Antisemitismus-Vorwurf: „Süddeutsche“ trennt sich von Karikaturist

Von: FILIPP PIATOV

Nach Kritik an einer als antisemitisch empfundenen Karikatur beendet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) mit sofortiger Wirkung ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Zeichner Dieter Hanitzsch. Das bestätigte SZ-Chef Wolfgang Krach auf Anfrage der „Neuen Zürcher Zeitung“.

Karikaturist Hanitzsch selbst sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ich bin von der SZ auf Deutsch gesagt rausgeschmissen worden.“

Seine Zeichnung zeigt den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu in Gestalt der Gewinnerin des „Eurovision Song Contest“ (ESC), Netta.

Er hält eine Rakete mit Davidstern in die Höhe, in einer Sprechblase steht der traditionelle jüdische Ausspruch „Nächstes Jahr in Jerusalem!“. Daraus machte der Karikaturist eine Art Schlachtruf und bedient damit das Klischee der kriegslüsternen Israelis.

Nach massiver Kritik entfernte die SZ die Karikatur aus dem Online-Auftritt, Chefredakteur Wolfgang Krach entschuldigte sich für die Veröffentlichung. „Die Veröffentlichung der Karikatur war ein Fehler“ und bediene ungewollt „antisemitische Klischees“, sagte Krach zu BILD.

► Für den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein trägt „die Karikatur in der SZ deutlich antisemitische Züge“.

Zu BILD sagte Felix Klein: „Hier werden Assoziationen an die unerträglichen Zeichnungen der nationalsozialistischen Propaganda geweckt. Auch wenn Karikaturen ironisieren und provozieren sollen, ist hier eine rote Linie überschritten worden.“

► Auch internationale Medien wie die israelische „Jerusalem Post“ und die amerikanische „New York Times“ berichteten nach Kleins Kritik in BILD über die antisemitische Karikatur.

Trotz der Entschuldigung der SZ zeigte sich Karikaturist Dieter Hanitzsch von der Kritik unbeeindruckt. Der Zeitung „Jüdische Allgemeine“ sagte Hanitzsch: „Dass sich die Redaktion entschuldigt, ist ihre Sache. Ich entschuldige mich nicht.“ Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte er darüber hinaus: „Ich fühle mich aber nicht schuldig. Was mich betrifft, habe ich eine Karikatur gezeichnet, die nicht zu meinen Glanzstücken zählt. Aber was da jetzt alles hineingedichtet und interpretiert wird, ist völlig maßlos und im Kontext zu betrachten.“ 

Jetzt zieht die „Süddeutsche Zeitung“ Konsequenzen – und beendet die Zusammenarbeit mit Hanitzsch! Nach Informationen der NZZ erfolgt die Trennung, weil zwischen der Chefredaktion und Hanitzsch eine nicht zu lösende Meinungsverschiedenheit darüber bestehe, ob die Karikatur antisemitisch gewesen sei oder nicht. Hanitzsch selbst bezeichnete den Rauswurf als „Überreaktion“.

Die Karikatur sei unter anderem deshalb erschienen, weil SZ-Chef Wolfgang Krach nicht in der Redaktion war. „Diese Zeichnung hätte nie erscheinen dürfen“, sagte Krach der NZZ. Und weiter: „Es wäre meine Pflicht gewesen, die Zeichnung anzuschauen.“

Bereits 2016 hatte eine Zeichnung des Karikaturisten für heftige Kritik gesorgt. Damals hatte Hanitzsch einen Krake mit der Aufschrift „US-Konzerne“ gezeichnet, dessen Tentakel den Globus umschlingen – dieses Motiv aber wurde in der antisemitischen Wochenzeitung „Stürmer“ während der NS-Zeit verwendet. Es stand für die jüdische Weltverschwörung, mit der Nationalsozialisten den Hass auf Juden schürten.

Hanitzsch ist einer der bekanntesten Karikaturisten Bayerns. 2014 wurde ihm von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse verliehen. Gauck erklärte, es sei auch Hanitzsch zu verdanken, „dass die Kunstform der Karikatur wesentlich zur demokratischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland“ gehöre.

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