Die "Krähe II" bleibt dauerhaft

Arie van Selm neben seiner Großplastik "Krähe II" vor der Darmstädter Kunsthalle. Private Sponsoren haben den Ankauf der Bronze für die Kunstsammlungen der Stadt Darmstadt ermöglicht.  Foto: Dirk Zengel
© Dirk Zengel

Sponsoren haben es der Stadt Darmstadt möglich gemacht, Arie van Selms Großplastik "Krähe II" zu erwerben. Der Kunsthallen-Vorplatz wird nun zum dauerhaften Ort des Bronzevogels.

Anzeige

DARMSTADT. Ein Gast in Darmstadt ist sie schon seit dem Jahr 2015, doch jetzt hat sie volle Bürgerrechte erhalten: Arie van Selms schwarze Bronzeplastik "Krähe II", die lange Zeit zentral auf dem Vorplatz der Kunsthalle Darmstadt postiert war. Denn das überdimensionale Wesen mit seinem aufgeplustertem, glatten Balg, rundem Schädeldach und wuchtig-spitzem Schnabel ist jetzt nicht mehr Leihgabe des Künstlers, sondern offiziell in städtischen Besitz übergegangen.

Der aktuelle Standort in der Nordwestecke des Areals ist dabei nur provisorisch. Nach der Neugestaltung des Kunsthallen-Vorplatzes in diesem Sommer wird die Skulptur wieder mehr im Licht stehen. Das kündigte am Donnerstag vor Ort Darmstadts Oberbürgermeister Partsch an. Er zeigte sich doppelt erfreut: über die "sehr einvernehmliche" Entscheidung der städtischen Kunstkommission für die Erwerbung des Werks sowie die Spendenbereitschaft privater Stifter.

Für Arie van Selm bedeutet die dauerhafte Installation von "Krähe II" einen Schritt auf dem Weg zu stärkerer gegenseitiger Identifikation: hier Darmstadt als Stadt mit Kulturtradition, deren "Anstöße und Engagement" er schätzt; dort der in Amsterdam geborene Künstler, der seine Zeit teilt zwischen Darmstadt und Dallas in Texas, wo seine Frau Jutta einen Germanistik-Lehrstuhl innehat - wenn er nicht gerade in Berlin weilt, um in der renommierten Kunstgießerei Noack neue Güsse der Krähe zu überwachen, die es mittlerweile in drei Größen gibt. Den Kontakt zu Noack hat van Selm einst der Darmstädter Ex-Galerist Joachim Sander vermittelt. Mit seiner Frau Gisa von "Krähe II" gehört dieser ebenso wie die Sammler-Ehepaare und -Familien Scheinert, Kramer und Ellinger-Nothnagel zu den Sponsoren.

Anzeige

Der Vogel, der schon in van Selms Malerei prominent auftaucht und dank der erst im Laufe der letzten Jahre hinzugetretenen Bildhauerei vollends zum Markenzeichen des Künstlers geworden ist, hat nicht nur bei Kunstliebhabern in Darmstadt und Berlin eine Niststatt gefunden, sondern auch in der Schweiz, Belgien, Irland, New York und Kalifornien. Nun handelt es sich bei einer Krähe ja um ein Allerweltstier, das, unbunt und allesfresserisch, dazu nicht gerade mit holdem Gesang begabt, kein besonderes Ansehen bei den Menschen genießt. Doch Arie van Selm hält die Intelligenz der kleineren Raben-Vettern dagegen, ihr Selbstbewusstsein, ihren gravitätischen Gang: "wie der eines Diplomats". Das alles sei ihm aufgefallen, als sein Blick in einem kalten texanischen Winter aus dem Atelierfenster auf einen Schwarm Krähen fiel, sagt er: "markant schwarz gegen weißverschneites Feld".

Das Tier prägte sich tief genug ein, um fortan als Wiedergänger durch seine Kunst zu geistern. Die "Krähe" auf dem Vorplatz der Darmstädter Kunsthalle sitzt offenbar still auf ihrem kubischen Sockel, so, dass die Spitzen ihrer Krallen gerade den Sockelrand berühren. Kleines Detail, große Wirkung: Für visuelle Stabilität sorgt der rückwärts gerichtete Sporn. Auf leicht schrägen, parallelen Beinen hält sich der Korpus des Tiers bis hin zu den überhängenden Schwanzfedern - eine Mischung aus naturalistischen und rational-stereometrischen, symmetrischen und asymmetrischen Komponenten. "Das Wirkliche und das Abstrakte zusammenbringen in eins: Das ergibt für mich die schöne Form", sagt van Selm dazu.