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Russland Eine Million für Jelzin?

Eine Schweizer Baufirma, die den Kreml teuer sanierte, Kreditkarten und Urlaubsgeld für die Familie Jelzin und ein rachedurstiger russischer Chefankläger - aus diesen Zutaten entsteht jetzt der Verdacht, der russische Präsident sei direkt bestochen worden.

Bern/Moskau - Erstmals ist der russische Präsident Boris Jelzin direkt in Verdacht geraten, in einen Schmiergeldskandal in Millionenhöhe verwickelt zu sein. Dabei geht es um angebliche Bestechungsgelder der Schweizer Baufirma Mabetex. Die Tessiner Staatsanwaltschaft habe bestätigt, dass Schmiergelder nicht nur an enge Vertraute Jelzins, sondern auch an den Staatschef selbst geflossen seien, berichtete der Schweizer Radiosender DRS am Donnerstag.

Nach bisher unbestätigten Berichten soll Jelzin bis zu einer Million US-Dollar von Mabetex bekommen haben, die Groß-Aufträge in Höhe von 335 Millionen Dollar für Renovierungen im Kreml und in Regierungsgebäuden erhalten hatte.

Der Kreml trat den Berichten über die Jelzin-Familie entgegen. "Der russische Präsident, seine Frau und seine Kinder haben niemals Konten in ausländischen Banken eröffnet", sagte ein Sprecher des Pressedienstes des Präsidenten. Die Einkommen der Familienmitglieder seien offiziell und gesetzesmäßig deklariert. Der Kreml brachte die Berichte mit der "Verschärfung des Wahlkampfes" in Russland in Verbindung.

Der Mabetex-Chef Behgjet Pacolli wies die Vorwürfe zurück. Das sei ein weiterer Versuch, Jelzin und die Kreml-Verwaltung in Verruf zu bringen, sagte Pacolli in einem Interview der russischen Zeitung "Sewodnja" (Donnerstagsausgabe).

Im Zentrum der Affäre stehen drei Kreditkarten, die auf den Namen Jelzins und seiner Töchter Tatjana Djatschenko und Jelena Okulowa ausgestellt sein sollen. Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" hatte am Mittwoch berichtet, in einem Tresor der Schweizer Staatsanwaltschaft würden belastende Dokumente aufbewahrt, die Jelzin und seine Töchter mit den Aktivitäten des Kosovo-Albaners Pacolli in Verbindung brächten.

Dabei gehe es um den Bauauftrag für die Restaurierung der Prachtsäle des Kremls und die Kreditkarten, deren Rechnungen Pacolli beglichen habe. Jelzin selber scheine die Kreditkarten Pacollis aber nicht benutzt zu haben.

Bei einer anderen Angelegenheit habe der Unternehmer eine Million Dollar "Taschengeld" auf eine ungarische Bank zu Gunsten der Familie Jelzin überwiesen, schrieb die Zeitung weiter. Jelzin hatte 1994 Ungarn besucht. Unklar war, ob von dem Geld Gebrauch gemacht wurde.

Die Bauaufträge hatte Pawel Borodin, Chef der Abteilung für Immobilien und Dienstleistungsbetriebe des Kremls, vergeben. Gegen ihn hat die Schweizer Staatsanwaltschaft bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Borodin wies am Donnerstag erneut die Vorwürfe gegen ihn als "Schwachsinn" zurück. Er sei in keine kommerziellen Geschäfte im Ausland verwickelt, sagte er der Nachrichtenagentur Interfax.

Die Schweizer Justiz hatte im Juli mehrere Banken gleichzeitig aufgefordert, mögliche Konten Borodins in der Schweiz zu sperren. Auch die Vermögenswerte von 22 Verwandten und Mitarbeitern Borodins, der als Vertrauter Jelzins gilt, wurden eingefroren.

Gegen Mitarbeiter von Mabetex ermitteln die Schweizer bereits seit längerer Zeit auf Grund eines Rechtshilfe-Ersuchens der russischen Generalstaatsanwaltschaft. Die Ermittlungen im Fall Mabetex hatte der umstrittene russische Chefankläger Juri Skuratow betrieben, den Jelzin nach einem Sex-Skandal vom Dienst suspendiert hat.

Im März hatte Skuratow die damalige Schweizer Bundesanwältin Carla del Ponte in Moskau zu Gesprächen über illegale Transfers von Geldern aus Russland in die Schweiz getroffen. Skuratow hatte damals gesagt, er werde wegen der Ermittlungen im Mabetex-Fall erpresst.