Wer Medikamente oder Impfungen gegen Covid-19 entwickelt, könnte um seinen Patentschutz umfallen.

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Weltweit wird fieberhaft nach Präparaten geforscht, um das Coronavirus bzw. die durch das Virus ausgelöste Erkrankung Covid-19 zu behandeln. In den USA wurden bereits Covid-19-bezogene Patente angemeldet, das Wettrennen um einen Impfstoff ist in vollem Gange.

Die Entwicklung von Arzneimitteln ist ein regelmäßig riskanter, kostenintensiver und – wie sich aktuell wieder zeigt – langwieriger Prozess. Teure Entwicklungen müssen vielfach abgebrochen werden, da sich Testkandidaten als unzureichend herausstellen. Damit sich dieser Aufwand lohnt, können für neue Arzneimittel Patente erteilt werden. Ein Patent verschafft dem Entwickler ein zeitlich beschränktes Exklusivrecht, er kann es Dritten verbieten, seine Erfindung ohne seine Zustimmung gewerblich zu nutzen. Dadurch kann dieser seine Investitionen zurückverdienen und neue Forschung betreiben. Das Patentrecht schafft somit gerade im Arzneimittelbereich wichtige Investitions- und Innovationsanreize.

Dieses etablierte Prinzip sichert der Allgemeinheit langfristig (nämlich nach Ablauf des Patentschutzes) freien Zugriff auf die geschaffenen Innovationen. Dem gegenüber steht der Wunsch der Allgemeinheit nach raschem und leistbarem Zugriff auf die geschützte Erfindung. Dies spitzt sich im Arzneimittelbereich durch die Coronavirus-Pandemie zu: Medikamente und Impfstoffe sind heißbegehrt. Schon Mitte März wurde berichtet, US-Präsident Donald Trump wolle sich den vielversprechenden Impfstoffkandidaten der deutschen Firma Curevac mit viel Geld "exklusiv für die USA" sichern.

Deutschland hat Gesetze angepasst

Die exklusive Verwertung von patentierten Arzneimitteln wird deshalb zunehmend hinterfragt, mitunter wird eine Aussetzung von Patenten auf Covid-19-Präparate gefordert (zum Beispiel durch Ärzte ohne Grenzen). Erste Staaten haben Schritte in diese Richtung gesetzt, zum Beispiel Israel, Ecuador, Chile, durch die Erteilung bzw. Vorbereitung von Zwangslizenzen. Deutschland hat seine Gesetze angepasst, um den Patentschutz im Epidemiefall einschränken zu können.

Auch in Österreich könnte im Interesse der Allgemeinheit eine Zwangslizenz für ein Patent erteilt werden. Gemäß § 36 Abs 5 Patentgesetz (PatG) hat jedermann für seinen Betrieb Anspruch auf die Erteilung einer nichtexklusiven Lizenz an einer patentierten Erfindung, sofern (und nur dann) die Erteilung der Lizenz im öffentlichen Interesse geboten ist.

Rechtfertigt nun eine Pandemie eine Zwangslizenz? Rechtsprechung zu Zwangslizenzen im öffentlichen Interesse liegt in Österreich kaum vor. Der deutsche Bundesgerichtshof hatte hingegen schon mehrfach über derartige Zwangslizenzen zu entscheiden. Ein öffentliches Interesse wurde zum Beispiel bejaht, sofern das fragliche (patentierte) Arzneimittel zur Behandlung schwerer Erkrankungen geeignet ist und auf dem Inlandsmarkt keine gleichwertigen Präparate verfügbar sind, also in einer Situation, in der der Patentinhaber die Versorgung mit dem Arzneimittel selbst nicht leisten kann. Ein Versorgungsmangel mit wichtigen Medikamenten in Zeiten der Corona-Pandemie könnte daher wohl ein öffentliches Interesse im Sinne des Patentgesetzes sein.

Angemessene Lizenzgebühr erforderlich

Voraussetzung für die Erteilung einer Zwangslizenz ist in Österreich aber auch, dass beim Patentinhaber vorab um Erteilung einer marktüblichen Lizenz angesucht wird (§ 37 Abs 1 PatG). Nur wenn diese nicht erteilt wird, kann das österreichische Patentamt angerufen werden. Dieses entscheidet dann, ob überhaupt und zu welchen Bedingungen – Höhe des Entgelts, Umfang, Dauer et ctera – eine Lizenz erteilt wird. Eine Zwangslizenz ist keine Freilizenz, sondern es ist stets eine angemessene Vergütung, also Lizenzgebühr, festzusetzen.

Vom Erfordernis des Bemühens um die Zustimmung des Patentinhabers besteht allerdings eine Ausnahme (§ 37 Abs 3 PatG): bei Vorliegen eines "nationalen Notstandes" oder "sonstiger Umstände von äußerster Dringlichkeit". Sofern ein derartiger Umstand zusätzlich zum öffentlichen Interesse vorliegt, kann das Patentamt direkt eine vorläufige Bewilligung zur Benützung des Patents erteilen. Zu denken ist hier zum Beispiel an eine konkrete und schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, die mittels der Zwangslizenz abgewendet werden könnte. Auch diese Kriterien könnten in der Coronavirus-Pandemie erfüllt sein.

In Österreich ist es anders

Im Unterschied zu Ländern wie Deutschland oder Großbritannien sieht das österreichische Patentgesetz nicht vor, dass die öffentliche Hand ein Benutzungsrecht für ein Patent anordnen kann, ohne zuvor das Prozedere zur Erteilung der Zwangslizenz zu durchlaufen. Da in äußersten Notfällen eine Zwangslizenz – durch vorläufige Bewilligung auch ohne Zustimmung des Patentinhabers – ohnedies rasch erteilt werden kann, besteht kein Anlass, das bestehende System anzupassen. Durch Einschaltung des Patentamts – und der damit verbundenen Möglichkeit eines Rechtsmittels des Patentinhabers an die ordentlichen Gerichte – wird auch in der Krise ein faires Verfahren sichergestellt.

Abzuwarten bleibt, ob die Corona-Pandemie ohne derartige Eingriffe in die Rechte von Patentinhabern bewältigt werden kann. Ein Einsatz des Instruments Zwangslizenz erfordert jedenfalls eine sorgfältige Abwägung der beteiligten Interessen im Einzelfall: Leichtfertig erteilte Zwangslizenzen würden nicht nur massiv in die Interessen des betroffenen Patentinhabers eingreifen, sondern auch das Vertrauen in das Patentsystem insgesamt beeinträchtigen. (Lutz Riede, Matthias Hofer, 7.4.2020)