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Im Frankfurter Kammerspiel geht es gut gelaunt um alles: Geld und Schulden

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In „Alles, was zählt“ singt das aktuelle „Studiojahr Schauspiel“ Frankfurt sich mit Liedern vom Gelde karnevalesk und fidel durch einen öden Geschäftstag.

Frankfurt - Kunst will nicht immer, aber oft die Totale: Alles sagen, auf den perfekten Punkt gebracht. Also steht Martin Holzhauers Großraumbüro auf der Kammerspielbühne – das sind graue, aber manchmal umgestürzte Tische mit Drehstühlen und Zeug plus Flügel und aufgebockte E-Gitarren – nicht nur für sich. Vielmehr meint sie die Angestelltenhölle in Frankfurt-Bankville (Regie: Michael Lohmann, musikalische Leitung: Günter Lehr am Piano), ein Leben mit dem lieben, bösen Geld in all seinem Elend. Mit eingepreist sind der eine oder andere Glücksmoment im Theater und beim Publikum.

Penunzen stinken nicht, wie sinngemäß schon die römische Klofrau Diokletian mit der Hand am Abtritt festhielt. Wohl aber wirkt das Prinzip Geld ins Bühnenbild hinein, wenn die sieben Akteure von der Frankfurter Musikhochschule zeitweise Anzüge mit Banknotenmuster tragen. Martina Suchaneks Kostüme schaffen für die rasch verfliegenden hundert Minuten nicht groß Charaktere, sondern setzen die Masse Mensch am Tropf des Geldes eher als Lied- und Nummernträger in Szene.

Große Depression

Jedem und jeder gebührt hier eine leuchtend bunte Perücke, aus der die Farbe gleichsam in die Klamotten sickert. Die Dramaturgie oder anders gesagt, das Spiel am Spiel um die Firma „Next Generation Invest“, stammt nebenbei von Studiojahr-Mitbetreuerin Ursula Thinnes. Die Auswahl der Bravourstücke dürfte sich dem Pianisten (mit-)verdanken.

Das Feld vom Geld ist vielbeackert und die Qual der Wahl groß. Rapper-Zeitgeistsprüche wie „Get Rich or Die Tryin’" wabern gleichsam neoliberal „von unten“ am Boden mit. Los geht es mit einem Klassiker der Armut: „Brother, Can You Spare a Dime?“ heißt er und stammt aus der Großen Depression in Amerika, die dort bekanntlich keinen Hitler und auch keine albernen Ufa-Possen mit dem Segen des Hauses Goebbels gebar, sondern einen Krisenretter vom Schlage Roosevelts und außerdem noch saftige „Früchte des Zorns“.

Da Deutschland heute seinen Reichtum mitunter auch aus den Knochen einer Generation endlos verlängertes Praktikum kocht und schweigend etwa mit in Kauf nimmt, dass Tausende vom Geschäftsmodell Pfandsammeln leben, ist solch ein Intro im Moll-Schlüssel besonders angemessen fürs folgende Programm.

Natürlich bleibt ein Jahresabschluss-Stück immer auch zweckbestimmt. Jeder Student will und soll glänzen, das Umfeld was zum Feiern haben und das „Studiojahr“ was vorzuweisen für die Sponsoren. Es kann also so oder so ausgehen, diesmal aber fällt das Resultat sehr vergnüglich aus.

Laura Teiwes etwa spielt zuerst das graue Mauerblümchen unter lauter bunten Konkurrenten, um hernach als blutroter CEO-Vampir und „Boss“ mit starken Nummern vom Mr.-Wichtig-Sessel Gehorsam zu erzwingen, wie ihn einst Gottkönige beanspruchten – oder mancher Abteilungschef von heute. Julia Staufer aus Kehl trotzt als rosa Putzfrau mit Wägelchen und Krücken einem realen Knochenbruch. Julian B. Melcher gibt gelbgelockt den Typus Bürodiener. Katharina Kurschat türmte orange Haarmoden und Eva Bühnen ist reizend und begabt in Türkis. David Campling (blau) und Andreas Gießer (grün) stechen, aber das gilt ja für sie alle, musikalisch hervor.

Der Arbeitstag ist frei nach Cäsar in der Gesamtheit dreigeteilt und setzt sich nach der Dime-Nummer zunächst mit „Good Morning“ als Corporate-identity-Frühsport und mit „Plansch“ im Takt der Tastatur fort, aber auch schon mit dem Beatles-geadelten „Money (That’s What I Want)“: selbstredend aus dem Mund der unterbezahlten Putze. Die Heilige Kommunion mit Gehaltsscheck-Oblate reimt sich gutkatholisch auf den irischen Shanty, gefolgt von Marilyns bestem Freund im Frauen-Chor („Diamonds Are a Girl’s Best Friend“), Schuberts „Leiermann“ beim Starren auf die Uhr an der Jalousien-Hinterwand, wie sie müde auf Mittag zukriecht. Auftritt der CEO mit Macht-Ritualen zum „Eye of the Tiger“ (sein Rücken zu uns: wir gucken mit), denn na klar, das Büro ist ein Boxring oder gleich eine Hard-Rock-Besetzungscouch („What Do You Want For Money Honey“ von „AC/DC“).

Nach der echten Pause hiphoppeln „K.I.Z.“ einher, denn „Hurra die Welt geht unter“ – und immer so fort. Eine, hatten wir’s erwähnt?, sehr gefällige Revue durch Zeit und Geld. Was ja doch ein und dasselbe ist.

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