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An diesem Dienstag haben die Aktionäre von Tui in einer außerordentlichen Hauptversammlung über die geplante Kapitalerhöhung und weitere Finanzmittel entschieden.

Der russische Oligarch Alexej Mordaschow ist Großaktionär bei Tui. Im Zuge der Krise des Reise-Konzerns will er nun seinen Anteil von 24,9 auf bis zu 36 Prozent aufstocken.

Tui-Chef Joussen wertete die Kapitalerhöhung der Familie Mordaschow als ein „außerordentlich gutes Zeichen“.

An diesem Dienstag haben die Aktionäre von Tui in einer außerordentlichen Hauptversammlung über die geplante Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro und weitere Finanzmittel entschieden. Ein Mann stand dabei besonders im Fokus, auch wenn er selbst gar nicht auftrat und auch kaum Erwähnung fand: Alexej Mordaschow.

Der russische Oligarch ist über die Firmengruppe Unifirm Limited Großaktionär bei Tui. Im Zuge der Krise des Reise-Konzerns will er nun seine Anteile von 24,9 auf bis zu 36 Prozent aufstocken. Die Entscheidung der Finanzaufsicht BaFin, den Milliardär von dem Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre zu befreien, bereitete am Montagabend den Weg dazu. „Als langfristiger strategischer Investor bei Tui bin ich zuversichtlich, dass das Geschäftsmodell unverändert bleibt und die mittel- bis langfristigen Perspektiven des Unternehmens gut sind“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Seit 2007 ist Mordaschow, der gut deutsch spricht, bereits an der Tui beteiligt. Der 55-Jährige ist einer der reichsten Russen und gehört mit einem Vermögen von 23,4 Milliarden Dollar (umgerechnet etwa 19 Milliarden Euro) laut Forbes zu den 100 reichsten Menschen der Welt. Sein Geld hat der Sohn von Fabrikarbeitern mit der Stahlfirma Severstal gemacht, die unter anderem Autokonzerne oder auch Maschinenbauer wie Siemens und Bosch beliefert.

Alexej Mordaschow hat gute Verbindungen nach Deutschland

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und in der anschließenden Privatisierungswelle in Russland übernahm Mordaschow mit 27 Jahren Anteile des Stahlunternehmens, dem er bis heute als Aufsichtsratschef vorsteht. Auch an dem Goldunternehmen Nordgold und dem Energie-Konzern Power Machines ist er beteiligt. In der deutschen Wirtschaft genießt er einen Ruf als zuverlässiger Partner, er ist auch Vizepräsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK). Angeblich hat der Oligarch erst vor kurzem eine Luxus-Yacht bei der Lürssen Werfft in Bremen gekauft.

Seine Holding Unifirm Limited, der ein Viertel von Tui gehört, hat ihren Sitz auf Zypern und wird indirekt von den Familienmitgliedern kontrolliert. Mordaschow hat je nach Quelle sechs oder sieben Kinder. Laut „Handelsblatt“ hat er zwei seiner Kinder, den volljährigen Söhnen Kirill und Nikita, bereits einen Teil seines Vermögens vermacht, darunter auch Anteile an der Tui.

Doch die Corona-Krise hat die Reisebranche hart getroffen. „Vor der Pandemie war die Tui ein kerngesundes Unternehmen“, sagte Vorstandschef Fritz Joussen auf der virtuellen Hauptversammlung am Dienstag. Im Januar 2020 sei man mit einem neuen Buchungsrekord ins Jahr gestartet – dann kam Corona. „Durch die faktischen Reiseverbote sind wir praktisch über Nacht zu einem Unternehmen ohne Produkt und ohne Umsatz geworden“, so Joussen. Rückholaktionen, Stornierungen und Rückerstattungen belasteten das Unternehmen anschließend. Ende September betrug der Verlust für das dann abgelaufene Geschäftsjahr über 3,1 Milliarden Euro. Der Umsatz brach von 18,9 Milliarden auf 7,9 Milliarden Euro ein.

Tui-Chef: Beteiligung der Familie Mordaschow an Kapitalerhöhung ist „außerordentlich gutes Zeichen“

Tui versuchte sich mit privaten und staatlichen Hilfen zu retten. Dem Reisekonzern wurden mittlerweile rund 4,8 Milliarden Euro an Unterstützung zugesprochen. Der Löwenanteil entfällt dabei auf Darlehen, die über die bundeseigene Förderbank KfW oder ein Konsortium mehrerer Geschäftsbanken abgewickelt werden. „Der Staat leiht Geld, aber er gibt keine Geschenke. Der Kredit ist nicht umsonst“, kommentierte Joussen. Das Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro zu reduzieren, insbesondere im Bereich der Airlines. Kurz vor dem Aktionärstreffen billigte die EU-Kommission am Montagabend die deutschen Staatshilfen bis zu 1,25 Milliarden Euro.

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Tui-Chef Joussen wertete es als ein „außerordentlich gutes Zeichen“, dass die Familie Mordaschow bereits zugesagt hat, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Das Hilfspaket für Tui enthält zudem stille Einlagen des staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) über 700 Millionen Euro – davon könnte der Bund 420 Millionen Euro in Aktien umwandeln und sich damit an Tui beteiligen. Die Aktionäre stimmten diesem Recht am Dienstag mit großer Mehrheit zu. Damit ist der Weg für den Bund frei, mit insgesamt bis zu 25 Prozent plus einem Anteilsschein bei der Tui einzusteigen – in dieser Höhe hätte er auch eine Sperrminorität und somit ein Mitspracherecht bei weiteren zentralen Entscheidungen.

Hinzu kommt noch eine zweite, allerdings nicht wandelbare stille Beteiligung von bis zu 680 Millionen Euro. Die genaue Ausschöpfung dieses letzten Teils ist unter anderem abhängig davon, ob sich das Land Niedersachsen am Tui-Hauptsitz Hannover bereiterklärt, eine Summe von bis zu 400 Millionen Euro mit einer eigenen Garantie abzusichern. Dies ist – wie auch die Frage staatlicher Beteiligungen an Aktiengesellschaften generell – umstritten, wie bereits bei der Lufthansa oder bei der Commerzbank in der Finanzkrise nach 2008.

Joussen äußerte sich optimistisch, dass Tui nach einem „Übergangsjahr 2021“ dank der bereits anlaufenden Impfungen wieder zur Normalität zurückkehren würde. „Die Menschen wollen reisen, das ändert sich auch nicht durch die Pandemie“, sagte er. Tui verfüge über ein gesundes Geschäftsmodell, das vor der Pandemie 27 Millionen Kunden zählte. Der Tourismus-Sektor bleibe ein Wachstumssektor. „Wir sehen das Licht am Ende des Tunnels.“

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cm/dpa