Shelby Supercars SSC Tuatara
Die Technik des Jetzt-aber-wirklich-Rekordautos

SSC North America ist mit dem Tuatara einen Geschwindigkeits-Rekord von 455,3 km/h gefahren. Dabei hat neben der enormen Motorleistung auch die Aerodynamik geholfen.

01/2021, SSC Tuatara Topspeed Rekord Nr. 2
Foto: SSC North America

Im Jahr 2011 gab es die erste Ankündigung. Ein Auto, das dem Bugatti Veyron Super Sport die VMax-Krone vom Spoiler blasen soll: Der SSC Tuatara. 440 km/h waren die vollmundige Ansage – und dann? War es zunächst still um Shelby Supercars. Nach fast zehn Jahren folgte dann die Enthüllung des serienreifen Hypercars, das in einer Auflage von 100 Stück gebaut werden soll.

Zweifel am offiziellen Rekord

Doch nun ist der Tuatara real. Sehr real sogar. Mit ihm will SSC North America einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt und dem Tuatara damit offiziell den Titel "schnellstes Serienauto der Welt" verpasst haben. Auf den Johnny Bohmer Proving Grounds des Kennedy Space Centers in Florida erreichte das Hypercar in Südrichtung 286,1 mph (460,4 km/h), nach Norden waren es 279,7 mph (450,1 km/h). Gewertet wird der Schnitt aus beiden Läufen; der neue Rekordwert sind also 282,9 mph (455,3 km/h).

Unsere Highlights
01/2021, SSC Tuatara Topspeed Rekord Nr. 2
SSC North America
Im Schnitt 455,3 km/h, in der Spitze gar 460,4 km/h: die neuen Bestmarken des SSC Tuatara.

Im Herbst 2020 glaubte die Truppe um Firmen-Gründer und -Chef Jerod Shelby bereits, die 300-mph-Marke (482,8 km/h) geknackt zu haben. Im Schnitt soll der SSC Tuatara damals 316,11 mph (508,73 km/h), in der Spitze sogar 331,15 mph (532,93 km/h) schnell gewesen sein. Der Abschlag kommt durch die speziellen Regeln für derartige Rekordfahrten zustande: Innerhalb einer Stunde muss ein Auto in beide Richtungen fahren; der Mittelwert aus den dabei erzielten Höchstgeschwindigkeiten geht in die Wertung ein. Allerdings gab es danach erhebliche Zweifel, ob der SSC Tuatara die Bestmarke tatsächlich erreicht hatte (mehr dazu lesen Sie hier), weshalb SSC den Rekordversuch nun wiederholte.

Irrwitziges Leistungsgewicht

Vom ersten Entwurf bis zum fertigen Modell haben sich einige Änderungen am SSC Tuatara ergeben. Während zu Anfang noch ein Siebenliter-Biturbo-V8 für 1.350 PS sorgen sollte, hat man zwischenzeitlich bei SSC den Downsizing-Trend erkannt und in die Planung implementiert. Entsprechend schrumpfte der Hubraum bei gleichzeitigem Leistungszuwachs. Natürlich gab es keine Degradierung auf ein Dreizylinder-Konzept, der V8-Biturbo blieb gesetzt. Doch das fertige Modell schöpft seine Kraft lediglich aus 5,9 Litern Hubraum, leistet dafür aber bis zu 1.774 PS (mit E85-Kraftstoff). Wird Saft mit 91 Oktan eingeflößt, sinkt die Leistung auf immer noch stattliche 1.369 PS.

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Stattlich ist diese Leistung vor allem vor dem Hintergrund, dass der Tuatara nur 1.247 Kilo auf die Waage bringt. Im Umkehrschluss müssen bei maximaler Kraftschöpfung nur 0,7 Kilo von jedem PS bewegt werden. Zusammen mit einem cW-Wert von 0,279 sollte es also zügig vorwärts gehen. Ging es wohl auch bei der Rekordfahrt, wie das als Beleg veröffentlichte Video (über diesem Absatz) zeigt. Weil Pilot Dr. Larry Caplin, gleichzeitig Besitzer des Tuatara-Modells mit der Seriennummer 001, bei der Rekordfahrt in seinem Auto die Strecke ausging, musste er bremsen, bevor der SSC sein volles Potenzial ausgeschöpft hatte. Im Clip sind gut die Schaltvorgänge des sequenziellen Siebengang-Getriebes zu hören, das die Fahrstufen in weniger als 100 Millisekunden durchschaltet.

Komplett aus Karbon

Sowohl das komplett neu entwickelte Chassis als auch die ultraflache Karosserie bestehen aus Kohlefaserlaminat. Selbst die Felgen des SSC sind einteilig aus Kohlefaserlaminat ausgeführt. Die Crashstrukturen des Tuatara hat SSC aus Aluminium-Wabenstrukturen modelliert.

Tuatara SSC North Amercia Supersportwagen 2020
SSC North America
Das Herzstück: Ein 5,9-Liter-Biturbo-V8 mit bis zu 1.774 PS. Und der hat es lediglich mit 1.247 Kilo Fahrzeuggewicht zu tun.

Für die Form des SSC Tuatara zeichnet Jason Castriota verantwortlich, der zuletzt seine Design-Künste in Diensten von Saab entfaltete und auch schon bei Bertone den Mantide gezeichnet hatte. Er gestaltete dem Tuatara eine klassische Superportwagenlinie auf den Karbonleib, verzichte allerdings auf einen großen Heckspoiler. Stattdessen sollen zwei kleine Winglets auf den hinteren Kotflügeln den Tuatara bei über 400 km/h stabilisieren. Für die Luftzufuhr Richtung Motorabteil sorgen große Einlässe in den Flanken und auf den hinteren Radkästen.

1,3 Millionen Dollar teurer Speed-Rausch

Der komplette Unterboden des SSC Tuatara ist verkleidet und als Diffusor mit Venturi-Kanälen ausgelegt. Die zweiflutige Auspuffanlage bekam ihren Platz mittig unter dem Heck zugewiesen. Die zwei Passagiere dürfen den Speed-Rausch unter einer überdimensionalen Glaskanzel erleben. Zumindest, wenn sie vorher 1,3 Millionen Dollar auf den Tresen gelegt haben.

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Auf jeden Fall. Nur das Streben nach Rekorden bringt die Menschheit und Technik voran.Natürlich nicht. Auf der Welt gibt es wahrlich viel schwerwiegendere Probleme.

Fazit

So ein neuer limitierter Supersportwagen ist meist eine Mischung aus Träumen und Superlativen. Mit seinem proklamierten Highspeed-Rekord hat sich der SSC Tuatara ein Stückchen weiter von Ersterem zu Letzterem bewegt. Doch die Truppe arbeitet bereits daran, ein weiteres Ausrufezeichen zu setzen: In nicht allzu ferner Zukunft soll die 300-mph-Marke fallen – dann aber wirklich und hochoffiziell.

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