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Corona-Ausbrüche trotz Impfungen: Vakzine aus China scheinen kaum zu wirken

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Wahlhelfer in der Mongolei in Schutzanzügen.
Hohe Impfquote, hohe Corona-Zahlen: Obwohl viele Einwohner:innen der Mongolei mit Impfstoffen aus China geimpft sind, steigt die Inzidenz. © Byambasuren Byamba-Ochir/afp

Früh verteilte China seine Corona-Impfstoffe Sinovac und Sinopharm an andere Länder. Jetzt kommt es zu erneuten Corona-Ausbrüchen. Wie wirkungsvoll sind die Vakzine wirklich?

Ulan Bator/Peking – Die Mongolei, die Seychellen, Chile, Bahrain. All diese Länder haben eines gemeinsam: Sie haben während der Corona-Pandemie auf Impfstoffe aus China gesetzt. In allen vier Ländern sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung komplett geimpft – sie liegen damit vor fast allen westlichen Ländern. Und sie haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: Alle vier Staaten liegen derzeit unter den Top 10 der Staaten dieser Erde mit den schlimmsten Corona-Ausbrüchen. Dies berichtet die New York Times.

Während viele Staaten sich noch heute ohne die begehrten Impfstoffdosen durchschlagen mussten, kamen die vier Staaten auf das Angebot aus Peking zurück, von dort Impfstoff zu beziehen. Die Hoffnung war ein sicherer und zuverlässiger Schutz gegen das Coronavirus. Doch von Anfang an war besonders für Beobachter aus dem Westen zweifelhaft, wie effektiv die Impfstoffe aus China wirklich sind. Als die neuen Varianten auftauchten, stellte sich diese Furcht als begründet heraus.

Seychellen und Mongolei: Hohe Corona-Zahlen trotz Impfstoff aus China

„Wenn die Impfstoffe gut wären, dann würden wir diese hohen Neuinfektionen nicht sehen“, sagte Jin Dongyan, ein Virologe der Universität Hongkong, der New York Times. Die chinesische Regierung sei nun gefordert, dieses Problem zu lösen, schließlich habe sie für Impfstoffhersteller wie Sinopharm und Sinovac Biotech geworben.

Wie groß der Unterschied zwischen den chinesischen Impfstoffen und denen aus dem Westen wirklich ist, ist derzeit noch unklar. Ein Blick auf die Zahlen zeigt jedoch deutliche Unterschiede. In den USA etwa sind 45 Prozent der Bevölkerung voll geimpft, die meisten mit Biontech/Pfizer und Moderna. Dort sind in den vergangenen sechs Monaten die Corona-Fälle um 94 Prozent gesunken. In Israel wurde ebenfalls der Großteil mit Biontech/Pfizer geimpft und liegt, nach den Seychellen, bei der Impfquote weltweit an zweiter Stelle. Hier kommen derzeit 4,95 Fälle auf eine Million Einwohner. Auf den Seychellen wurde der Großteil mit Sinopharm geimpft. Die Fälle pro eine Million Einwohner liegen hier bei 716.

Mongole infiziert sich mit Corona trotz Impfung mit chinesischem Impfstoff

Durch die protektionistische Politik des Westens bezüglich der Impfstoffe ist längst ein Dreiklassensystem entstanden: Reiche Länder mit genug Impfstoff, insbesondere Biontech/Pfizer und Moderna. Arme Länder, die sich schlichtweg die Impfstoffe nicht leisten können und daher auf Spenden angewiesen sind. Und zuletzt jene Länder, die Impfstoff aus China genommen haben und damit zwar hohe Impfquoten haben, aber nur teilweise geschützt sind.

Otgonjargal Baatar, ein 31 Jahre alter Bergarbeiter aus dem Impf-Vorreiterland Mongolei, erlebte die Nützlichkeit der Impfstoffe aus China am eigenen Leib, wie er der New York Times berichtet. Einen Monat nach seiner zweiten Impfdosis erkrankte er an Covid-19 und verbrachte neun Tage im Krankenhaus in Ulaanbaatar. „Wir waren überzeugt, dass wenn wir geimpft werden, der Sommer frei von Corona wäre“, sagt Baatar. „Und nun sieht es so aus, als wäre das falsch!“

China: Probleme mit den eigenen Corona-Impfstoffen gibt es nicht

Chinas Regierung will von Problemen nichts wissen. Eine Verbindung zwischen den Ausbrüchen in den Ländern und den chinesischen Impfstoffen gebe es nicht, so heißt es in einem Statement. Die WHO sage, so das Statement, das die Ausbrüche auf niedrige Impfraten zurückzuführen seien und diese Länder weiter Einschränkungen durchführen müssen. Wie diese Aussage mit dem offiziell am meisten geimpften Land der Welt, den Seychellen, unter einen Hut zu bringen ist, ist unklar.

„Untersuchungen und Daten zeigen, dass viele Länder die Impfstoffe aus China nutzen von deren Wirksamkeit überzeugt sind und die Vakzine eine gute Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie spielen“, so das chinesische Außenministerium. Außerdem seien die Vakzine dafür gemacht, schwere Erkrankungen zu verhindern, nicht unbedingt Übertragungen. Bereits in der Vergangenheit hatte ein chinesischer Behördenvertreter den Impfstoffen eine niedrige Wirksamkeit bescheinigt – bevor er zurückrudern musste. China hatte sogar eine gezielte Desinformationskampagne gegen Biontech/Pfizer versucht.

Corona: Impfstoff-Hersteller aus China schweigen

Die meisten anderen Impfstoffe verhindern jedoch sowohl schwere Erkrankungen, als auch Übertragungen. Bei Biontech/Pfizer und Moderna liegen die Chancen der Verhinderung einer Übertragung bei 90 Prozent, bei Astrazeneca und Johnson&Johnson sind es etwa 70 Prozent. Bei Sinopharm sollen es 78,1 Prozent sein, bei Sinovac etwa 51 Prozent. Die chinesischen Impfstoffhersteller geben jedoch wenig Einblick dazu, wie genau ihre Impfstoffe wirken. Bei einer Recherche der New York Times antwortete keiner der großen Impfstoffhersteller, Sinovac und Sinopharm, auf Anfragen.

Trotzdem herrscht in den meisten Ländern offiziell noch großes Vertrauen in den Impfstoff aus China. Und dies trotz teilweise vervierfachender Neuinfektionen innerhalb eines Monats. Batbayar Ochirbat vom mongolischen Gesundheitsministerium sagte etwa der New York Times, dass der Impfstoff aus China die Sterblichkeitsrate niedrig gehalten habe. Daten würden außerdem zeigen, dass der Impfstoff effektiver sei als Alternativen wie Sputnik V aus Russland oder auch Astrazeneca.

Mongolei zu hohen Corona-Fallzahlen: „Wir haben einfach zu früh gefeiert“

Den Grund für die explodierenden Corona-Zahlen vermutet er anderswo: „Ich glaube man könnte sagen, dass wir Mongolen zu früh gefeiert haben“, sagte Ochirbat. Zu früh sei gelockert worden. Viele Leute glaubten außerdem, bereits nach einer Dosis geschützt zu sein. Es seien aber wie bei den westlichen Impfstoffen zwei Dosen nötig. „Es gab zu viel Selbstvertrauen“.

Andere Wissenschaftler haben da weniger Vertrauen. Nikolai Petrovsky, Professor für Medizin an der Flinders Universität Australien vermutet laut der New York Times, dass es naheliegend sei, dass Sinopharm die Übertragung kaum verhindere. Eine große Gefahr sei, dass Geimpfte sich mit dem Virus infizieren, keine Symptome zeigen und dieses dann unter ungeimpften Personen verbreiten. In Indonesien infizierten sich jüngst 350 Ärzte und Pfleger mit dem Coronavirus, obwohl sie vollständig mit Sinovac geimpft waren. 61 Ärzte starben seit Anfang Februar an dem Virus, 10 hatten den „vollen Impfschutz“ des Vakzins.

In Bahrain gibt es für Sinopharm-Geimpfte eine dritte Booster-Impfung

In Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die als Erstes den Impfstoff Sinopharm zuließen, gibt es ebenfalls Berichte über vollständig geimpfte Personen, die an dem Virus erkranken. Ein Sprecher des Königshauses von Bahrain sagte jedoch man sei mit der Impfkampagne zufrieden. Trotzdem wurde im vergangenen Monat angekündigt, dass eine dritte „Booster“-Impfung angeboten werde. Entweder Sinopharm – oder Biontech/Pfizer.

Dass China Fehler bei den Impfstoffen zugeben könnte, ist wohl auszuschließen. Schließlich hatte sich das Land damit gebrüstet, an mehr als 90 Länder den Impfstoff ausgegeben zu haben und sich als Weltretter inszeniert. Die Folgen könnten über Jahre spürbar sein: Einschränkungen könnten noch lange bleiben, die Wirtschaft weiter heruntergefahren werden. Am Ende könnte es nur eine Möglichkeit geben: Eine weitere Impfkampagne mit effektiven Vakzinen. Ob die Bevölkerung dieser Länder dies jedoch nach dem verspielten Vertrauen bei den chinesischen Impfstoffen noch einmal mitmachen wird, bleibt abzuwarten. (Alexander Seipp)

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