KI-Dienst „Bard“ :
Google stellt Antwort auf ChatGPT vor

Von Roland Lindner, New York
Lesezeit: 4 Min.
„Bard“ soll mit dem KI-System Lambda arbeiten, das Google schon seit einiger Zeit entwickelt.
Der Internetkonzern kündigt das Sprachmodell „Bard“ an – und will damit Open AI Paroli bieten. Auch dessen Partner Microsoft verspricht Neuigkeiten.

ChatGPT bekommt Konkurrenz. Der Internetkonzern Google kündigte am Montag den Start seines eigenen Sprachmodells an, das mit Künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet. Es soll den Namen „Bard“ haben. Der Google-Vorstandsvorsitzende Sundar Pichai schreibt in einem Blogeintrag, die Software solle unmittelbar für eine Gruppe von Testern verfügbar gemacht werden – und dann in den kommenden Wochen für eine breitere Öffentlichkeit.

Pichai nannte Bard einen „experimentellen KI-Dienst“. Die Software soll mit dem KI-System Lamda arbeiten, das Google schon seit einiger Zeit entwickelt. Der Name steht für „Language Model for Dialogue Applications“, also Sprachmodell für Dialoganwendungen. ChatGPT basiert auf einer ähnlichen Architektur. „Bard versucht, die Breite des weltweiten Wissens mit der Leistung, Intelligenz und Kreativität unserer großen Sprachmodelle zu kombinieren,“ schrieb Pichai. 

Inwiefern Bard sich von ChatGPT unterscheidet, sprach Pichai nicht direkt an. Er sagte aber, Bard solle zunächst in einer vereinfachten Modellversion von Lamda veröffentlicht werden. Dazu sei weniger Rechenleistung notwendig, und die Software könne einem größeren Kreis von Menschen zur Verfügung gestellt werden. Pichai sprach von einer „Testphase“, die dem Unternehmen helfen solle, Feedback von Nutzern zu bekommen und das System weiter zu verbessern.

„Generative KI“

ChatGPT kam Ende November heraus und hat seither in der Technologiebranche und weit darüber hinaus für Furore gesorgt. Das Sprachmodell arbeitet wie ein Chatbot und kann Anfragen zu den verschiedensten Themen beantworten. Hergestellt wird die Software von Open AI, einem erst 2015 gegründeten kalifornischen Unternehmen, das viel kleiner ist als Google. Systeme wie ChatGPT oder nun auch Bard werden in der Branche als sogenannte „generative KI“ bezeichnet.

Der Erfolg von ChatGPT hat unmittelbar den Blick auf Google gerichtet. Google arbeitet seit Jahren selbst an KI-Produkten, Vorstandschef Pichai hat schon 2016 eine „KI zuerst“-Strategie ausgerufen. Er schrieb jetzt, das Unternehmen habe seither „auf allen Ebenen“ in KI investiert. Er klopfte sich auch selbst auf die Schultern und sagte, Googles Fortschritte auf diesem Gebiet bildeten „die Grundlage für viele der generativen KI-Modelle, die wir heute sehen“. Tatsächlich haben Google-Forscher den Begriff „Transformer“ geprägt in einem viel zitierten Fachaufsatz aus dem Jahr 2017, der heute häufig als Referenz für diese Form von KI-Modellen genannt wird.

„Code Red“ nachdem ChatGPT veröffentlicht wurde

Obwohl Google schon seit einiger Zeit an solchen Systemen arbeitet, war nun Open AI das erste Unternehmen mit einem Sprachmodell, das auf breiter Front genutzt wird. In der Branche heißt es, Google und andere Technologiekonzerne wie Meta hätten womöglich absichtlich gezögert, ihre Systeme herauszubringen, weil sie verglichen mit Open AI mehr Rücksicht auf ihre etablierten Marken zu nehmen hätten. 

In jedem Fall fühlte sich Google offenbar unter Handlungsdruck. Nach einem Bericht der „New York Times“ hat der Konzern nach der Veröffentlichung von ChatGPT „Code Red“ ausgerufen, also eine hohe Alarmstufe, und Pichai habe intern versucht, das Tempo zu erhöhen, um bald eigene KI-Systeme herausbringen zu können. Außerdem sollen nun angeblich die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin, die sich in den vergangenen Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen hatten, wieder stärker involviert sein. 

Wie Pichai am Montag schrieb, gehen die KI-Offensiven von Google über Sprachmodelle hinaus und berühren auch andere Produkte des Konzerns. Schon lange setze der Konzern zum Beispiel KI-Technologien wie Bert oder Mum ein, um seine Suchmaschine zu verbessern. Bert zum Beispiel sei „revolutionär im Verständnis der Feinheiten der menschlichen Sprache“ gewesen, und Mum sei noch 1000 mal leistungsfähiger. Künftig wolle Google auch Lamda und andere hauseigene Technologien wie Palm oder Imagen in seine Suchmaschine und andere Produkte integrieren. Das solle zum Beispiel bei Fragen helfen, auf die es keine einzige richtige Antwort gibt, also zum Beispiel „Ist Klavier oder Gitarre leichter zu erlernen, und wie viel Übung braucht man dafür?“ Weiter kündigte Pichai am Montag an, Softwareentwicklern von außen Zugang zu Googles KI-Technologien geben zu wollen. 

Der Google-Chef stellte schon in der vergangenen Woche bei der Vorlage von Geschäftszahlen des Mutterkonzerns Alphabet eine baldige Antwort auf ChatGPT in Aussicht. Er sprach davon, Sprachmodelle in den nächsten Wochen und Monaten verfügbar zu machen, was er nun sehr schnell in die Tat umgesetzt hat. „Wir haben uns auf diesen Moment seit Anfang vergangenen Jahres vorbereitet,“ sagte er damals. Google werde die Arbeit auf diesem Gebiet „kühn, aber mit einem tiefen Sinn für Verantwortung“ verfolgen. 

Weitere Neuigkeiten rund um Sprachmodelle könnten schon am Dienstag von Microsoft kommen, einem wichtigen Partner von Open AI. Der Konzern plant eine Veranstaltung, zu deren Inhalten er sich im Vorfeld zwar nur vage äußerte, die sich aber um KI-Technologien drehen dürfte. Sam Altman, der Vorstandschef von Open AI, twitterte am Montag ein Foto von sich zusammen mit Microsoft-Chef Satya Nadella und schrieb dazu, er freue sich auf die Veranstaltung.

Microsoft ist seit 2019 an Open AI beteiligt und hat erst kürzlich eine weitere Investition in Höhe von mehreren Milliarden Dollar angekündigt. Der Konzern hat gesagt, Software von Open AI über seine gesamte Produktpalette hinweg integrieren zu wollen.