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Wirtschaft Daimler-Quartalszahlen

78 Prozent Gewinneinbruch – und „es könnte noch schlechter werden“

Daimler mit heftigen Gewinneinbrüchen im ersten Quartal

Die Corona-Krise hinterlässt bei Daimler deutliche Spuren in der Bilanz. Im ersten Quartal brach der Gewinn vor Zinsen und Steuern um fast 78 Prozent auf nur noch 617 Millionen Euro ein.

Quelle: WELT/Jonas Feldt

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Im ersten Quartal treffen die Auswirkungen des Coronavirus Daimler bereits hart. Vor Zinsen und Steuern brach der Gewinn um 78 Prozent ein. Eine langfristige Prognose traut sich der Konzern nicht mehr zu.

Um 0.19 Uhr in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wird die Zahl öffentlich, die die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Wirtschaftsstandort Deutschland mit voller Wucht untermauert. Es ist eine Pflichtmitteilung des Stuttgarter Autobauers Daimler, die in dieser Minute über die Nachrichtenticker läuft – und sie lässt Schlechtes erahnen für den ohnehin angeschlagenen Konzern.

Um 78 Prozent brach der Gewinn vor Zinsen und Steuern im ersten Quartal dieses Jahres ein, auf 617 Millionen Euro nach 2,798 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Rechnet man Sondereffekte wie etwa die Kosten für die Dieselaffäre oder Umstrukturierungen heraus, bleiben im operativen Geschäft immerhin noch 719 Millionen Euro. An den Finanzmärkten freilich waren die schlechten Nachrichten offenbar bereits eingepreist: Die Daimler-Aktie gab nach den massiven Kursverlusten seit Mitte Februar nicht weiter nach, sondern bewegte sich am Vormittag um den Kurs vom Vortag herum. Die endgültigen Zahlen will Daimler-Chef Ola Källenius am 29. April vorlegen.

Das Problem: Das Geschäftsjahr hat erst begonnen, und es erscheint gut möglich, dass die Ergebnisse künftig noch schlechter ausfallen. Denn eine Prognose für den Rest des Jahres sei angesichts der immer noch kaum überschaubaren Folgen der Virus-Pandemie schwierig, lässt der Autobauer wissen. Die Auswirkungen auf Kundennachfrage, Lieferketten und Fahrzeugproduktion könnten nicht detailliert und auf sicherer Basis geschätzt werden. Absatz, Umsatz und Ergebnis dürften am Ende aber unter dem Niveau des Vorjahres liegen.

„Daimler stand schon vorher stark unter Druck“

„Die Zahlen sind wenig überraschend stark eingebrochen. Die Werte für das zweite Quartal könnten noch schlechter ausfallen“, sagt deshalb auch der Ökonom Frank Schwope von der Norddeutschen Landesbank (NordLB). Die Coronavirus-Krise sei von den wirtschaftlichen Auswirkungen her „deutlich gravierender“ als die Anschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise.

Für den deutschen Autobauer kommt nun hinzu: „Nach den katastrophalen Jahreszahlen für das Geschäftsjahr 2019 stand Daimler bereits stark unter Druck“, sagt Schwope. Bei der Elektromobilität seien die Baden-Württemberger ins Hintertreffen geraten, zudem seien immer höhere Belastungen aus dem Dieselskandal angefallen.

Für seinen Absatz hatte Daimler einen Einbruch bereits einkalkuliert. Der Umsatz hätte nach ursprünglicher Planung aber zumindest auf dem Niveau des Vorjahres liegen sollen, das operative Ergebnis sogar deutlich darüber. Doch nun hat Daimler im ersten Quartal weltweit nur rund 477.400 Autos der Kernmarke Mercedes abgesetzt – knapp 15 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

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Deutliche Rückgänge gab es im wichtigsten Markt in China, wo die Ausbreitung des Coronavirus früher begonnen hatte. In Europa und den USA, wo die Welle später einsetzte, gingen die Zahlen aber ebenfalls bereits zurück. Für den Shutdown-Monat April werden sich die Folgen aber erst in den Zahlen des zweiten Quartals niederschlagen.

Vorige Woche hatte bereits Volkswagen seine Jahresprognose gekippt. Der Betriebsgewinn sackte im ersten Quartal auf 900 Millionen Euro im Vergleich zu 4,8 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. VW führte neben Produktionsstopp und fehlender Nachfrage noch Belastungen über 1,3 Milliarden Euro an Rohstoff- und Kapitalmärkten sowie durch Wechselkurse an. Am Donnerstag meldet auch der französische Rivale Renault einen Umsatzeinbruch um fast ein Fünftel.

Auch deshalb, untermauert NordLB-Experte Schwope, werde die Krise eine neue und noch stärkere Konsolidierungswelle in der Branche auslösen. „Übernahmen oder Fusionen dürften in den nächsten Quartalen und Jahren verstärkt erfolgen“, glaubt er. Angesichts der „disruptiven Zeiten“ sei vielleicht auch für Daimler die Zeit gekommen, über einen Zusammenschluss nachzudenken.

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Für denkbar hält er eine deutsch-deutsche Lösung mit Kooperationspartner BMW, ein deutsch-französisch-japanisches Modell mit den bereits kapitalmäßig verflochtenen Partnern Renault und Nissan und ein deutsch-schwedisch-chinesisches Modell. Vor allem dabei könnte Daimler-Großaktionär und Volvo-Mutter Geely eine entscheidende Rolle spielen.

Erst am Dienstag rückten ausgerechnet Daimler und Volvo dichter zusammen, wollen in einem Gemeinschaftsunternehmen Brennstoffzellenantriebe entwickeln. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts möchten die Partner schwere Nutzfahrzeuge für den Fernverkehr zur Serienreife bringen. Daimler will den Angaben zufolge alle seine bisherigen Aktivitäten rund um die Brennstoffzelle bündeln und dann in das neue Unternehmen einbringen, die Volvo Group wiederum soll dann für etwa 600 Millionen Euro die Hälfte daran kaufen.

Beide Partner würden im Anschluss mindestens jeweils neunstellige Beträge – also in der Größenordnung von mehr als 100 Millionen Euro – in die Technologie investieren. Die endgültige Vereinbarung wird für das dritte Quartal erwartet und steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden. Großaktionär Li Shufu, Gründer des chinesischen Konzerns Geely, sei aber nicht die treibende Kraft hinter der Kooperation und habe mit der Entscheidung nichts zu tun gehabt, ließ zumindest Daimler-Truck-Chef Martin Daum wissen.

Kommt jetzt die Abwrackprämie als Krisenretter?

Langsam werfen die Autobauer ihre Werke wieder an. Der Absatz ist in der Corona-Krise dramatisch eingebrochen. Viele Unternehmen fordern daher eine Neuauflage der Abwrackprämie.

Quelle: WELT

In Stuttgart dürfte man von diesen Fusionsmöglichkeiten vorerst nichts hören wollen. Denn der Konzern selbst sieht sich finanziell gut für die Zukunft gerüstet – auch wenn der Ergebnisrückgang in diesem Jahr ebenso die frei verfügbare Liquidität im Industriegeschäft drücken werde. „Angesichts des Umstands, dass wir umfassende Maßnahmen zum Schutz unseres Barmittelbestands getroffen haben und unsere finanzielle Flexibilität erhöht haben, sind wir zuversichtlich, für die Zeit während und nach der Krise gut positioniert zu sein.“

Finanzvorstand Harald Wilhelm hatte bereits Anfang April erklärt, angesichts der Krise habe das Absichern der Liquidität oberste Priorität. Der Konzern hatte zur Sicherheit erst kürzlich mit mehreren Banken eine Vereinbarung über eine neue Kreditlinie von zwölf Milliarden Euro geschlossen.

Nach vier Wochen Stillstand in großen Teilen der Produktion fährt Daimler seine Werke seit Montag unter strengen Hygienevorgaben nun zumindest wieder hoch. Die Kurzarbeit, die seit dem 6. April gilt, läuft nach bisherigem Stand noch bis Monatsende weiter. Branchenexperte Schwope bleibt dennoch skeptisch: Als neues Kursziel gibt die NordLB 26,00 Euro für die Wertpapiere des Autobauers aus, ein Abwärtspotenzial von weiteren rund sieben Prozent. Das Kursziel lässt vermuten, dass der Autobauer sich auf absehbare Zeit zumindest an den Kapitalmärkten nicht aus seiner Misere befreien dürfte.

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