Debatte nach der Thüringen-Wahl Linksextrem und rechtsextrem gleichsetzen? Warum die Hufeisentheorie Unsinn ist

Bodo Ramelow (Die Linke) und Björn Höcke (AfD) sind eben nicht zwei Enden eines Spektrums, findet der Autor dieser Zeilen
© John MacDougall / Julian Stratenschulte / AFP / DPA
In der Diskussion um das AfD-FDP-Debakel von Thüringen ist immer wieder zu hören, die Brandmauern nach links und rechts müssten stehen. Warum sich die Gleichsetzung von links- und rechtsextrem verbietet – insbesondere in Thüringen.

Zunächst ein kleiner Disclaimer vorweg: Es soll in diesem Text nicht darum gehen, Linksextremismus generell zu verharmlosen. Linke Terroristen der RAF haben in Deutschland Dutzende Menschen getötet, sozialistische Diktaturen haben weltweit unzählige Bürger unterdrückt, gefoltert und ermordet. Linksextremismus ist scheiße. Nur: Es gibt verschiedene Nuancen von scheiße. Man muss und sollte die Abstufungen herausarbeiten dürfen, ohne damit das eine völlig reinzuwaschen. Körperverletzung und Mord sind beide schlecht, aber das eine ist halt noch schlechter als das andere.

Nun zum Kern: Union und FDP reden dieser Tage viel davon, Brandmauern nach links und rechts zu erhalten. Es dürfe keine Kooperation mit Links- wie Rechtsextremen geben. Was hier mitschwingt ist die sogenannte Hufeisentheorie, also ein Schema, nach dem das politische Spektrum wie ein Hufeisen geformt ist, unterteilt in Mitte, links und rechts. Und je weiter es nach rechts oder links geht, ergo "extrem" wird, desto mehr neigen sich die beiden Enden einander zu, ein Hufeisen eben.

Vergrößern

Die damit verbundene Gleichsetzung von links- und rechtsextrem ist auf mehreren Ebenen Unsinn. Das zeigt zunächst einmal der Blick auf die Kriminalitätsstatistik: Im Jahr 2018 zählte das Bundesinnenministerium mehr als 20.000 Straftaten von rechts und rund 8000 von links. Nochmal: Natürlich sind das hohe Zahlen, beides ist ein Problem. Es sei an dieser Stelle auch gesagt, dass Linksradikale in den letzten Jahren etwas mehr Gewaltdelikte verübten als Rechtsradikale, davon einen Großteil gegen Polizisten. Aber allein die Masse zeigt, welches Problem das größere ist. Noch deutlicher wird das beim Blick auf das Themenfeld Hasskriminalität: Mehr als 7000 sind auf der rechten Seite zu verzeichnen, nicht einmal 100 links. Antisemitische Straftaten kamen mehr als 1600 von rechts und 14 von links.

Linke und AfD gleichsetzen? Was für ein Unsinn!

Viel deutlicher aber wird die Absurdität der Gleichsetzung beim Blick auf die politische Landschaft Deutschlands. Es ist falsch, die AfD und die Linke auf eine Stufe zu stellen. Die Linke zeigt (mit unterschiedlichen Namen) seit Jahrzehnten, dass sie bei einer Regierungsbeteiligung demokratische, verantwortungsvolle Politik mitgestalten kann. Den Beweis ist die AfD noch schuldig.

Besonders absurd wird der Vergleich in dem Bundesland, das die ganze Aufregung ausgelöst hatte: Thüringen. Die Gleichsetzung von Bodo Ramelow und Björn Höcke ist schlicht hanebüchener Quatsch. Ramelow ist mehr oder weniger ein gefühlter Sozialdemokrat, der das Land fünf Jahre verantwortungsvoll geführt hat und mit 31 Prozent der Stimmen als Ministerpräsident wiedergewählt wurde. Björn Höcke ist ein Faschist. Er ist ein Mann, der völkisches Gedankengut verbreitet und erst zufrieden ist, wenn "wir die absolute Mehrheit haben". Die Beiden als zwei Enden eines Spektrums anzusehen, wird Ramelow nicht gerecht.

Die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte vergangene Woche noch an SPD und Grüne appelliert, in Thüringen einen Kandidaten für die Ministerpräsidentenwahl im Landtag zu benennen, "der das Land nicht spaltet, sondern das Land eint". Den Kandidaten gibt es bereits, und den hatten die Thüringer sich auch selbst gewählt: Satte 67 Prozent sind laut einer Umfrage mit der Arbeit von Ramelow zufrieden. Linksradikale Spalterei sieht anders aus.

Quellen:BMI 1 / BMI 2 / BMI 3 / Infratest Dimap

Mehr zum Thema

Newsticker