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Landwirtschaft und Klimaschutz

Green Deal: Schlechtes Geschäft für die Bauern und für den Planeten

Traktor fährt auf einem landwirtschaftlichen Feld Aussaat
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Dr. Olaf Zinke, agrarheute
am Freitag, 15.01.2021 - 05:00 (17 Kommentare)

Mit dem Green Deal würden die Agrarimporte drastisch zunehmen – auf Kosten der Bauern und der Umwelt.

Der Green Deal will einen radikalen Umbau der Agrarwirtschaft. Die Folge: Der Import von Agrarprodukten die unter deutlich schlechteren Standards erzeugt werden, nimmt drastisch zu. So verlagert die EU ihre Umweltprobleme in andere Länder und Weltregionen. Außerdem würden für die Produktion dieser nach Europa importierten Agrarprodukte weitere Wälder abgeholzt.

Die Umweltprobleme werden also einfach ausgelagert, sagen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in der Zeitschrift Nature. Stattdessen schlagen die Wissenschaftler die „nachhaltige Intensivierung" der landwirtschaftlichen Produktion zur Steigerung der Erträge vor und die Zulassung moderner Technologien – wie des Gen-Editing (Crisp).

Das wäre ein völlig anderer Weg als die EU-Kommission ihn gehen will – denn ihr Konzept ist mit erheblichen Einkommens-Verlusten in der Landwirtschaft und möglichweise auch stark steigenden Verbraucherpreise verbunden – wie eine aktuelle Folgenabschätzung der Wissenschaftsabteilung des amerikanischen Landwirtschaftsministerium zeigt.

Die Kommission selbst hat bisher noch keine wissenschaftliche begründete Folgenabschätzung des Green Deal vorgelegt.   

Green Deal: Dem Rest der Welt zeigen wie es geht?

Luftaufnahme einer Agrarfläche mit Brachland und wachsenden Feldern

Nach dem Willen der Kommission soll Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden – dieses Ziel des "Green Deal" wurde Ende 2019 angekündigt. Die CO2-Emissionen sollen reduziert werden. Dafür soll unter anderem auch  die Landwirtschaft umweltfreundlicher werden und die Nutzung erneuerbare Energien soll deutlich ausgebaut werden.

In Zeitschrift Nature zeigen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nun, dass dieser "Green Deal" ein schlechtes Geschäft für die Bauern und den übrigen Planeten sein könnte. Denn: Die EU würde die Umweltschäden und Probleme durch hohe Importe landwirtschaftlicher Produkte auslagern.

Die EU will „dem Rest der Welt zeigen, wie man nachhaltig und zugleich wettbewerbsfähig ist", sagt Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission. Hinter dieser vagen Rhetorik lauern jedoch viele Probleme. Für die Bauern, für die Verbraucher und auch für die übrigen Regionen der Welt.

Ökologisierung ohne Importstandards nicht ehrlich

Traktor mit Schleppschuhverteiler bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln

Für den "Green Deal" soll die europäische Landwirtschaft in den nächsten Jahren erheblich verändert und umgebaut werden. So soll bis 2030 etwa ein Viertel aller landwirtschaftlichen Flächen biologisch bewirtschaftet werden. (Zu bedenken ist dabei, dass der ökologische Landbau derzeit gerade einmal halb so hohe Erträge erzielt, wie der konventionelle Ackerbau und erheblich weniger Tiere gehalten werden).

Der Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln (neudeutsch Pestizide) soll um 20 bzw. 50 Prozent reduziert werden. Darüber hinaus plant die Kommission, etwa 3 Milliarden Bäume zu pflanzen, 25.000 km Flüsse „wiederherzustellen“ und den Rückgang der Bestäuber-Populationen wie Bienen oder Wespen umzukehren.

„Diese Maßnahmen sind wichtig und sinnvoll“, sagt Richard Fuchs vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) aus Garmisch-Partenkirchen. „Aber es wird auch notwendig sein, Außenhandelsziele festzulegen. Andernfalls werden wir das Problem nur auslagern und unseren Planeten weiterhin beschädigen," sagt der Wissenschaftler.

Dafür hat Forscherteam die landwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsbedingungen im Ausland mit denen in Europa verglichen und empfahl Maßnahmen für ein standardisiertes Verfahren bei den Importen.

Importierte Agrarprodukte erzeugen viel mehr CO2

Getreidehafen mit Kränen

Der Studie zufolge importiert die Europäische Union schon ohne den Green Deal jährlich Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Produkte. Im Jahr 2019 wurde etwa ein Fünftel der pflanzlichen Erzeugnisse aus Nicht-EU-Ländern importiert, und auch viele Fleischprodukte. Die Importe stammen jedoch aus Ländern, deren Umweltstandards weitaus weniger streng sind als die in Europa.  

In Europa verbotene landwirtschaftliche Praktiken sind bei Importen ausdrücklich erlaubt und werden nicht nur übersehen. Beispielsweise unterliegen gentechnisch veränderte Organismen seit 1999 starken Einschränkungen in der EU-Landwirtschaft. Dennoch importiert Europa gentechnisch veränderte Sojabohnen und Mais aus Brasilien, Argentinien, den USA und Kanada, sagen die Autoren in der Studie.

„Im Durchschnitt verbrauchen die europäischen Handelspartner mehr als doppelt so viel Düngemittel wie wir. In den meisten dieser Länder hat auch der Einsatz von Pestiziden zugenommen", sagt Fuchs. Seiner Meinung nach besteht das Problem darin, dass jede Nation Nachhaltigkeit auf unterschiedliche Weise definiert.

In Europa verbotene Dinge könnten anderswo erlaubt sein. „Durch den Import von Waren aus diesen Ländern lagert die EU Umweltschäden einfach nur in andere Regionen aus und verdient die Lorbeeren für ihre umweltfreundliche Politik im Inland", betont der Klimaforscher.

EU: Umweltprobleme werden exportiert

Sojabohnen an einer Pflanze

Die Abhängigkeit der EU von Agrarimporten ist nach Erkenntnis der Wissenschaftler das Ergebnis jahrzehntelanger politischer Maßnahmen und Ereignisse, die die Anbaufläche verringert haben. In der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wurden die Subventionen auf der Grundlage der Fläche und nicht der Produktion festgelegt, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Lebensmittelproduktion insgesamt zu verringern, heißt es.

In Bezug auf die Importe empfehlen die Wissenschaftler des KIT, die Nachhaltigkeitsstandards dringend zu harmonisieren, um den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden stark zu reduzieren und die Entwaldung zu vermeiden. „Die EU kann ihre Standards nicht in anderen Ländern durchsetzen, aber sie kann verlangen, dass Waren, die auf den europäischen Markt kommen, den EU-Anforderungen entsprechen", sagt Richard Fuchs.

Der Forscher fordern, dass der CO2-Fußabdruck Europas "weltweit bewertet" und anschließend verbessert werden müsste. Der Kohlenstoffausgleich gemäß dem Pariser Abkommen deckt nämlich nur die Emissionen ab, die durch die inländische Produktion verursacht werden. Die Emissionen, die man durch die Produktion landwirtschaftlicher Produkte (die dann importiert werden) im Ausland verursacht, werden jedoch nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus halten die Wissenschaftler auch eine Reduzierung des Verbrauchs von Fleisch und Milchprodukten in der EU für wünschenswert. Dies würde ihrer Meinung nach den Import landwirtschaftlicher Produkte ebenfalls deutlich verringern.

Die europäische Produktion ausbauen – nicht senken

Mann auf einem Getreidefeld

Die Lösung: Für die Landwirtschaft in der EU schlagen die Wissenschaftler vor, die Inlandsproduktion nach bestimmten Standards auszubauen bzw. zu steigern. Zu diesem Zweck könnten Gebiete mit geringer Artenvielfalt oder bisher nicht landwirtschaftlich genutzte Flächen „umgebaut“ werden. Dies würde die Entwaldung in den Tropen und anderswo verringern, die hauptsächlich durch die Schaffung neuer landwirtschaftlicher Anbaugebiete verursacht wird.

Die Ernteerträge könnten außerdem auch durch die CRISPR-Gen-Editing-Technologie gesteigert werden, sagt Fuchs. Diese Technologie verbessert Masse, Ertrag, Wachstum und Schädlingsresistenz von Pflanzen, ohne Gene einer anderen Art zu verwenden. Im Gegensatz zu den USA und China behandelt die EU das Verfahren jedoch als konventionelle gentechnisch veränderte Technologie und bleibt bei CRISPR-Patenten für landwirtschaftliche Zwecke sowie bei Investitionen in solche Forschung zurück.

Schon jetzt sind die Lebensmittelproduktionssysteme in der EU hochtechnologisch und effizient, betonen die Autoren der Studie. Sie sagen zudem: „Nicht alle Maßnahmen sind einfach umzusetzen. Eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion würde jedoch dazu beitragen, die europäischen Nahrungspflanzen vor globalen Marktschwankungen, Störungen der Lieferkette und einigen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen."

„Nur so würde der Green Deal nicht nur für ein klimaneutrales Europa sorgen, sondern auch für den gesamten Planeten ein gutes Geschäft sein," schreiben die Wissenschafter in Nature. Und auch für europäischen Landwirte, möchte man hinzufügen.

Die EU ist verzichtet bisher jedoch darauf, die aktuelle Wechselwirkung zwischen Importen, Inlandsproduktion und Verbrauch zu erklären, und eine klare Strategie der Auswirkungen des Green Deals offenzulegen und mit den Beteiligten zu diskutieren.

Mit Material von Richard Fuchs, Calum Brown, Mark Rounsevell. Europe’s Green Deal offshores environmental damage to other nations. Nature, 2020; 586 (7831)
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