Wirtschaft

Personal halten statt kündigen: Was die neue Kurzarbeit bringt

AMS-Vorstand Johannes Kopf appelliert an alle Unternehmen, bevor sie Personal kündigen, die neue Corona-Kurzarbeit zu nutzen. Weil die Regelung erst seit Montag gilt und noch adaptiert wird, ergeben sich viele Fragen für betroffene Unternehmen. Selbst Arbeitsrechtsexperten müssen sich erst einen genauen Überblick verschaffen. Seit Dienstag ist jedenfalls fix: Das AMS übernimmt schon ab dem ersten Monat der Kurzarbeit auch die Lohnnebenkosten, was den Betrieben finanziell Luft verschaffen soll.

Der KURIER hat sich die Regelung genauer angeschaut und fasst die wichtigsten Fragen - nach vorläufigem Wissensstand - rund um das Thema Kurzarbeit zusammen (Quellen: AMS, Wirtschaftsministerium, WKO, AK Wien, CMS, arbeitsrecht.at)

Was genau ist die Corona-Kurzarbeit?

Die von den Sozialpartner neu geschaffene "Corona Kurzarbeit" ermöglicht, dass für einen bestimmten Zeitraum der Kurzarbeit die Arbeitspflicht auf Null gesetzt wird. Gleichzeitig erhalten Arbeitgeber die für diesen Zeitraum zu leistende Kurzarbeitsunterstützung die Kurzarbeitsbeihilfe vom AMS ersetzt.

Wer kann sie beantragen?

Kurzarbeit ist für Unternehmen unabhängig von der jeweiligen Betriebsgröße und unabhängig von der jeweiligen Branche möglich. Ob sie auch sinnvoll ist, muss jedes Unternehmen für sich selbst beurteilen.

Was ist der Vor- und was der Nachteil der Kurzarbeit?

Der größte Vorteil ist, dass das Personal im Betrieb gehalten wird und auf eine Erholung der Lage rasch reagiert werden kann. Der Nachteil ist, dass der Arbeitgeber das Entgelt erst im Nachhinein mit dem AMS abrechnet, daher kurzfristige Liquiditätsengpässe auftreten können. Kurzarbeit bringt daher keine finanzielle Entlastung für die Betriebe

Wie kann Corona-Kurzarbeit beantragt werden?

Es ist eine innerbetriebliche Vereinbarung nötig. Danach erfolgt der Erstkontakt mit dem AMS, der telefonisch oder via eMail möglich ist. Formulare sind via ams.at abrufbar. Das AMS prüft die Unterlagen und leitet sie an die Sozialpartner (Fachgewerkschaft, WKO) weiter, die dem Antrag zustimmen müssen. Dies soll innerhalb von 48 Stunden erfolgen, wird zumindest versprochen. 

Wie lange kann Corona-Kurzarbeit beantragt werden?

Zunächst für drei Monate, bei Bedarf kann um weitere drei Monate verlängert werden.

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Wie lange kann die Arbeitszeit auf Null reduziert werden?

Für mehrere Wochen. Über den gesamten  Durchrechnungszeitraum kann die Arbeitszeit um maximal 90 Prozent reduziert werden. Beispiel: Kurzarbeitsdauer 6 Wochen; 5 Wochen 0 Prozent Arbeitszeit, 1 Woche 60 Prozent.

Die Arbeiterkammer nennt ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Mit einem Vollzeitarbeitnehmer (38,5 Wochenstunden) werden zunächst 3 Monate Kurzarbeit mit der (niedrigst möglichen) Arbeitszeit von 10 Prozent vereinbart. Gleichzeitig wird ausgemacht, dass zum Einstieg solange wie möglich null Stunden gearbeitet werden. 3 Monate entsprechen 13 Wochen. Die Gesamtarbeitszeit während der Kurzarbeitsperiode beträgt damit 13 x 3,85 Stunden = 50,05 Stunden = 50 Stunden 3 Minuten. Damit kann der Arbeitnehmer zunächst die ersten 11 Wochen zu Hause bleiben mit 80 bis 90 Prozent des Nettoentgelts und steigt dann in der 12. Woche mit 11 Stunden 33 Minuten wieder ein und leistet in der 13. Woche wieder 38,5 Stunden Vollarbeit.

Wie viel Geld erhält der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit?

Bis zu 1.700 Euro Bruttoeinkommen beträgt das Entgelt 90 Prozent des bisherigen Nettoentgelts. Bis zu  2.685 Euro 85 Prozent und ab 2.686 Euro 80 Prozent. Für Einkommen bis zur Höchstbeitragsgrundlage ersetzt das AMS dem Arbeitgeber die Mehrkosten, die sich im Vergleich zur tatsächlichen Arbeitszeit ergeben, nicht jedoch für den Einkommensteil darüber.

Was passiert mit Urlaubsanspruch und Zeitguthaben?

Vor der Corona-Kurzarbeit müssen Arbeitnehmer in Abstimmung mit dem Arbeitgeber ihren gesamten Urlaubsanspruch vergangener Urlaubsjahre und ihr gesamtes Zeitguthaben verbrauchen. Bei einer Verlängerung der Kurzarbeit über drei Monate hinaus sind weitere drei Wochen Urlaubsanspruch zu konsumieren.

Das Urlaubsentgelt bemisst sich am Entgelt vor Kurzarbeit und muss vom Arbeitgeber bezahlt werden. Im Zuge eines Urlaubs, Zeitausgleichabbaus oder Krankenstandes während der Kurzarbeit wird das Entgelt auf Basis der bisherigen Arbeitszeit bezahlt.

Muss der Arbeitgeber weiter Sozialversicherungsbeiträge bezahlen?

Im neuen Kurzarbeitsmodell übernimmt das AMS die Beiträge schon ab dem ersten Tag, wurde am Dienstag klargestellt. Bisher war dies erst ab dem vierten Monat vorgesehen. Damit sollen die Unternehmen finanziell entlastet werden.

Darf während der Kurzarbeit gekündigt werden?

Während der Kurzarbeit muss der Beschäftigtenstand im Betrieb gleichgehalten werden. Kündigungen sind also nur bei gleichzeitiger Neueinstellung möglich. Nach Ende der Kurzarbeit gibt es eine einmonatige Behaltefrist. Sinn und Zweck der Kurzarbeit ist ja der Erhalt des Arbeitsplatzes.

Ist es aus Sicht der Betriebe nicht sinnvoller, mit Wiedereinstellzusage zu kündigen?

Aus Sicht der Betriebe ist es sicher unbürokratischer, besonders in Saisonbranchen wird diese Praxis angewendet. Das muss im Einzelfall geprüft werden. Für Arbeitnehmer ist es jedoch die schlechtere Lösung, weil das Arbeitslosengeld (Nettoersatzrate) wesentlich geringer ist als die Kurzarbeitsbeihilfe, die auch die vollen Lohnnebenkosten enthält.

Außerdem ist die Wiedereinstellzusage nicht bindend. Auch das AMS kann Arbeitslose jederzeit woanders hin vermitteln.

Welche Alternativen gibt es sonst noch, die kommenden Wochen zu überbrücken?

Viele.  Die Palette reicht von Urlaubsabbau bis zu neuen Gleitzeitmodellen mit veränderten Durchrechnungszeiträumen. Die Arbeitsrechtsexperten von CMS halten auch einen unbezahlten Urlaub für rechtens, so lange der Betrieb stillsteht. 

Eine weitere, neue Möglichkeit ist die Sonderbetreuungszeit.  Arbeitgeber können eine bezahlte Sonderbetreuungszeit zur Betreuung der Kinder ihrer Arbeitnehmer im Ausmaß von bis zu drei Wochen gewähren, sofern diese Kinder nicht das 14. Lebensjahr vollendetet haben. In diesem Zeitraum beziehen die Arbeitnehmer weiterhin ihr Entgelt und die Arbeitgeber erhalten dafür eine Vergütung von einem Drittel des in der Sonderbetreuungszeit durch den Bund. Die Vergütung ist mit der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gedeckelt und binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der zuständigen Abgabebehörde geltend zu machen.

Wann muss der Arbeitgeber überhaupt das Entgelt weiterzahlen?

Das kommt auf die jeweiligen Fall an. Wenn ein Betrieb von einer behördlichen Betriebsschließung bzw. Quarantäne betroffen ist, gilt die im Epidemiegesetz geregelte Entgeltfortzahlung. Der Betrieb erhält das Entgelt in diesem Fall vom Bund zurückgezahlt. Auch bei Produktionsstillständen aufgrund von Lieferengpässen besteht nach ständiger Rechtsprechung eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.

Muss der Betrieb nach dem neuen Covid-19-Maßnahmengesetz geschlossen bleiben, ist von höherer Gewalt auszugehen und das Entgelt muss nicht fortbezahlt werden. In diesem Fall kann von der neuen Corona-Kurzarbeit Gebrauch gemacht werden.

Weitere Details zur neuen Kurzarbeitsregelung finden Sie auf den Webseiten von Wirtschafts- oder Arbeiterkammer sowie unter www.jobundcorona.at 

AK-Info-Hotline: 0800 2212 00 80

WKO-Corona-Hotline: 0590900-4352

 

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