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Für den Sieg im Handelskrieg opfert China sein größtes Versprechen

Finanz-Redakteur
Was die Eskalation zwischen USA und China für den Euro bedeutet

Die Währungssituation wird auch aus Sicht der deutschen Exportnation unübersichtlich und sehr schwankungsanfällig. Die Börse mag keine Unsicherheit. Wie kommt man aus der Nummer wieder raus? Kapitalmarktanalyst Robert Halver macht wenig Hoffnung.

Quelle: WELT / Alexander Siemon

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Der Kampf zwischen den USA und China um wirtschaftliche Macht erreicht neue Dimensionen. Offenbar ist Peking nun auch bereit, bisher undenkbare Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wer am Ende gewinnt, ist unklar. Wer verliert, dagegen schon: Deutschland.

Viele Ökonomen holen dieser Tage das Werk eines alten Griechen aus dem Bücherschrank. In „Der Peloponnesische Krieg“ beschrieb der Athener Stratege Thukydides vor fast 2500 Jahren, wie Sparta und Athen um die Vorherrschaft kämpften. Seine grundsätzliche Aussage: Wenn eine neue politische Macht entsteht und eine alte herausfordert, kommt es irgendwann zwangsläufig zum Krieg. Dies hat sich über die Jahrhunderte immer wieder bewahrheitet.

Gilt das auch heute? Die USA und China schießen nicht aufeinander, doch es tobt bereits ein Krieg auf wirtschaftlichem Gebiet. Und dabei geht es eben nicht nur um Zölle und Währungskurse, sondern um die langfristige geostrategische Machtposition. Die USA, als alter Hegemon, will der aufstrebenden neuen Macht China Einhalt gebieten.

Und China nimmt den Ball auf. Immer mehr zeigt sich dieser Tage, dass die Regierung in Peking sogar bereit ist, ihre wichtigste Legitimation in der Bevölkerung, das Versprechen vom wirtschaftlichen Aufstieg, zu opfern, um den Handelskrieg mit den USA auszufechten. Wer dabei gewinnt, ist noch unklar. Wer verliert, jedoch schon: Vor allem Deutschland.

„China ist eine aufstrebende Macht und gewillt, ihren politischen Einfluss über das südchinesische Meer schrittweise auf den Westpazifik auszuweiten, um so zu einer wirklichen Weltmacht zu werden“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Das Ziel der USA sei es dagegen, diesen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Aufstieg Chinas aufzuhalten.

Trump will Chinas Aufstieg verhindern

US-Präsident Trump hat das auch bereits mehrfach unterstrichen. Er wolle verhindern, dass China die USA als größte Volkswirtschaft der Erde ablöst, sagt er in diversen Interviews. Und darin ist er sich sogar mit vielen Vertretern der Opposition einig. „China will aufsteigen, und die USA wollen das verhindern“, fasst Krämer die Lage zusammen.

Und er beobachtet, dass sich in den vergangenen Tagen in diesem Konflikt etwas grundsätzliches geändert hat. Bisher köchelte er vor sich hin, man piesackte sich mit kleinen Nadelstichen, verhandelte scheinbar ernsthaft. Doch vor einer Woche hatte US-Präsident Trump angekündigt, sämtliche chinesischen Importe mit einem Strafzoll zu belegen. Und Peking reagierte.

„China hat diese Woche mit der Abwertung der eigenen Währung eine neue Waffe in den Handelskrieg eingeführt“, sagt Krämer. Peking ließ den Yuan am Montag die Schwelle von sieben Yuan je Dollar durchbrechen, wodurch chinesische Waren automatisch günstiger werden. Das lässt die Zölle teilweise ins Leere laufen. „Offenbar will China gegenüber den USA nicht klein beigeben.“

Auch andere Beobachter sehen eine neue Eskalationsstufe. „Die chinesische Führung wird ihren Ansatz ändern und dazu übergehen, den USA größtmöglichen Schaden zuzufügen“, sagt Tim Drayson, Chefökonom bei der Anlagegesellschaft Legal and General. „Das Ziel ist, einen Regierungswechsel bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020 herbeizuführen.“

Quelle: Infografik WELT

Das Instrumentarium der Chinesen ist dabei groß. Einige Waffen haben sie bereits ausgepackt. So will China keine Sojabohnen mehr aus den USA einführen, was die Farmer dort trifft – eine der wichtigsten Wählergruppen Trumps. Doch Peking hat noch weit mehr im Köcher.

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„Die chinesische Regierung könnte ihre Bürger zum Boykott amerikanischer Waren auffordern“, sagt Luca Paolini, Chef-Stratege bei der Schweizer Privatbank Pictet. „Sie könnte beispielsweise dazu aufrufen, keine iPhones mehr zu kaufen.“ Für Peking wäre es ein leichtes, die Stimmung in der Bevölkerung so aufzuheizen, dass diese dem Aufruf folgt.

Das würde Apple hart treffen, immerhin macht das Unternehmen ein Sechstel seines Umsatzes in China. Die Folge wäre ein Absturz der Aktie, was wiederum eine Reihe weiterer Technologie-Firmen mitreißen würde – ein Börsencrash wäre nicht auszuschließen.

Doch nicht nur US-Firmen könnten Ziel eines chinesischen Angriffs sein. „Auch die chinesischen Bestände an US-Anleihen gehören zum Arsenal,“ sagt Andrew Bosomworth, Deutschland-Chef von Pimco, dem größten Anleihen-Investor der Welt. Denn China besitzt US-Schuldscheine im Wert von über 1,1 Billionen Dollar und ist damit der größte ausländische Gläubiger des Landes.

Durch einen Abverkauf würde der Kurs der Papiere einbrechen und im Gegenzug die Rendite, also der Zins, drastisch steigen – und das, während Trump derzeit nichts sehnlicher wünscht als einen Rückgang der Zinsen in den USA, um die Konjunktur zu stützen und seine Wiederwahl zu sichern.

Bisher gingen stets alle davon aus, dass China diesen Schritt nicht gehen würde, weil es sich damit auch selbst schaden würde – seine Währung könnte unter Aufwertungsdruck geraten. Doch Andrew Bosomworth ist sich da inzwischen nicht mehr sicher. „Die Anleihen zu verkaufen, würde zwar China selbst schaden“, sagt er, „den USA aber noch mehr.“ Und darauf kommt es in einem Krieg letztlich an: Es geht nicht darum, eigene Verluste zu vermeiden, wichtig ist, dass die eigenen Verluste geringer sind als die des Gegners.

Daher scheint Peking auch zunehmend gewillt, einen Einbruch des Wachstums hinzunehmen, wenn das notwendig ist, um den USA Paroli zu bieten. Die Investmentbank Morgan Stanley rechnet bereits mit einem Rückgang der Wachstumsrate in China auf 5,7 Prozent im vierten Quartal, wenn die Strafzölle erhoben werden und Peking mit Gegenmaßnahmen reagiert. Auch Jörg Krämer geht davon aus, dass Chinas Regierung bereit ist, einen Rückgang des Wachstums hinzunehmen. Das werde zwar nicht zum Erliegen kommen, aber deutlich niedriger ausfallen als ohne den Handelskrieg.

Das Problem dabei: Im Gegensatz zu Trump muss sich Chinas Regierung zwar keiner Wahl stellen. Dennoch gibt es so etwas wie einen unausgesprochenen Deal in der chinesischen Gesellschaft: Die Bürger lassen die kommunistischen Machthaber schalten und walten, solange diese für wachsenden Wohlstand sorgen.

Quelle: Infografik WELT
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Das Versprechen ist dabei beispielsweise ganz konkret, dass das Pro-Kopf-Einkommen zwischen 2010 und 2020 verdoppelt wird. Um das zu erreichen, müsste die chinesische Wirtschaft in den kommenden Quartalen jedoch um mindestens 6,2 Prozent wachsen.

Doch selbst ein Verfehlen dieses Ziels scheint Peking in Kauf zu nehmen – und baut dem schon vor. Durch die zentral gesteuerten Medien putscht die Regierung die Bürger auf, appeliert an den Patriotismus, was auf fruchtbaren Boden fällt. „Die Chinesen haben in den vergangenen 100 Jahren viel durchgemacht“, sagt Bosomworth.

Da war die Besatzung und Verwüstung des Landes durch die Japaner, und da war die erneute Verwüstung durch Mao Zedong und seine Kulturrevolution. Vor diesem Hintergrund fielen die möglichen Folgen eines eskalierenden Handelskrieges nicht ins Gewicht.

Auch Krämer glaubt, dass viele Chinesen gerne bereit seien, einen wirtschaftlichen Preis dafür zu zahlen, gegenüber Trump standhaft zu bleiben. „Und schließlich kann die Regierung kritische Bürger mit einer massiv ausgebauten Überwachungstechnik in Schach halten“, ergänzt er.

Quelle: Infografik WELT

Wer letztlich den Kampf gewinnen wird, die USA oder China, ist nicht auszumachen. Doch eines hält Krämer für ausgemacht: Der Handelskrieg wird zum Dauerzustand. „Er könnte die kommenden Jahrzehnte prägen, wie der Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion die 40 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Und einer der Hauptleidtragenden steht auch schon fest: Deutschland. „Die deutsche Wirtschaft leidet bereits seit gut einem Jahr unter der nachlassenden Nachfrage aus China und der Unsicherheit, die vom Handelskrieg ausgeht“, sagt Krämer. Erst am Freitag wurde bekannt, dass die Exporte im Juni acht Prozent unter dem Wert vom Vorjahresmonat lagen. Mehr und mehr deutet darauf hin, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal sogar leicht geschrumpft ist.

Krämer sieht vor allem wegen des nachlassenden Wachstums in China auch in den kommenden Monaten keine Besserung. Im zweiten Halbjahr erwartet er kein Wachstum mehr, für das kommende Jahr hat er die Prognose gerade von 1,3 auf 0,8 Prozent gesenkt, bereinigt um die ungewöhnlich hohe Zahl an Arbeitstagen entspricht das gerade mal noch einem Plus von 0,5 Prozent.

Deutschlands Wachstumsmodell, das über die vergangenen 15 Jahre so glänzend funktionierte und maßgeblich am Aufstieg Chinas hing, kommt damit endgültig an seine Grenzen. Und bislang ist noch keine neue Strategie in Sicht.

Den Peloponnesischen Krieg gewann am Ende übrigens Sparta. Nach 27 Jahren.

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