Spurensuche im Leben von Christian B. (44): In der Pubertät schlug die Angst in Gewalt um

Wer ist der Mann, der im Fall Maddie verdächtigt wird?

Christian B. sitzt seit dem 19. Mai 2020 im Gefängnis

Christian B. sitzt seit dem 19. Mai 2020 im Gefängnis

Foto: Archiv
Von: KAI FELDHAUS

Würzburg – Niemand wird böse geboren, auch nicht Christian B. (44).

Wann wurde aus dem Mann, der Maddie McCann (damals 3) entführt und ermordet haben soll, der Schwerverbrecher, der Kinder missbraucht, alte Damen vergewaltigt und – vielleicht – ein kleines Mädchen ermordet hat?

Viel ist bekannt über die Strafakte von Christian B., die begann, als er 17 Jahre alt war. Fast nichts weiß man über seine Kindheit.

Madeleine McCann verschwand mit drei Jahren aus einer Hotelanlage in Portugal

Madeleine McCann verschwand mit drei Jahren aus einer Hotelanlage in Portugal

Foto: picture-alliance/ dpa

BILD HAT SICH AUF SPURENSUCHE BEGEBEN.

Geboren wurde Christian B. am 7. Dezember 1976 in einem Dorf bei Würzburg. Er war kein Wunschkind: Seine leibliche Mutter wohnte über einem Gasthof, verkehrte dort häufig mit Kleinkriminellen. Sie wollte ihre beiden Söhne nicht behalten. Das Jugendamt gab Christian und seinen Bruder in die Obhut von Brigitte und Fritz B., die bereits einen Pflegesohn hatten.

Eine Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen. Denn besser hatten es die Jungen dort nicht.

Schon als Kleinkinder seien die Jungen geschlagen und angebrüllt worden, erzählt eine ehemalige Nachbarin. Man müsse „solche Kinder streng disziplinieren“, habe Brigitte B. stets gesagt.

Die Kinder wurden in dunklen Zimmern eingesperrt, durften nur zu festen Zeiten trinken. Einmal habe Christian in die Hose gemacht, erinnert sich ein Freund der Familie. Fritz B. habe den Jungen dafür mit dem Gürtel auf den nackten Hintern geschlagen: „Richtig ausgepeitscht hat er den. Und dann gesagt: ,Wenn du weinst, gibt es mehr!‘“

Christian B. auf einem Klassenfoto. Da war er elf Jahre alt

Christian B. auf einem Klassenfoto. Da war der Maddie-Verdächtige elf Jahre alt

Foto: Karina Palzer

Einmischungen der Nachbarn verbat sich das Ehepaar: Das sei Familiensache. „Die waren herzlos und kalt“, sagt eine andere Bekannte. „Dass sie die Kinder aufgenommen haben, war für die nur ein Geschäft.“ Verwöhnt hätten die Pflegeeltern hingegen ihren geliebten Dackel.

Immer wieder hätten die Pflegeeltern den Jungen vorgehalten, wer sie seien: „Söhne eines Gauners und einer Hure“. Das Verhältnis zum Jugendamt hingegen sei prächtig gewesen. „Ich habe meine Jungs so gedrillt. Die würden mich nie verpetzen“, habe Brigitte B. geprahlt.

Einem Lehrer, dem die vielen blauen Flecken an einem der Jungen auffielen, habe die Mutter versichert: Das Kind sei die Treppe hinuntergefallen.

Die Grundschule, auf die B. ging

Die Grundschule, auf die B. ging

Foto: Repro:Karina Palzer

In der Pubertät schlug die Angst dann um in Gewalt.

Die halbstarken Brüder B. waren in der Gemeinde berüchtigt. Sie brachen Kaugummiautomaten auf, stahlen Fahrräder und prügelten sich. „Wenn etwas passierte – das waren die Jungs“, zitiert die Lokalzeitung einen Nachbarn.

An Weihnachten 1992 verunglückte Fritz B. schwer mit dem Auto, wurde zum Pflegefall. Christian B., 15 Jahre alt, wurde aus der Familie genommen, kam in ein betreutes Wohnprojekt der Diakonie in Würzburg. Ruhiger wurde er dort nicht.

Gemeinsam mit Mitbewohnern, wie er aus schwierigen Verhältnissen, terrorisierte er die Nachbarschaft. Aus Angst um seine kleine Tochter zog der örtliche Postbote, direkter Nachbar des Wohnprojekts, weg.

Vielleicht eine gute Entscheidung: Ein Jahr später missbrauchte Christian B. zum ersten Mal ein Kind.

Pflegevater Fritz B. starb 2004. Pflegemutter Brigitte B. möchte zu all dem nichts sagen. Als BILD sie zu Hause aufsucht, schlägt sie dem Reporter die Tür vor der Nase zu.

Karte/Grafik: Der Fall Maddie – Infografik
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