Bereits vor dem Ende des Turniers ist klar, dass eine Nike-Mannschaft gewinnen wird. Das letzte Team des Konkurrenten Adidas ist mit Belgien im Halbfinale ausgeschieden.

Überhaupt ist es für den zweitgrößten Sportartikelkonzern eine WM, die man lieber vergessen würde. Schließlich hat das wichtigste Team, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, ein blamables Aus in der Vorrunde abgeliefert. Womit auch die Hoffnung auf Rekordverkäufe des DFB-Trikots schnell vorbei war. Im Finale trägt erstmals seit 24 Jahren keines der beiden Teams die drei Streifen des deutschen Konzerns.

Adidas droht den Anschluss zu verpassen

Für Adidas, das den Fußball praktisch in seiner DNA trägt, ist dieser Zustand eine Zumutung. „Fußball ist Herz und Seele der Marke Adidas, deshalb hätten wir natürlich gerne eine der zwölf Adidas-Mannschaften im WM-Finale gesehen“, gibt eine Sprecherin zu. Dennoch sei das Turnier „ein großer Erfolg und wir sind stolz darauf, dass der WM-Ball und unsere Produkte im Mittelpunkt des Turniers stehen und standen“. Man gratuliere Frankreich und Kroatien zum Einzug ins Finale.

Auch wenn sich die Herzogenauracher damit als gute Verlierer präsentieren, haben sie nicht nur ein Turnier verloren. Es droht der Verlust der Vormachtstellung in der für die Deutschen wichtigsten Disziplin. Während Nike mit 36,4 Milliarden Dollar (31,3 Milliarden Euro) noch immer mit großem Abstand vor Adidas (21,2 Milliarden Euro) der umsatzstärkste Sportartikelhersteller der Welt ist, brillieren die Herzogenauracher beim Fußball: Mit knapp 2,1 Milliarden Euro Umsatz liegt Adidas im Fußballgeschäft vor Nike, wo man nur 1,8 Milliarden Euro umsetzt. Diesen Vorsprung wollen die Deutschen unbedingt verteidigen, doch das könnte in Zukunft sehr schwierig werden.

Die vergangenen vier Wochen haben deutlich gemacht, dass der Konzern Gefahr läuft, beim großen Trend den Anschluss zu verpassen. Für die Sportartikelausrüster ist es nicht länger entscheidend, dass sie die richtigen Mannschaften unter Vertrag haben. Hier lag Adidas mit zwölf zu zehn Teams zu Beginn der WM vorne.

Aber es sind immer mehr die einzelnen Stars, die dem Ausrüster Glanz verleihen. „Die Bindung zu den Team-Marken nimmt tendenziell eher ab, die Bindung zur Spielermarke hingegen wird in Zeiten von Social-Media-Kommunikation, gerade bei der jungen Generation, immer stärker“, sagt Sebastian Kurczynski, Marken-Experte beim Forschungs- und Beratungsunternehmen Nielsen Sports.

Nike hat die größeren Namen unter Vertrag

Und ausgerechnet der große Rivale Nike ist gerade dabei, Adidas bei der Jagd nach den großen Namen auszustechen. Denn die Amerikaner haben sich früh den Großteil der Juwelen der Zukunft gesichert. Sie haben die Spieler unter Vertrag, denen die Zukunft gehört. Dabei geht es nicht nur um den Ballkünstler Mbappé. Die Liste der aufstrebenden Nike-Stars ist lang. Neben dem 19-jährigen Franzosen tragen auch der brasilianische Superstar Neymar Jr. (26), Englands Stürmer und voraussichtlicher WM-Torschützenkönig Harry Kane (24) sowie die belgischen Stars Kevin De Bruyne und Eden Hazard (beide 27) den Nike-Swoosh.

Selbst bei den deutschen Nationalspielern, die bislang stets überwiegend bei Adidas unter Vertrag standen, scheint die Zukunft Nike zu gehören: Mit Leroy Sané (22), der bei Manchester City längst ein Star ist, gehört der wertvollste Spieler des Löw-Teams den Amerikanern. Genauso wie die beiden anderen Newcomer Julian Brandt (22) und FC-Bayern-Verteidiger Joshua Kimmich (23). Adidas hingegen hat unter anderem Toni Kroos, Mesut Özil und Timo Werner unter Vertrag.

Quelle: Infografik WELT
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Deutlich mehr Glamour erhoffte sich der deutsche Konzern vom Franzosen Paul Pogba (25), der für Manchester United kickt. Dieser sorgt zwar mit auffälligen Frisuren für Aufsehen, erfüllte die sportlichen Erwartungen bislang jedoch nicht und wird nun von Mbappé endgültig in den Schatten gestellt. Daneben hat Adidas zwar auch noch Lionel Messi (31) und Mohamed Salah (26) vom FC Liverpool in seiner Ausrüster-Bilanz vorzuweisen. Doch diese Personalien wirken gerade nach dieser Weltmeisterschaft wie Trostpreise. Die weiteren Spieler, auf die man bei Adidas verweist – N’Golo Kanté, Ivan Rakitic, Benjamin Pavard, Gabriel Jesus und Dele Alli – kennen vor allem Spezialisten.

Hauptgewinn trotz frühem WM-Aus

Der Hauptgewinn hingegen ist, trotz frühem WM-Aus und hohem Alter, immer noch Cristiano Ronaldo. Mit ihm hat Nike vor zwei Jahren einen Vertrag auf Lebenszeit ausgehandelt. Es ist erst der dritte dieser Art. Nur die Basketball-Helden Michael Jordan und Lebron James bekamen einen solchen Kontrakt. Ronaldo, der vor wenigen Tagen seinen Wechsel von Real Madrid zu Juventus Turin bestätigte, offenbart den Vorteil von Nike gegenüber Adidas: Er besitzt eine unglaubliche Social-Media-Macht.

Er hat 332 Millionen Fans beziehungsweise Follower auf Facebook, Instagram und Twitter. Fast jeder 20. Mensch auf diesem Planeten folgt ihm. In den zwölf Monaten vor der WM hat Ronaldo laut einer Studie der US-Firma Hookit 263 Mal mit einem seiner Sponsoren auf den Social-Media-Kanälen geworben. Am häufigsten stand dabei Nike im Fokus. Jeder Post ist für den jeweiligen Geschäftspartner im Schnitt 1,8 Millionen US-Dollar wert.

„Cristiano Ronaldo hat mehr Follower als sein bisheriger Klub Real Madrid und auch als Juventus Turin. Das unterstreicht die globale Relevanz der Spielermarke für Sponsoren“, erklärt Nielsen-Experte Kurczynski. Absolute Topstars würden in den Augen der Sportfans mittlerweile auf gleichem Level betrachtet wie die stärksten Vereinsmarken. „Der sportliche Erfolg der Spieler steht zwar weiter an erster Stelle, aber die Reichweite der Superstars auf den Social-Media-Plattformen ist für Sponsoren und Ausrüster immer wichtiger“, bestätigt Kommunikationsexperte Patrick Sutter von der Agentur Relatio PR.

„Offenbar hat Nike diese Entwicklung am besten erkannt.“ Das zeigt auch eine WM-Social-Analyse, die Relatio exklusiv für WELT, durchgeführt hat. Dabei wurden die Follower-Zahlen der 20 aktivsten WM-Teilnehmer untersucht. Zwar hat Adidas insgesamt mehr Spieler unter Vertrag – nämlich zehn. Doch die acht Nike-Akteure haben mit 821 Millionen Followern deutlich mehr als die 633 Millionen der Adidas-Spieler.

Doch noch eine beeindruckende Zahl

Das Verhältnis wird sich wohl weiter in Richtung der Amerikaner verschieben. Dominierten mit Messi und Ronaldo über Jahre je ein Adidas- und ein Nike-Star die Fußballwelt, stehen von den übrigen acht der zehn wertvollsten Fußballer der Welt inzwischen sieben bei Nike und nur einer bei Adidas unter Vertrag.

Selbst der deutlich kleinere dritte Sportartikelhersteller Puma kann inzwischen auf dem internationalen Spielermarkt mit Adidas mithalten: Mit dem Franzosen Antoine Griezmann (27) und dem Belgier Romelu Lukaku (25) tragen gleich zwei Stars der WM die Marke mit der Raubkatze. Außerdem hat Puma mit der italienischen Torwart-Legende Gianluigi Buffon (40) einen zwar alten, aber medial extrem präsenten Sympathieträger unter Vertrag, der gerade zum Top-Club Paris Saint Germain gewechselt ist.

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Zwar kann auch Adidas für diese WM durchaus noch auf beeindruckende Zahlen verweisen: Einen einzelnen Instagram-Post mit Messi vor dem letzten Argentinien-Spiel haben laut dem Unternehmen über 11,8 Millionen Nutzer gesehen. Das soll der höchste Wert eines Spielers während des Turniers gewesen sein. Außerdem sei man als Hauptsponsor des Turniers auch durch Bandenwerbung und den Spielball sichtbar gewesen. „Wichtig für uns war eine starke Markenpräsenz zu schaffen, und wir sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen“, sagt eine Adidas-Sprecherin.

Und sie nennt eine weitere Zahl: Mehr als 300 Spieler hätten in Adidas-Produkten bei der WM gespielt. Doch das heißt noch nicht, dass sie auch auf ihren Social-Media-Kanälen für die deutsche Marke werben. Häufig unterscheiden sich der persönliche Ausstatter des Spielers, der die Schuhe stellt und für den die Stars werben, vom Lieferanten der Trikots, für die Verträge mit der jeweiligen Nationalmannschaft entscheidend sind.

Auf die falschen Partner gesetzt

Und es gibt ein weiteres Problem: Auf die breite Masse kommt es nicht an. „Die Top-Brands unter den Sportartikelherstellern konzentrieren sich zunehmend auf die absoluten Top-Assets – also einerseits auf Ausnahmeathleten wie Cristiano Ronaldo, LeBron James, Roger Federer oder Usain Bolt, andererseits auf Spitzenklubs wie Manchester United, FC Barcelona oder Bayern München“, sagt Nielsen-Analyst Kurczynski. „Allerdings gibt es nur eine überschaubare Anzahl solcher Marken, so dass die großen Sportartikler wie Nike und Adidas hart um diese ringen.“ Tatsächlich ist auch Adidas diesem Trend gefolgt und hat sich insbesondere von kleineren Bundesliga-Mannschaften getrennt.

Quelle: Infografik WELT

Doch bei den Spielern scheint man auf die falschen Partner gesetzt zu haben. Womöglich rächt sich hier, dass Adidas sich zuletzt vor allem um den US-Markt und damit auch um die Stars der dortigen Sportarten Football, Basketball und Baseball kümmern musste. Jetzt läuft es in Amerika zwar wieder, dafür entsteht beim Fußball ein neues Problem. Adidas-Chef Kasper Rorsted verweist schon mal darauf, dass die Bedeutung des Fußballs für die Herzogenauracher nachgelassen habe. Der Erfolg der vergangenen Jahre fußte tatsächlich vor allem auf den Mode- und Lifestyle-Produkten der Originals-Linie. Aber was, wenn die Sneaker und Alltagsklamotten von Adidas einmal nicht mehr in Mode sein sollten?

Noch bleibt Adidas Zeit, um gegenzusteuern. Denn auch wenn die Stars der Zukunft überwiegend bei Nike unterschrieben haben, können die Herzogenauracher noch einmal vom Megastar der Gegenwart profitieren: Rund 300.000 zusätzliche Trikots wird Adidas als Ausrüster von Juventus Turin laut Branchenkreisen verkaufen, weil Ronaldo dorthin wechselt. Zwar fallen dafür die Ronaldo-Leibchen bei Real Madrid weg, die auch von Adidas kommen. Doch auch die Königlichen müssen nun auf dem Transfermarkt wieder zuschlagen. Womöglich schnappen sie sich einen der Nike-Stars der Zukunft, mit ihm ließen sich dann noch einmal Adidas-Trikots verkaufen – auch wenn er dafür auf Instagram nicht werben würde.

Adidas-Chef Rorsted – „Drei Streifen, die weltweit gesehen werden“

Auch wenn bei der Fußball-WM in Russland kein Tor fällt, wird bei Adidas gejubelt. Der Adidas-Chef nennt die direkten finanziellen Auswirkungen der WM „gering“, aber 12 der 32 Nationalmannschaften spielen in Adidas-Trikots.

Quelle: WELT

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