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Blütezeit ist vorbei: Wehlheider Blumenladen schließt nach 211 Jahren

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Die Felder der Bodes: Wo heute Wohnhäuser in Wehlheiden stehen, wurden früher Sommerblumen und Tulpen gezüchtet.
Die Felder der Bodes: Wo heute Wohnhäuser in Wehlheiden stehen, wurden früher Sommerblumen und Tulpen gezüchtet. © -

Wehlheiden. Nach 211 Jahren schließt ein Familienbetrieb in Wehlheiden: Ab Ende Mai wird Karl Bode nur noch seine Friedhofsgärtnerei betreiben.

„Es ist nicht einfach“, sagt Karl Bode, der in dieser Woche seinen 50. Geburtstag gefeiert hat. Die Entscheidung, den Blumenladen, den seine Familie seit 211 Jahren betrieben hat, Ende Mai zu schließen, sei ihm nicht leicht gefallen.

„Wir haben seit acht Jahren gekämpft, zwei Unternehmensberater beschäftigt, die alles umstrukturiert haben.“ Das habe alles nichts gebracht. „Nachdem ich die Zahlen auf den Tisch gelegt habe, musste ich feststellen, es funktioniert nicht mehr“, sagt Bode. Zumal seine Söhne im Alter von 21 und 23 Jahren kein Interesse daran hätten, ins Blumengeschäft einzusteigen. Bode und seine Mitarbeiterinnen werden künftig aber die Friedhofsgärtnerei weiterführen. Etwa 750 Gräber werden von ihnen gepflegt.

Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen: Karl Bode schließt den Blumenladen seiner Familie. 	Foto:  Koch
Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen: Karl Bode schließt den Blumenladen seiner Familie. Foto:  Koch © -

Bode sucht noch einen neuen Mieter für die Geschäftsräume am Wehlheider Kreuz. „Ich weiß schon, dass damit ein Stückchen Wehlheiden verloren geht“, sagt Bode, der das Geschäft 1988 direkt nach seiner Ausbildung zum Floristen übernahm. Ein Geschäft mit Tradition, das er in der siebten Generation führte. Es ist durchaus möglich, dass Goethe oder die Brüder Grimm hier bereits Blumen kauften. Denn 1806 – das war das Jahr, in dem die napoleonischen Truppen Kassel besetzten und Kurfürst Wilhelm I. floh  – eröffnete Gärtnermeister Johann Georg Bode das Blumenhaus Bode am Frankfurter Tor in Wehlheiden. Seitdem wurde das Geschäft von Generation zu Generation der Familie Bode weitergegeben.

Karl Bode kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als sein Großvater Hermann die Gärtnerei führte. Damals seien rundherum noch überall Felder mit Blumen gewesen, alles war weitläufig. „Ich konnte als Kind hier noch spielen, ohne über den Haufen gefahren zu werden.“

Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen: Karl Bode schließt den Blumenladen seiner Familie. 	Foto:  Koch
Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen: Karl Bode schließt den Blumenladen seiner Familie. Foto:  Koch © -

Wo heute in Wehlheiden in Richtung Belgische Siedlung Mehrfamilienhäuser stehen, hatten die Bodes einst Felder voller Tulpen und Sommerblumen. Im Lauf der Jahre wurde das immer weniger. Sein Vater Walter habe noch Kakteen und Orchideen in den Gewächshäusern gezüchtet. Bis vor 20 Jahren züchtete Karl Bode selbst noch Alpenveilchen, Stiefmütterchen und Primeln. Danach ließ er sich die Ware anliefern.

Bis vor etwa acht Jahren habe er jeden Abend zehn Container mit Balkonpflanzen geliefert bekommen. „Heute bekomme ich noch einen Container in der Woche“, sagt er. Die Konkurrenz der Gartenmärkte sei zu groß geworden. „Blumen bekommen Sie doch mittlerweile an jeder Tankstelle und in jedem Supermarkt.“ Viele Menschen kauften lieber zehn Rosen für 1,99 Euro beim Discounter als für zehn Euro bei ihm. „Zu uns sind die Kunden gekommen, wenn sie etwas Besonderes wollten.“ Das reiche aber nicht zum Überleben.

Eins wird sich aber nicht ändern: Auch wenn Bode nur noch die Friedhofsgärtnerei betreibt, wird er weiterhin mit seinem Traktor am Umzug der Wehlheider Kirmes teilnehmen. (use)

Erinnerungen an die Kindheit in Wehlheiden von Peter Fritschler

Kindheit in Wehlheiden, das hieß für mich auch Kindheit in der Nähe der Gärtnerei Bode. Damals gab es die heutige Tischbeinstraße noch nicht. Das Schlaglochidyll, das zwischen Trümmergrundstücken vom heutigen Wehlheider Kreuz bis zur Kantstraße führte, hieß Domänenweg. Am oberen Ende war die Gaststätte von Fritz Löser (heute El Gitano), der ging zur Gaudi der Kinder am Sonntag mit seinem zahmen Wildschwein spazieren. Ein Stückchen weiter unter der Gaststätte folgte die Gärtnerei Bode mit der damaligen Adresse Domänenweg 2.

Peter und Bärbel Fritschler, 1954 vor der Gärtnerei Bode in Wehlheiden, Foto: Privat (nh)
Erinnerung an die Kindheit in Wehlheiden: Der frühere HNA-Redakteur Peter Fritschler wuchs mit seiner Schwester Bärbel in Nachbarschaft der Gärtnerei Bode auf. 1954 hieß die Straße noch Domänenweg, hinten links die frühere Gaststätte Löser. © Privat

Der Domänenweg war in den 50er-Jahren so etwas wie eine Spielstraße für uns Kinder. Autos waren selten in Sicht, und kam mal eines – meist ein dreirädriges – dann fuhr es langsam. So wundert es nicht, dass der unten im Bild festgehaltene Osterspaziergang 1954 mitten auf dem Domänenweg stattfand. Selbst Fußball konnte man dort spielen, denn bis zur „Sülze“ im Dunstkreis des Zuchthauses war es doch mächtig weit.

Gestört hat man dort eigentlich niemanden. Und die alten Bodes, Sophie und Hermann, waren kinderfreundlich. Das belegt auch eine Erinnerung, die fest zur Kindheit in Wehlheiden gehört. Meine kleine Schwester war manchmal am Abend nur schwer ins Bett zu bekommen. Und wenn meine Mutter ihr sagte, die Nachteulen würden gleich kommen, dann ging meine Schwester Bärbel auf den Balkon im zweiten Stockwerk des Hauses Kantstraße 8, mit Blickrichtung auf die Gärtnerei Bode. Und sie rief „Nachteule, komm mal.“ Es war dann Hermann Bode, der mit „huhu, huhu, huhu“ antwortete, meine Schwester damit quasi ins Bett schickte.

Der Blick vom Balkon Richtung Domänenweg, über die große Wäschebleiche hinter unserem Haus, war besonders in der Zeit schön, in der die Blumen auf den Feldern der Gärtnerei blühten. Die heutigen Häuser an der Wiesenstraße standen damals noch nicht.

Der Domänenweg taucht 1964 zum letzten Mal im Kasseler Adressbuch auf. Erst wurde er ausgebaut, verbreitert, dann verschwand die Senke vor der Kleinen Weide, dann der Name Domänenweg, und die Tischbeinstraße ging durch bis zum Wehlheider Kreuz. Die Kantstraße, die vorher bis zum Café Ruf an der Ecke zur Hellmut-von-Gerlach-Straße führte, endete an der Tischbeinstraße. Und die Gärtnerei Bode bekam die Adresse Tischbeinstraße 135. 

Zur Person: Peter Fritschler

Peter Fritschler ist in Kassel geboren und in der Kantstraße in Wehlheiden aufgewachsen. Nach kaufmännischer Lehre, Dienstzeit beim BGS, Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und Studium war er in der Sportredaktion der HNA. Verheiratet, lebt in Harleshausen, als Rentner weiter journalistisch unterwegs.

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