Theater in Immenstadt

"Figaros Hochzeit": Verschärfte Komödie auf Immenstädter Bühne

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Happy End gegen alle Widerstände? Das Neue Globe Theater Potsdam zeigt Peter Turrinis Fassung der Komödie „Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit“ in Immenstadt.

Bild: Philipp Plum

Happy End gegen alle Widerstände? Das Neue Globe Theater Potsdam zeigt Peter Turrinis Fassung der Komödie „Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit“ in Immenstadt.

Bild: Philipp Plum

Das Neue Globe Theater zeigt die Komödie „Der tollste Tag oder Figaros Hochzeit“ in Immenstadt. Wie Regisseur Andreas Erfurth das Stück zugespitzt hat.
03.06.2021 | Stand: 17:00 Uhr

Der Kammerdiener Figaro und die Zofe Susanne wollen heiraten. Doch ihr „Arbeitgeber“, der spanische Graf Almaviva, hat ein Auge auf die junge Frau geworfen. Es folgen zahlreiche Intrigen und Verwicklungen … Das Lustspiel des französischen Autors Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais wurde 1784 unter dem Titel „Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro“ uraufgeführt. Zwei Jahre später präsentierte die Wiener Hofoper die Mozart-Vertonung. Der österreichische Dramatiker Peter Turrini wiederum adaptierte den Stoff Anfang der 1970er Jahre für eine Theaterkomödie („Der tollste Tag“) – Grundlage für die aktuelle Inszenierung des „Neuen Globe Theaters Potsdam“. Am kommenden Sonntag gastiert das Ensemble – auf Einladung der Kulturgemeinschaft Oberallgäu – mit dem Stück im Immenstädter Hofgarten. Mit dem Theaterleiter und Regisseur Andreas Erfurth sprach Veronika Krull.

Beaumarchais schrieb die Urfassung vor über 200 Jahren: Das Thema – die „MeToo“-Debatte – ist immer noch aktuell. Hat sich seitdem nichts geändert?

Andreas Erfurth: Ehm, also in einer gewissen Form variiert das insofern als es ja keine Fürsten und Könige mehr in Deutschland gibt, aber es gibt nach wie vor genügend Menschen, die ihre Machtposition ausnutzen, um Leute in Abhängigkeit zu halten. Das muss sich nicht immer sexuell äußern. Sicher spielt die „MeToo-Debatte“ eine Rolle. Es sind auch nicht immer nur alte weiße Männer, sondern auch alte schwarze Männer, die ihre Macht missbrauchen. Aber es ist vorwiegend eine Männerdomäne, wobei auch Frauen ihre Macht ausnutzen können, indem sie zum Beispiel mit einer Kündigung drohen. In dem Stück befindet sich der Graf in einer merkwürdigen Situation, weil er ja seiner Frau zuliebe auf das Recht der ersten Nacht verzichtet hat. Es geht aber nicht um die rein juristische Seite, sondern darum, dass jeder jeden ausnutzen kann. So hat die Gräfin Interesse an dem Pagen Cherubin, er wiederum nutzt die unter ihm stehende Magd aus. Die einzigen mit einer weißen Weste sind der Figaro und die Susanne, die in dieser Welt aber nicht ohne Blessuren davonkommen.

Sie haben die Fassung von Peter Turrini zugrunde gelegt. Die ist auch schon wieder rund 50 Jahre alt. Wie haben Sie Ihrerseits das Stück aktualisiert?

Erfurth: Ursprünglich hatten wir uns gedacht, wir präsentieren dem Publikum beide Schlüsse, den komödienhaften von Beaumarchais und die Krimiversion von Turrini, und lassen das Publikum dann entscheiden. Das war dann aber coronamäßig nicht möglich. So haben wir uns ganz auf Turrini bezogen. Corona als Bezug haben wir aber ganz rausgehalten. Aber wir haben eine Verschärfung vorgenommen, versucht, diese Sexualisierung ein bisschen mehr voranzutreiben. Coronabedingt dürfen wir uns auf der Bühne ja nicht berühren. Also, am Hof wird sich nicht angefasst, das Vögeln findet im Separee statt. So sind alle aufgeladen, weil sie sich nicht berühren dürfen. Den Schluss haben wir Turrini zu verdanken, wir haben ihn aber verändert.

Aber die Schauspieler stecken in historischen Kostümen?

Erfurth: Es sind historische Kostüme, aber wir haben die Zeit nicht als Blaupause genommen. Es sind Fantasiekostüme mit historischem Anstrich an einem Fantasiehof. Und wir haben verschiedene Perücken benutzt. Figaro ist sozusagen der Udo Walz am Hof, alle haben besondere Frisuren.

Sie selber haben die Rolle der ältlichen Marcelline übernommen. Warum gerade diese Figur?

Erfurth: Wir haben lange hin und her überlegt, der Kai Frederic Schrickel und ich, wir leiten ja das Theater. Kai spielt den Grafen, und ich spiele gerne Frauenrollen. Aber die Marcelline wird durch den Kakao gezogen. Wenn sie mit einer Frau besetzt gewesen wäre, hätte man über die Frau gelacht. Wenn ein Mann die Rolle übernimmt, wird über den Mann gelacht. Nora Backhaus, die – anstelle der nach einer Corona-Infektion angeschlagenen Rike Joeinig – die Gräfin spielt, tritt auch als Richter auf. Das ist so ein spielerischer Umgang mit den Charakteren.

Sie arbeiten auch mit musikalischen Elementen?

Erfurth: Genau. Wir haben überlegt, das Stück mit Musik zu verbinden, aber nicht mit Mozart-Melodien. Wir haben Songs genommen, die inhaltlich das Gleiche aussagen. Ich singe als Marcelline zum Beispiel ein Lied von Ireen Sheer. Das sind Lieder, die die Leute kennen. Das Schlusslied haben wir aus dem Musical „Les Misérables“ genommen. Es geht auch darum, dass eine Revolution nicht stattfinden wird. Beaumarchais schrieb das Stück am Vorabend der französischen Revolution, Turrini in den 1970er Jahren, als die Emanzipation der Frauen ein großes Thema war. Er hat noch daran geglaubt, dass jeder sein Leben in die Hand nehmen kann. Unser Schlusslied deutet mit einem Augenzwinkern an, dass sich die Machtverhältnisse nicht ändern, und dass es auch Leute gibt, die sich gerne führen lassen.

Komödie: „Der tollste Tag“ wird am Sonntag, 6. Juni, um 20 Uhr im Hofgarten zu Immenstadt aufgeführt. Karten gibt es unter Telefon 08323/9892691 oder per E-Mail unter

karten100@web.de. Eine vorherige Anmeldung und Registrierung aller Besucher (auch der Abonnenten) mit Namen und Telefonnummer bei der Kulturgemeinschaft Oberallgäu ist erforderlich. Die Plätze werden zugewiesen. Test-, Impf- oder Genesenen-Nachweise sind für den Besuch erforderlich.

Informationen im Internet

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