Status der Kultur :
Brot und Spiele

Jürgen Kaube
Ein Kommentar von Jürgen Kaube
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Schild über dem Spielplan des Theaters am Palais in Berlin
Die Politik teilt ein, wer notwendig ist und wer pausieren muss. Die Kultur hat keine Lobby und gehört dadurch zwangsläufig zur letzteren Gruppe – zum Leid der Künstler.

Im Kulturbereich herrscht Empörung. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie legen ihn abermals lahm, wahrscheinlich weit über den November hinaus. Viele private Spielstätten werden den Winter nicht überleben. Ganze Berufsgruppen sehen sich in Frage gestellt. Das wird als äußerst ungerecht empfunden, weil gerade Kulturveranstalter viel in Hygienekonzepte investiert haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Kunst stark zum Infektionsgeschehen beigetragen hat, gibt es nicht. Eintrittskarten wurden meist nur personalisiert ausgegeben. Die Rückverfolgung etwaiger Infektionsfälle ist gerade hier relativ leicht.

Doch es scheint nicht die Zeit für Differenzierungen zu sein. Das Gegenargument lautet, kein Lebensbereich könne gegenwärtig von sich behaupten, die Ansteckung nicht zu begünstigen. Es sollen darum Kontakte als solche beschränkt werden. Diese Einsicht, die auch schon vor sieben Monaten galt, passt freilich nicht zu den milliardenschweren Rettungsaktionen für Lufthansa und TUI als Unternehmen, die ja gerade von der menschlichen Suche nach Kontakten leben und sie befördern.

In einem Atemzug mit Wettbüros, Saunen und Bordellen

Auch hat die Gewissheit, dass private Feiern die Infektion vorantreiben, nur zu ihrer Missbilligung, aber nicht zu Verboten geführt. Demgegenüber werden Bühnen, Museen, Konzerthallen geschlossen – weil sie geschlossen werden können. Und weil das, was sie bieten, als eine säkulare Form des Feierns verstanden wird. Der eine Atemzug, in dem sie mit Wettbüros, Saunen und Bordellen genannt worden sind, unterstreicht das. Die Politik unterscheidet Brot und Spiele.

Dem treten beflissene Versicherungen entgegen, Kultur sei Brot für alle. Wenn ihre Häuser zeitweise geschlossen würden, nehme gar die Demokratie einen Schaden. Das geht an der Wirklichkeit vorbei. Den Schaden haben die Künstler, für die sie tatsächlich Brot ist. „Kultur“ hingegen ist ein Begriff, unter den zu viel Verschiedenes gebracht werden kann, weil es zu Bildung, Nachdenklichkeit, Statuskonsum, Zeitvertreib und Vergnügen beiträgt. Darum hat sie auch keine Lobby, die mit einer Stimme ihre „Systemrelevanz“ behaupten könnte.