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Wirtschaft Werbung in der Formel 1

„Winnow“ – plötzlich geht es dem Tabakkonzern um eine bessere Welt

Korrespondent
MONTMELO, SPAIN - FEBRUARY 21: Charles Leclerc of Monaco driving the (16) Scuderia Ferrari SF90 during day four of F1 Winter Testing at Circuit de Catalunya on February 21, 2019 in Montmelo, Spain. (Photo by Dan Istitene/Getty Images) MONTMELO, SPAIN - FEBRUARY 21: Charles Leclerc of Monaco driving the (16) Scuderia Ferrari SF90 during day four of F1 Winter Testing at Circuit de Catalunya on February 21, 2019 in Montmelo, Spain. (Photo by Dan Istitene/Getty Images)
Der Ferrari-Rennwagen von Charles Leclerc mit dem umstrittenen "Winnow"-Slogan
Quelle: Getty Images
„Winnow“ wollte Philip Morris beim Formel-1-Rennen in Melbourne auf Ferrari-Rennwagen schreiben. Die Behörden witterten versteckte Tabakwerbung. Die Ausrede des Konzerns ist kurios. Ein Experte sieht die Kunden für dumm verkauft.

Deutschland ist nach wie vor ein Eldorado für die Zigarettenkonzerne. Kein anderes Land in der Europäischen Union erlaubt noch Werbung für Zigaretten, zuletzt hat Bulgarien die Tabakreklame abgeschafft. Hierzulande hingegen sind Zigarettenposter in der U-Bahn, in der Innenstadt oder am Ladengeschäft nach wie vor zulässig.

Zwar sind laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Versicherungsverbands 69 Prozent der Deutschen für ein komplettes Werbeverbot; unter den Jüngeren bis 29 Jahre sind es sogar 77 Prozent. Doch die Politik tut sich schwer mit dem Thema und schiebt eine Entscheidung zwischen Koalitionspapieren und Gesetzentwürfen ständig auf.

Ganz anders ist das in Australien, dem Land mit den weltweit wohl härtesten Einschränkungen für das Rauchen. Einheitspackungen in hässlicher Kartonfarbe für Zigaretten sind dort selbstverständlich. Gleiches gilt für abschreckend hohe Preise von umgerechnet 17 Euro für eine 20er-Zigarettenschachtel.

Und das reichte den Australiern noch nicht: Bei dem anstehenden Formel-1-Rennen in Melbourne haben die Behörden jetzt einen Versuch der großen Tabakkonzerne ausgebremst, sich auf dem Kontinent mit einer Markenbotschaft zurückzumelden.

Tabakkonzern liefert kuriose Rechtfertigung

Eigentlich wollte der Marlboro-Konzern Philip Morris International, umfangreicher Teamsponsor von Ferrari, auf die Rennwagen von Sebastian Vettel und Charles Leclerc das Wort „Mission Winnow“ schreiben. Der Slogan ist seit vergangenem Herbst auch Bestandteil des Teamnamens bei Ferrari. Zu Spekulationen in der Fachpresse, nach denen Philip Morris in früheren Jahren jeweils 160 Millionen Dollar (142 Millionen Euro) an Sponsorengeld gezahlt haben soll, äußert sich der Tabakkonzern nicht.

Den australischen Behörden missfiel die Rennwagen-Aufschrift allerdings: Das Design der weißen Buchstaben auf rotem Hintergrund erinnere an das Dreieck der Zigarettenmarke Marlboro und sei daher versteckte Tabakwerbung.

Um bei dem Formel-1-Saisonauftaktrennen am kommenden Wochenende einem Verbot zuvorzukommen, hat der Ferrari-Rennstall die umstrittene Beschriftung nun entfernt. Auch auf der Bekleidung der Mitarbeiter wird dieses Logo fehlen, bestätigte ein zuständiger Mitarbeiter von Philip Morris International der Nachrichtenagentur AFP.

Über eine freiwillige Selbstbeschränkung des Grand-Prix-Autorennsports und durch nationale Verbote ist Zigarettenwerbung eigentlich schon seit zehn Jahren aus der Formel 1 verschwunden. Die kuriose Begründung nun: Beim Slogan „Mission Winnow“ soll es sich gar nicht um Werbung für Tabakprodukte oder neuartige E-Zigaretten handeln. Vielmehr erklärt der Marlboro-Konzern die Marke „Mission Winnow“, was mit „Gewinne jetzt“ übersetzt werden kann, als „Kampagne für eine Diskussion über Fragen der Ideologie, Wissenschaft und Gesellschaft“. Der konkrete Inhalt bleibt allerdings unklar.

Werbefachleute sehen derartige Aktionen kritisch. „Für mich ist das ein typischer Fall, in dem Entscheider glauben, sie könnten die Menschen für dumm verkaufen“, sagt Franz Maximilian Schmid-Preissler, ein seit Jahrzehnten erfahrener Markenexperte. Der Beobachter wisse sehr wohl, wer hinter solch einem Slogan stecke und welche Absicht er verfolge – gerade bei einem Tabakkonzern. „Wir leben in einer Wissensgesellschaft, in der die Menschen sich Informationen verschaffen“, sagt Schmid-Preissler. Seiner Meinung nach würden die Unternehmen damit nur Geld verbrennen und wenig bis nichts erreichen.

Weitreichende Freiheiten in Bahrain, Monaco und China

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Doch der Trend geht weiter. Bei Philip Morris International kommt seit Kurzem noch der Motorradsport hinzu, denn auch das Werksteam von Ducati trägt beim Motorrad-Grand-Prix die Aufschrift „Mission Winnow“. Der Motorradbauer Ducati wiederum gehört seit sieben Jahren dem Autokonzern Audi aus Ingolstadt. Und in Deutschland wird Zigarettenwerbung bekanntlich weniger kritisch gesehen – zumindest in Teilen der aktuellen Bundesregierung.

Etwas eindeutiger vom Inhalt der Aussage her ist die Lage bei British American Tobacco (BAT). Der britische Tabakkonzern ist erst vor wenigen Wochen als Werbepartner bei McLaren eingestiegen. Als Logo oder Marke wird „A better Tomorrow“ genutzt, was „Ein besseres Morgen“ heißt.

BAT will nach eigenen Angaben für eine bessere Zukunft werben und meint damit auch ganz bewusst die eigenen elektronischen Zigaretten. Gemeint sind Zigarettenprodukte, bei denen nikotinhaltige Flüssigkeiten durch Minibatterien erhitzt und anschließend verdampft werden. Angeblich wollen BAT und McLaren bei der Technologie von Batterien und speziellen Materialien zusammenarbeiten.

Der Tabakkonzern war vor 20 Jahren sogar schon einmal mit einem eigenen Rennstall an den Start gegangen. Als Sponsor war die Marke Lucky Strike bis zum Jahr 2006 auf den Rennwagen zu sehen. In jener Zeit brachte Tabakwerbung den Rennteams hohe Millionensummen ein und galt als wichtiges Finanzierungsinstrument.

Über die finanziellen Mittel verfügen die großen Tabakkonzerne allemal. In entwickelten Märkten wie Deutschland erwirtschaften die Zigarettenhersteller aus jedem Euro Umsatz bis zu 50 Prozent Gewinn vor Unternehmensteuern. Doch für die Tabakwerbung bei Großereignissen im Sport gibt es nur noch im Wüstenstaat Bahrain, im Fürstentum Monaco sowie in China weitreichende Freiheiten.

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