Serienmarathon

Binge Watching: Studien zeigen, wie ungesund ein Serienmarathon wirklich ist

"Binge Watching" beschreibt das Schauen gleich mehrerer Folgen einer Serie am Stück – und wenn wir ehrlich sind: Das haben wir alle schon mal gemacht. Studien zeigen allerdings, wie ungesund ein Serienmarathon wirklich sein kann. 
Binge Watching Studien zeigen wie ungesund ein Serienmarathon wirklich ist
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Warum Binge Watching durchaus gefährlich sein kann

Von “Binge Watching" oder “Bingen” spricht man, wenn das man gleich mehrerer Folgen einer Serie am Stück sich anschaut. Auf Deutsch bedeutet das so viel wie ‘Serienmarathon’ oder ‘Komaglotzen’. Während man früher noch ungeduldig auf das Erscheinen der neuesten Folge der Lieblingsserie im Fernsehen warten musste, sind heute dank der Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime gleich mehrere Staffeln einer Serie auf Abruf verfügbar. Da man nun selbst entscheiden kann, wie lange man eine Serie wann und wo schaut, ist Binge Watching für viele zur Norm geworden. (Unsre Empfehlung zum Binge Watchen: 5 japanische Serien auf Netflix, die Sie kennen sollten)

Was zunächst jedoch bequem und harmlos scheint, kann negative Auswirkungen auf unseren Körper und auf unsere Psyche haben. 

Binge Watching: Ein mitterlweile weit verbreitetes Phänomen 

Sie können sich einfach nicht von dem spannenden Geschehen auf dem Bildschirm lösen? Sie möchten noch die eine Folge gucken, damit Sie die Staffel beenden können, bevor Sie schlafen gehen? Damit sind Sie nicht allein. Eine repräsentative Umfrage der Zeitschrift ‘TV Digital’ aus dem Jahr 2020 ergab, dass unter den 14- bis 29-Jährigen nahezu 80 Prozent bevorzugen, auf alle Folgen einer Serie gleichzeitig zugreifen zu können, statt in periodischen Abständen auf neue Erscheinungen warten zu müssen. 

Eine Umfrage des Streaming-Dienstes Netflix ergab zudem, dass die meisten Zuschauer mit Staffel-starken Serien wie ‘Breaking Bad’, ‘Orange is the new Black’, ‘Narcos’, ‘Tote Mädchen lügen nicht’ als auch ‘Walking Dead’ und ‘House of Cards’ mit dem Binge Watching beginnen. (Auch interessant: Netflix führt ein neues Feature ein – und es könnte eines der größten Streaming-Probleme lösen.) 

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Warum fällt es uns so schwer, mit dem Binge Watching aufzuhören?

Doch das Phänomen des Binge Watchings hängt nicht alleine mit der ständigen Verfügbarkeit der Serien zusammen. Dieses Verhalten wird auch durch verschiedene Funktionen der Streaming-Plattformen begünstigt. Die “Nächste Folge” wird ganz automatisch abgespielt, das Intro lässt sich überspringen und die fehlenden Werbeunterbrechungen sorgen dafür, dass man sich ohne äußere Ablenkungen bewusst dafür entscheiden muss, eine Serie abzubrechen. Doch da viele Folgen mit einem Cliffhanger enden, dürfte das den meisten Zuschauern schwerfallen. 

Diese neue Form des Serien-Konsums wurde in gleich mehreren Studien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass regelmäßige Serienmarathons negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben können. 

Gesundheitliche Gefahren: Binge Watching verursacht Schlafstörungen 

Sie haben sich in die Story vertieft und folgen dem Geschehen auf dem Bildschirm mit voller Konzentration. Plötzlich wird der Abspann eingeblendet und auf dem Bildschirmrand unten rechts zeigt sich das bereits bekannte und verlockende Kästchen mit der Aufschrift ‘Nächste Folge’. Ihr Blick fällt auf die Uhr, es ist bereits nach elf und Sie müssen morgen früh raus… 

Ihnen bleiben genau fünfzehn Sekunden, um zu intervenieren. Denn dann spielen Netflix, Amazon Prime, aber auch Plattformen wie YouTube die nächste Folge oder das nächste Video ab. “Eine noch,” denken sich dann viele Zuschauer und schauen bis spät in die Nacht auf den flimmernden Bildschirm. (Lesen Sie auch: 3 Fehler, die Sie im Umgang mit gefährlichem Blaulicht vermeiden sollten). 

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Dies ist mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen, dessen Folgen Forschende untersucht und in dem amerikanischen Fachmagazin Journal of Clinical Sleep Medicine veröffentlicht haben. Für diese Studie wurden Personen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu ihrem Serien-Konsum befragt.  Mehr als 80 Prozent der Befragten bezeichneten sich selbst als “Binge Watcher”, indem sie bekannten, drei bis vier Mal in der Woche gleich mehrere Episoden einer Serie am Stück zu schauen. 

Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass diese Binge-Watcher deutlich häufiger an Schlafstörungen, Erschöpfung sowie Schlaflosigkeit leiden. Dies wird mit der Erregung verbunden, die beim Schauen einer spannenden Serie ausgelöst wird. Wenn man nach einer fesselnden Episode ins Bett geht, können die Charaktere und ihre Handlungen einen tatsächlich bis in den Schlaf verfolgen. (Auch interessant: 7 Tipps für einen erholsamen Schlaf.)

Serienmarathon führt zu Bewegungsmangel 

Wenn wir bis in die Nacht vor dem Bildschirm sitzen, sorgt das nicht nur für trockene Augen und einen unruhigen Schlaf – sondern auch für Bewegungsmangel. Wer nach dem Feierabend gleich mehrere Stunden vor dem Monitor verbringt, tut dies meist sitzend oder liegend in nur leicht veränderten Positionen. 

Eine Studie aus dem Jahr 2019 fand heraus, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen “inaktivem” und “aktivem” Sitzen gibt. Während man bei der Arbeit vor dem Schreibtisch “aktiv” sitzt, handelt es sich beim Fernsehschauen um “inaktives Sitzen”. Das im Journal of the American Heart Association veröffentlichte Paper zeigt, dass langes und regelmäßiges inaktives Sitzen einen Herzinfarkt oder Schlaganfall begünstigen kann.

Binge Watching: Serien werden weniger genossen 

Sie möchten unbedingt erfahren, wie es weitergeht, überspringen das Intro und die letzten Sekunden, um Zeit zu sparen und weiterschauen zu können? Eine im First Monday Journal veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass Binge-Watcher die Serie weniger genießen als Zuschauer, die nicht gleich mehrere Folgen am Stück schauen.  

Hinzu kommt, dass viele bei einem ungeplanten Serienmarathon Schuldgefühle entwickeln, weil sie gerade diese Serie schauen und andere Aufgaben aufschieben. Auch diese Emotionen hindern einen daran, das Geschehen auf dem Bildschirm wirklich zu genießen. Zudem fanden die Forschenden heraus, dass Binge Watching dazu führt, dass man sich später nicht so gut an die Details der Serie erinnern kann. Während Namen und Handlungen zwar direkt nach dem Schauen präsent sind, werden sie nicht ins Langzeitgedächtnis aufgenommen.

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Serien als Realitätsflucht und Verdrängung 

Nach einem langen Arbeitstag im Sofa versinken und alles andere um sich herum vergessen: Für die meisten ist das Schauen von Serien nicht nur Unterhaltung, sondern auch Realitätsflucht, mit der sich die eigenen Probleme und Gedanken verdrängen lassen. Besonders in Corona-Zeiten, in denen andere Aktivitäten begrenzt sind, suchen viele die Ablenkung auf dem Bildschirm. Bei einer Umfrage von Netflix gaben 76 Prozent der Teilnehmenden an, dass ein Serienmarathon für sie ein Zufluchtsort sei. 

Tatsächlich lenken die verschiedenen Charaktere und ihre Geschichten uns ab, nehmen uns sogar den Stress, dem wir den Tag über ausgesetzt sind. Allerdings ist dieser Stressabbau nur temporär. In einer Studie der University of Toledo gaben 142 von 408 Teilnehmenden an, Binge-Watcher zu sein. In dieser Gruppe traten deutlich häufiger Stress, Angstzustände und Depressionen auf als bei den restlichen Teilnehmenden. Denn wenn man alleine stundenlang Serien schaut und dadurch den Kontakt zu anderen reduziert, kann dies schnell zu sozialer Isolation führen. (Lesen Sie auch: 7 Tipps, mit denen Sie psychisch und physisch fit bleiben)

So lässt sich Binge Watching reduzieren 

Wer das Binge Watching reduzieren möchte, kann zunächst bei Streaming-Anbietern wie Netflix das automatische Abspielen der nächsten Folge deaktivieren. Dies sorgt dafür, dass Sie nicht passiv eine Folge nach der anderen konsumieren. Stattdessen müssen Sie sich ganz bewusst dafür entscheiden, eine weitere Folge anzuklicken. Dieser Schritt kann bereits dazu führen, dass Sie der Dauerschleife leichter entkommen können. 

Zudem lässt sich die Gefahr der sozialen Isolation durch stundenlanges Binge Watching reduzieren, indem Sie sich mit Freunden zum gemeinsamen Schauen verabreden. Dafür müssen Sie nicht in einem Raum sein. Sie können mit Ihren Freunden einen Video-Anruf starten und gleichzeitig eine Serie gucken –  oder mit dem Feature ‘Netflix Party’ gleich mit mehreren Freunden einen Film anschauen und sich dabei auch darüber austauschen. Wenn Sie lieber alleine schauen, können Sie sich zudem einen Wecker stellen. Wenn dieser klingelt, wissen Sie dann, dass Ihre eigens bestimmte Sendezeit für heute vorbei ist.