Kabul, Afghanistan Suizid nach Abschiebung - Darum musste Jamal M. Deutschland verlassen

Jamal Nasser Mahmoudi starb in Kabul
© Valeriy Melnikov / Sputnik / DPA / Picture Alliance
Nach seiner Abschiebung aus Deutschland nach Kabul beging der Afghane Jamal M. Suizid. Der 23-Jährige ist für die Behörden kein Unbekannter. Das Bundesinnenministerium bedauerte den Vorfall.

Der 23-Jährige, der nach seiner Abschiebung aus Deutschland in Kabul Suizid begangen hat, ist nach Angaben des für Ausländerangelegenheiten zuständigen Einwohner-Zentralamtes in Hamburg mehrfach vorbestraft.

Er sei rechtskräftig wegen Diebstahls, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden, teilte ein Sprecher der Behörde auf stern-Anfrage mit. Zudem sei der Afghane seit 2013 mehrfach angezeigt worden, unter anderem wegen des Verdachts auf Raub, Drogen- und Körperverletzungsdelikte.

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Sein Vorstrafenregister sei auch der Grund, warum Jamal M. in der vergangen Woche in dem Abschiebeflieger von München nach in die afghanische Hauptstadt Kabul gesessen habe. Abschiebungen nach Afghanistan sind wegen der Sicherheitslage vor Ort umstritten. 

Nach dem vorübergehend verhängten Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan würden verurteilte Straftäter, Gefährder und Identitätsbetrüger inzwischen wieder zur Ausreise dorthin gezwungen, so der Sprecher weiter. 

Asylantrag von Jamal M. abgelehnt

M. war den Angaben zufolge im August 2011 nach Deutschland eingereist, seinen in Hamburg gestellten Asylantrag habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Juni 2012 abgelehnt. Daraufhin habe der Afghane Klage beim Hamburger Verwaltungsgericht eingereicht und fortan mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland gelebt, so der Sprecher des Einwohner-Zentralamtes der Hansestadt

Im Jahr 2017 sei das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht demnach "wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers" eingestellt worden. Die Aufenthaltsgestattung sei daraufhin erloschen und wegen des seinerzeit geltenden Abschiebestopps durch eine Duldung ersetzt worden - zuletzt sei er wegen der veränderten Lage "vollziehbar ausreisepflichtig gewesen". 

M. sei ledig gewesen und habe keine Kinder gehabt. Ebensowenig sei er einem Beruf nachgegangen, er war offenbar ein Einzelgänger. Ein anderer am 3. Juli nach Kabul zurückgebrachter Mann, der dort in derselben Übergangsunterkunft lebt, sagte einem Reporter der Nachrichtenagentur DPA: "Er hat mit niemandem gesprochen und war am liebsten mit sich alleine." Nach der Ankunft in Afghanistan habe er einmal um eine Zigarette gebeten, aber auch da habe er nicht reden wollen und sei nur unruhig herumgelaufen. "Ich habe Traurigkeit gesehen in den Augen von den Menschen hier nach seinem Tod", sagte der Bekannte des Toten. "Wir alle hier haben sowieso kein Glück. Aber er war ein Mensch, und er muss Träume gehabt haben, und dann hat nichts geklappt."

Die Organisation "Pro Asyl" erklärte zum Tod des 23-Jährigen: "Durch die Abschiebung in eine perspektivlose Lage und in ein Land, dessen Realität er kaum noch kennt, wurde der junge Mann offenbar in eine Lage getrieben, in der er keinen Ausweg mehr sah."

Das Bundesinnenministerium sprach von einem "zutiefst bedauerlichen Vorfall". Dies gelte auch für Bundesinnenminister Horst Seehofer. Der 69-Jährige CSU-Chef ist dessen ungeachtet scharfer Kritik ausgesetzt, nachdem er sich am Dienstag erfreut über den Abschiebeflug gezeigt hatte: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag - das war von mir nicht so bestellt - sind 69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden", erklärte Seehofer bei der Vorstellung seines Migrationsplans in Berlin. Die Äußerung wurde ihm von verschiedenen Seiten als zynisch ausgelegt, spätestens seit dem Tod des 23-jährigen Afghanen häufen sich auch die Rücktrittsforderungen gegen Seehofer.

+++ Lesen Sie hier im stern mehr zur Kritik an Seehofer und den Rücktrittsforderungen +++

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Zu jeder Lebenslage und rund um die Uhr bietet die Telefonseelsorge anonym und kostenlos ein offenes Ohr und Beratung unter Telefon: (0800) 1110111 und (0800) 1110222. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich.
Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Weitere Informationen

mit Material von AFP und DPA

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