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  4. Seltene Erden: Diese Rohstoffe stecken in Smartphones

Webwelt & Technik Seltene Erden

Nach diesem Handyrohstoff buddeln Kinder metertief

Die Minenarbeiter sind noch sehr jung Die Minenarbeiter sind noch sehr jung
Die Minenarbeiter sind noch sehr jung
Quelle: Getty Images News/Getty Images
Mit bloßen Händen schürfen Kinder in Afrika nach wichtigen Rohstoffen für die Smartphone-Herstellung. Apple und Co. versuchen das zu verhindern – doch die Hürden sind für die Hersteller sehr hoch.

Smartphones sind Lifestyle-Objekte schlechthin: Glänzende Bildschirme, exakte Gehäusekanten und polierte Metallflächen deuten auf hochpräzise und weitgehend automatisierten Fertigungsverfahren, auf effiziente Hightech-Fabriken und strenge Qualitätskontrollen.

Niemand, der sein Smartphone in die Hand nimmt, würde vermuten, dass ein Teil davon aus Kinderhänden stammt, die in der Dunkelheit selbst gegrabener Minentunnel mit primitiven Werkzeugen schuften. Dennoch wirft die Menschenrechtsorganisation Amnesty International allen großen Smartphone- und Elektronikherstellern vor, dass ihre Produkte mithilfe von Kinderarbeit hergestellt werden.

Kobalt, ein unersetzliches Metall in den Lithium-Ionen-Akkus aller Mobilgeräte, so schreibt die Organisation in einem ausführlichen Bericht, stammt aus Minen des afrikanischen Kongo, in denen Minderjährige arbeiten.

Minenerträge dienen zur Finanzierung des Bürgerkriegs

Die Elektronikhersteller haben bislang keine große Wahl: Die drei wichtigsten Akku-Lieferanten für die gesamte Branche produzieren in China, sie liefern über 90 Prozent der Akkus, die in den Fabriken der großen chinesischen Auftragsfertiger verbaut werden.

Das Kobalt beziehen die Hersteller direkt von dem chinesischen Minenkonzern Zhejiang Huayou Cobalt. Dessen Tochterfirma Congo Dongfang Mining kauft Erzlieferungen von Zwischenhändlern auf, die wiederum die Produktion der kleinen, zum Teil primitiven Minen in den Erzabbaugebieten der Region Katanga im Ostkongo einsammeln.

Coltanabbau im Kongo. Die Minenarbeiter graben nach dem Rohstoff etwa 50 Meter tief
Coltanabbau im Kongo. Die Minenarbeiter graben nach dem Rohstoff etwa 50 Meter tief
Quelle: AFP/Getty Images

Ähnlich sieht die Lieferantenkette für das Seltene-Erden-Metall Tantal aus, das für miniaturisierte Hochleistungskondensatoren in fast allen Mobilgeräten eingesetzt wird. Der zugrunde liegende Rohstoff Coltan wird ebenfalls im Kongo, in der Region Kiwu, in primitiven Minen abgebaut. Doch die Weiterverarbeitung des Coltanerzes erfolgt meist in China, dem größten Tantallieferanten der Welt.

Die Erträge der primitiven Minen dienen den Warlords der Region dazu, die Folgekonflikte des Bürgerkriegs im Kongo zu finanzieren: Entweder die Arbeiter produzieren direkt für die Kassen der Warlords, oder die Betreiber der Minen müssen Schutzgelder zahlen.

Nichtregierungsorganisationen wie Enough Project dokumentieren, wie die Kämpfe um die Minen und Schmuggelrouten für das Erz den Alltag in den Abbaugebieten bestimmen.

Es kann kein 100 Prozent faires Telefon geben

Wie schwer es ist, ein Smartphone zu bauen, in dem keine Konfliktmetalle – also Metalle, die aus den Bürgerkriegsregionen Afrikas stammen – verbaut sind, zeigt das niederländische Projekt Fairphone. „Für mich persönlich wird es niemals ein 100 Prozent faires Telefon geben“, sagte Fairphone-Mitgründer Miquel Ballester im vergangenen Jahr anlässlich der Vorstellung des zweiten Modells der Niederländer in Berlin. Der Ansatz lautet daher: so fair und transparent wie möglich.

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Besonders die Nutzung der Konfliktmetalle wollen die Fairphone-Macher so weit wie möglich verhindern. Zu den Schlüsselmetallen der Elektronikbranche, die in Kriegs- und Krisengebieten abgebaut werden und deren Kauf Bürgerkriege finanzieren, gehören vor allem die fünf Metalle Kobalt, Zinn, Tantal, Wolfram und Gold.

Besonders bei diesen achtet Fairphone auf die gesamte Lieferkette. Allerdings kann die Kontrolle nicht perfekt sein. „Wir achten zum Beispiel darauf, dass das Zinn, was wir auf der Platine verwenden, aus konfliktfreien Quellen kommt“, sagte eine Fairphone-Mitarbeiterin am Rande der Veranstaltung. „Aber was das Zinn angeht, das in den Komponenten bereits enthalten ist, die wir einkaufen, das können wir nicht kontrollieren.“

Zu komplexe Lieferketten der globalisierten Smartphone-Welt

Insgesamt besteht das Smartphone aus Bauteilen von rund 270 Zulieferern, erklärt Ballester. Allein das Bauteil für den Vibrationsalarm besteht wiederum aus 20 Einzelkomponenten. Wie schwer es ist, bei jedem einzelnen Bauteil die komplette Lieferkette nachzuverfolgen, dokumentiert das Fairphone-Projekt auf seiner Webseite.

Die Macher bemühen sich, die Metalle nur von zertifizierten Produzenten zu bekommen. Doch ob auch alle Lieferanten aller Komponentenzulieferer sich an die strengen Regeln halten, lässt sich selbst mit größtem Aufwand nicht komplett nachvollziehen – zu komplex sind die Lieferketten der globalisierten Smartphone-Welt.

Zu den größten Verbrauchern von Seltenen Erden und Gold zählen die großen Chiphersteller, die den Fairphone-Machern nur schwer nachweisen können, woher die Metalle in ihren Mikrochips stammen. Doch die Hersteller geraten zusehends unter Druck, ihre Lieferketten strenger zu kontrollieren.

Bei seinem Vortrag anlässlich der Eröffnung der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas wich Intel-CEO Brian Krzanich für einige Minuten vom üblichen Schema der glänzenden Hightech-Produktvorstellung ab und zeigte Videos aus den primitiven Minen des Kongo. Dann verpflichtete er seinen Konzern dazu, künftig alles dafür zu tun, keine Konfliktmetalle mehr zu verbauen, und kündigte die ersten als konfliktfrei zertifizierten Mikrochips von Intel an.

In den USA sind die Elektronikhersteller unter Druck geraten, keine Konfliktrohstoffe mehr zu verbauen, seitdem der US-Kongress im Jahr 2010 das sogenannte Dodd-Frank-Gesetz erlassen hat. Es verpflichtet alle in den USA aktiven Hersteller, die Verwendung von Metallen und Seltenen Erden aus den Konfliktgebieten Afrikas zu dokumentieren.

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2014 meldeten über 1200 Hersteller in den USA, darunter auch Microsoft und Apple, dass in ihren Produkten potenziell Konfliktrohstoffe verwendet werden. Apple wurde bereits 2010 von Enough Project kontaktiert und versucht seitdem, ohne Konfliktmetalle auszukommen und seine komplette Lieferantenkette zu zertifizieren.

Wie schwierig das ist, zeigt Apples Dokumentation nach dem Dood-Frank-Gesetz aus dem Jahr 2015. Über 200 verschiedene Metallschmelzen wurden von Apple untersucht und zertifiziert, deswegen glaubt der Konzern laut der Anmeldung, dass kein Metall aus den Konfliktregionen des Kongo in seinen iPads und iPhones verbaut wird – hundertprozentig ausschließen kann er das jedoch nicht.

Zu strenge Vorgaben und zu teure Produktion

Ein Grundproblem der Elektronikhersteller bei der Zertifizierung der Rohstoffquellen liegt darin, dass es keine nennenswerte Produktion von Seltenen-Erden-Metallen in Nordamerika oder Europa gibt. Der überwiegende Teil der Seltenen Erden und Metalle wie Coltan oder Kobalt wird in China geschmolzen und raffiniert. Die Angaben der dortigen Hersteller über die Herkunft der Erze können die Elektronikhersteller nur schwer kontrollieren.

Das Reich der Mitte produziert nach Angaben des Branchendienstes IHS rund 85 Prozent der Seltenen Erden, die weltweit konsumiert werden. Das war nicht immer so: Bis Mitte der 80er-Jahre dominierten die USA, Frankreich und Japan diese Branche, außer Coltan stammte ein Großteil der damals benötigten Seltenen Erden aus einer einzigen kalifornischen Mine in Mountain Pass.

Der Rohstoff Coltan wurde in großem Stil im Norden Kanadas abgebaut. Neue Umweltschutzvorschriften in den USA und Kanada führten jedoch innerhalb weniger Jahre dazu, dass sich das Geschäft für westliche Produzenten nicht mehr lohnte – zu streng sind die Vorgaben, zu teuer die Produktion.

Dieser regulatorische Vorteil für die Chinesen führte dazu, dass die globale Produktion innerhalb von 25 Jahren nach China abwanderte
K.C. Chang, Analyst bei IHS

„Infolgedessen machten praktisch alle westlichen Produzenten von Seltenen Erden zu“, sagt James Kennedy, Leiter der Thorium-&-Rare-Earth-Element-Beratung in St. Louis in Missouri. „Diese Vorschriften sind verantwortlich für das Ende der westlichen Produktion. China dagegen hatte keine Vorschriften, sodass der Großteil der Industrie dorthin abwanderte“, erklärt er.

Fünf amerikanische Minen allein könnten seinen Berechnungen zufolge den Weltbedarf decken. Dafür müsste der US-Kongress jedoch die strikten Vorschriften lockern; westliche Hersteller müssten investieren, um eine Lieferkette außerhalb Chinas aufzubauen. „Dieser regulatorische Vorteil für die Chinesen führte dazu, dass die globale Produktion innerhalb von 25 Jahren nach China abwanderte“, sagt K. C. Chang, Analyst bei IHS in Kanada.

„Apple ist eine Geisel der Chinesen“

Seit Anfang der 80er-Jahre hat China stark in die Forschung und den Bau von Minen und weiterverarbeitenden Schmelzen investiert. Das Land kann die Preise aufgrund seiner Marktmacht beeinflussen. „Die Chinesen haben ihre Kapazitäten innerhalb weniger Jahre extrem ausgebaut, die Kosten für die Förderung und die Weiterverarbeitung sind immer weiter gefallen“, sagt Analyst Chang.

Amerikanische Konzerne wurden in den 90er-Jahren an chinesische Eigentümer verkauft, diese eigneten sich die Technologie und das Wissen an. „Jeder, der Seltene Erden konsumiert, muss heute einen Teil seiner Produktion nach China verlagern“, sagt Branchenkenner James Kennedy.

Besonders die Elektronikbranche sei davon betroffen. Das verstärke die Abhängigkeit westlicher Konzerne vom Reich der Mitte. „Es ist kein Zufall, dass Apple seine Smartphones in China produziert“, erklärt Kennedy. Das US-Unternehmen sei abhängig von China wie kaum ein anderes: „Apple ist eine Geisel der Chinesen.“

Unzertifizierte Minen produzieren einfach weiter

Die chinesischen Bergbaukonzerne kaufen, das zeigt die Dokumentation von Amnesty International, in Afrika Rohstoffe über Mittelsmänner ein und mischen diese bei der Verarbeitung mit den Erträgen der chinesischen Minen. Es ist zweifelhaft, ob selbst die chinesischen Zwischenhändler genau kontrollieren können, woher die Erze stammen.

Apples weitgehende Dokumentation der chinesischen Metallschmelzen und ihrer afrikanischen Lieferanten zeigt, dass viele Minen in der Demokratischen Republik Kongo außerhalb des Einflusses der Warlords arbeiten und produzieren. Würden die Hersteller ihre Erzlieferungen ebenfalls ausschließen, würde das die Bergbauarbeiter dort in Armut stürzen und Potenzial für neue Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo stiften.

Doch nur zehn Prozent aller Minen im Kongo sind auch zertifiziert – und die Minen, die nicht zertifiziert sind, produzieren auch ohne Zertifikat weiter. Eine Dokumentation des Fernsehsenders al-Dschasira verfolgte die Wege der Erzschmuggler innerhalb des Kongo und zeigte, wie zertifizierte Minen günstig Erz von nicht zertifizierten Minen aufkaufen und als ihre eigene Produktion ausgeben.

„Um wirklich sagen zu können, dass etwas konfliktfrei ist, müsste man 24 Stunden am Tag sieben Tage in der Woche bei der Mine sein, um sicherzustellen, dass keine bewaffnete Gruppe sie besteuert oder dass keine Erze hinzugemischt werden“, kommentiert Dan Fahey, Experte einer UN-Mission im Ostkongo, im Jahr 2014. Spätestens vor dem Schmelzofen in China kann kein Prüfer mehr unterscheiden, woher das Erz stammt.

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