i
Foto: Roland Geier
Foto: Roland Geier

Am Boden: Die Mannschaft um Thomas Pledl  liefert schlechte Leistungen am Fließband ab.

Fußball
23.10.2018

Großbaustelle FC Ingolstadt: Eine Fehleranalyse

Von Benjamin Sigmund

Die Schanzer haben Sportdirektor Angelo Vier beurlaubt. Die Probleme beim Tabellenletzten, der die größte Krise seiner Geschichte erlebt, sind weit größer.

Nun ist beim FC Ingolstadt auch der Sportdirektor seinen Job los. Die Schanzer haben sich von Angelo Vier getrennt.  Der 46-Jährige hatte das Amt beim FCI im August 2017 als Nachfolger von Thomas Linke übernommen. Doch nach einer enttäuschenden Rückrunde ist es ihm nicht gelungen, für diese Saison eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzustellen. Statt in den Aufstiegskampf einzugreifen, ist der FC Ingolstadt Tabellenletzter, verlor zuletzt sechs Spiele hintereinander. Die Misere hatte zunächst Trainer Stefan Leitl den Job gekostet. Doch auch unter dessen Nachfolger Alexander Nouri, ein Wunschkandidat Viers, wurde es nicht besser. Im Gegenteil: Nouri verlor sämtliche vier Spiele als FCI-Trainer. Negativer Höhepunkt war das 0:4-Debakel am vergangenen Freitag beim SV Sandhausen.

Die Aufgaben von Vier werden vorerst auf die Geschäftsführung und das Trainerteam übertragen. FCI-Vorstandsvorsitzender Peter Jackwerth: „Die Verantwortlichen genießen dafür unser Vertrauen. Es ist schade, dass es uns nicht gelungen ist, Kontinuität auf der Position des Sportdirektors zu erhalten.“ Doch die Probleme der kriselnden Schanzer sind mit der Beurlaubung Viers nicht gelöst. Die Neuburger Rundschau zeigt auf, wo beim FC Ingolstadt derzeit die Probleme liegen.

i
Foto: Roland Geier
Foto: Roland Geier

Wurde entlassen: Sportdirektor Angelo Vier.

Vereinsführung Das Ziel des FC Ingolstadt war deutlich. Unter den Top 25 Deutschlands wolle man sich etablieren, sagte Geschäftsführer Sport Harald Gärtner vor der Saison. Auch im Kampf um den Bundesligaaufstieg sahen sich die Schanzer nicht chancenlos. Doch davon sind sie meilenweit entfernt, taumeln gar der Drittklassigkeit entgegen. Der Umbruch im Sommer, den nicht nur Vier, sondern auch Gärtner zu verantworten hat, ging gründlich in die Hose. Gieriger, schneller und flexibler sollte der neue Kader sein. 6,7 Millionen Euro (Quelle: transfermarkt.de) wurden dafür in die Hand genommen. Doch mit der Qualität der Mannschaft haben sich Gärtner und Vier gewaltig getäuscht. Der Umbruch ist misslungen. Vier ist deswegen nun seinen Job los.

Der FC Ingolstadt in der Analyse

i
Foto: Roland Geier
Foto: Roland Geier

Philipp Heerwagen kam im August vom FC St. Pauli zu den Schanzern und löste Marco Knaller ab.

 

Torwart Mit Örjan Nyland stand ein Keeper zwischen den Pfosten, der solide seinen Job erfüllte. Doch der Norweger wurde einen Tag vor dem ersten Saisonspiel in einer Nacht- und-Nebel-Aktion nach England verkauft. Marco Knaller rückte zur Nummer eins auf. Doch diesem Status wurde der Österreicher nie gerecht, leistete sich folgenschwere Patzer. In Sandhausen debütierte der nachverpflichtete Philipp Heerwagen. Der ist 35 Jahre alt und saß in der vergangene Saison beim FC St. Pauli ausschließlich auf der Bank.

Abwehr Der FC Ingolstadt ist mit 23 Gegentoren die Schießbude der Liga. Gerade im Defensivverhalten offenbarten sich bisher riesige Schwächen. Kapitän Marvin Matip (33) hat seine besten Tage wohl hinter sich. Neuzugang Benedikt Gimber (21), einst deutscher U-20-Nationalspieler und bei der TSG Hoffenheim ausgebildet, zeigt erstaunliche fußballerische Mängel und Tempodefizite. Bleiben der Brasilianer Lucas Galvao, der durchaus Qualität besitzt, und die Talente Phil Neumann und Frederic Ananou. Beide konnten ihre Zweitligatauglichkeit allerdings (bisher) nicht nachweisen. Insgesamt leistet sich der FCI unerklärliche individuelle Fehler, agiert vor dem eigenen Sechzehner äußerst naiv.

Mittelfeld Die Ausfälle der defensiven Mittelfeldspieler Christian Träsch, Almog Cohen und zuletzt Tobias Schröck konnten nicht kompensiert werden. Neuzugang Konstantin Kerschbaumer ist zwar bemüht, wirkt aber mit seiner Führungsrolle (in der zweiten Hälfte in Sandhausen war er Kapitän) überfordert. Weitere Leistungsträger schwächeln. Sonny Kittel etwa, technisch einer der stärksten Spieler der Liga, hängt völlig durch und lässt die Schultern hängen. Ihm fehlen Kampfgeist und Zweikampfhärte, die momentan mehr gefragt sind als filigrane Auftritte. Thomas Pledl kann ebenfalls keine gewinnbringenden Situationen kreieren. Auf der linken Seite herrscht ein Qualitätsdefizit. Sowohl Marcel Gaus als auch Paulo Otavio sind Unsicherheitsfaktoren.

Angriff Der eine will, ist aber fußballerisch limitiert (Stefan Kutschke), der andere könnte, will aber nicht (Dario Lezcano). Dazu kommt Charlison Benschop, der sich nach langer Verletzungspause zurückgekämpft hat, bisher aber wie ein Fremdkörper wirkt. Was könnte helfen? Osayamen Osawe brächte Geschwindigkeit, Robert Leipertz Abschlussqualitäten. Doch auch bei ihnen ist fraglich, ob sie das Angriffsspiel entscheidend voranbringen könnten.

Mentalität „Wir müssen enger zusammenrücken.“ Ein Satz, der von den Spielern immer wieder zu hören ist. Doch vom „Wir-Gefühl“ wird nur gesprochen, gelebt wird es nicht. Allein das gebetsmühlenartige Wiederholen dieser Aussage lässt erahnen, dass einiges im Binnenklima des Teams nicht zu passen scheint. Auch Alexander Nouri fordert stets den Zusammenhalt. Doch statt ihr Herz auf dem Platz zu lassen, zeigt die Mannschaft eine Nicht-Leistung nach der anderen.

i
Foto: dpa
Foto: dpa

Ratlosigkeit herrscht bei Ingolstadts Trainer Alexander Nouri.

Trainer Alexander Nouri ist in vier Spielen auf der FCI-Bank noch punktlos. „Man muss sagen, dass der Trainerwechsel verpufft ist“, sagte Gärtner nach dem Sandhausen-Spiel. Sympathisch kommt Nouri rüber, nach außen ganz der smarte Typ, liebenswürdig und nett. Doch mit diesen Eigenschaften scheint er noch nicht zum Team durchgedrungen zu sein. Ein erstes Zeichen setzte er damit, Dario Lezcano in Sandhausen aus dem Kader zu streichen. Weitere müssen folgen. Doch ist Nouri wirklich der Heilsbringer? Seine Zeit bei Werder Bremen eingerechnet, hat der 39-Jährige seit 17 Spielen nicht mehr gewonnen. Nouri war Wunschkandidat von Vier. Der Sportdirektor ist nun weg. Bleibt die Frage, wie lange Nouri noch weiter verlieren darf.

Stimmung Am Boden. Die Spieler agieren ohne Selbstvertrauen, die Anhänger sind verärgert, die Verantwortlichen ohne klares Konzept. Zuletzt krachte es auch noch zwischen Kapitän Marvin Matip und Teilen der Anhänger. Der soll die nach Sandhausen mitgereisten Ingolstädter nach dem Spiel als „Asoziale“ bezeichnet haben. Zuvor waren Becher Richtung Mannschaft geflogen. Heute Abend (18 Uhr) findet in der „Schanzer Rutschn“ in Ingolstadt ein Fanabend mit Mannschaft und Verantwortlichen statt. Gibt es den Schulterschluss oder eskaliert die Lage?

Ausblick Geschäftsführer Harald Gärtner darf weitermachen. Er war sowohl an der Beförderung Stefan Leitls zum Cheftrainer als auch an den Verpflichtungen von Angelo Vier und Alexander Nouri beteiligt. Leitl und Vier sind weg, Nouri ist nach gerade einmal vier Spielen bereits angezählt. Die Zusammenstellung des Kaders Leitl und Vier allein in die Schuhe zu schieben, wäre ein Fehler. Bei den Anhängern ist Gärtners Kredit aufgebraucht, an der Vereinsspitze noch nicht. Spätestens jetzt muss Gärtner aber liefern.

Facebook Whatsapp Twitter Mail