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Kostspieliger Genuss "Die Kaffeepreise werden dramatisch weiter steigen"

Wegen Problemen in den Anbieterländern steigen seit mehr als einem Jahr die Kaffeepreise. Genießer des Heißgetränks müssen sich auf Schlimmeres gefasst machen - Kaffee kann noch deutlich teurer werden.
Kaffeeernte in Kolumbien: Viele Farmer agieren angesichts niedriger Abnehmerpreise ständig in Existenznot

Kaffeeernte in Kolumbien: Viele Farmer agieren angesichts niedriger Abnehmerpreise ständig in Existenznot

Foto: JOSE MIGUEL GOMEZ/ REUTERS

Schlechte Nachrichten für Kaffeetrinker: Die Preise des koffeinhaltigen Heißgetränks haben in den vergangenen Monaten bereits kräftig angezogen – und Experten zufolge dürfte es auch künftig weiter aufwärtsgehen. Ein Grund dafür liegt auf der Angebotsseite: Mit dem Klimawandel droht es in vielen Ländern immer häufiger zu Ernteausfällen zu kommen. Ein anderer Grund ist die zunehmende Nachfrage: Weltweit, insbesondere in Schwellenländern, steigt der Kaffeekonsum. Aus beidem folgt nach den Gesetzen des Marktes: Mit dem Preisniveau im Kaffeegeschäft geht es wohl weiter aufwärts.

Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits vor vielen Monaten begann. Seit seinem zwischenzeitlichen Tiefpunkt vor gut zwei Jahren befindet sich der Kaffeemarkt – wie vom manager magazin seinerzeit bereits in Aussicht gestellt – in der Aufwärtsbewegung. Allein im laufenden Jahr sind die Preise nach Angaben der International Coffee Organisation (ICO)  bereits um mehr als 50 Prozent gestiegen. An der Rohstoffbörse in New York  wird ein Pfund Kaffee der Sorte "Arabica" inzwischen für mehr als zwei US-Dollar gehandelt. Vor zwei Jahren lag der Preis noch bei etwas mehr als 1,20 US-Dollar pro Pfund.

Gründe für den jüngsten Anstieg der Kaffeepreise gibt es verschiedene: In Brasilien, weltweit mit Abstand größter Produzent und Exporteur von Kaffee, beeinträchtigten extreme Wetterausschläge den Ernteertrag. Zunächst machte den Kaffeefarmern eine Dürreperiode zu schaffen, dann folgte unerwarteter Frost und Schneefall. In Vietnam, das sich in den vergangenen Jahren auf Platz zwei im weltweiten Erzeugerranking etabliert hat, ist es vor allem die Corona-Krise, die das Geschäft belastet. Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich in Südostasien rasant aus: Der Hafen von Ho-Chi-Minh-Stadt, eines der wichtigsten Drehkreuze weltweit für Kaffeebohnen, wird durch Lockdowns und Container-Knappheit derzeit in seinem Betrieb deutlich eingeschränkt.

Lockdowns im Kaffee-Hub Vietnam

In Kolumbien, dem drittgrößten Anbieter von Kaffee auf dem Weltmarkt, stören politische Unruhen das Bohnengeschäft. Und als wäre das alles noch nicht genug, befinden sich die weltweite Schifffahrt sowie weitere Teile der Handelslogistik seit Monaten in einer Kapazitätskrise, in der die Frachtkosten rasant nach oben geschossen sind – diese Verteuerung treibt die Kaffeepreise zusätzlich in die Höhe.

Das kommt auch bei den deutschen Verbrauchern an. Der Kaffeeriese Tchibo, Marktführer und Taktgeber für die Branche hierzulande, zog im Sommer dieses Jahres seine Preise an – erstmals seit vier Jahren, während derer es mit den Preisen wiederholt abwärts gegangen war. Je nach Sorte und Herkunftsland schraubte Tchibo seine Preise im Juni um 50 Cents bis einen Euro pro Pfund nach oben, was prozentual zum Teil einen erheblichen Sprung bedeutete. So war ein Pfund des beliebten Filterkaffees "Feine Milde" fortan für beachtliche 5,69 Euro zu bekommen, so die Mitteilung von Tchibo. Andere Anbieter taten es der Branchengröße aus Hamburg gleich.

Kaum vorstellbar, dass sich die Deutschen dadurch den Kaffeegenuss nehmen lassen. Schon die Einschränkungen der Corona-Krise, während derer die Gastronomie bekanntlich lange Zeit geschlossen bleiben musste, ließen den Kaffeekonsum hierzulande nicht zurückgehen. Im Gegenteil: Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes stieg der Konsum im Jahr 2020 unter dem Strich um 11 Prozent. Zwar konnten die Kunden weniger Kaffee in Restaurants und Cafés trinken, so der Verband. Dafür zog aber der Verbrauch in den eigenen vier Wänden an.

Klimawandel treibt Kaffeepreise

Zu ihrer Erwartung in Bezug auf die weitere Preisentwicklung wollten sich Marktteilnehmer wie Tchibo oder die Supermarktketten Rewe sowie Edeka auf Anfrage nicht äußern. Es spricht jedoch einiges dafür, dass sich Kaffeefreunde auch künftig auf weiter steigende Preise einstellen müssen. "Kaffee ist zwar zuletzt teurer geworden, im Grunde ist er aber nach wie vor zu billig", sagt Steffen Schwarz, Chef des Schulungs- und Forschungszentrums Coffee Consulate in Mannheim und erfahrener Kenner des Metiers. Er ist sich sicher: "Die Kaffeepreise werden weiter dramatisch steigen."

Als Grund nennt Schwarz vor allem die eingangs erwähnten Folgen des Klimawandels. In Indien, einem der zehn größten Anbieterländer, so sagt er, seien aufgrund geänderter Wettereinflüsse bereits seit einigen Jahren regelmäßig Ernteeinbußen von 30 bis 70 Prozent zu beklagen. Die Wetterkapriolen, die zuletzt in Brasilien zu beobachten waren, passen ebenfalls in diesen Kontext.

Auf der anderen Seite so Schwarz, steige weltweit die Kaffeenachfrage kontinuierlich an. Vor allem in Schwellenländern nehme mit dem Wohlstand auch der Kaffeekonsum zu. Zwar werden die USA in Statistiken oft als größter Kaffeeverbraucher der Welt genannt. Tatsächlich heiße die heimliche Nummer eins aber längst Brasilien, so Schwarz. "Die Brasilianer sind der größte Kaffeeproduzent und trinken längst die Hälfte ihrer Produktion selbst", sagt er.

Für den Experten gibt es daher nur eine logische Konsequenz: Der Kaffeepreis wird weiter steigen. Schwarz betont allerdings auch, dass der Preis ohnehin seit Jahren viel zu niedrig sei. Der Großteil der Kaffeefarmer in Ländern wie Brasilien, Vietnam, Kolumbien oder Indien könnten selbst beim inzwischen wieder erreichten Preisniveau nicht ihre Kosten decken. "Das funktioniert nur, weil vielfach Familienmitglieder ohne Lohn mit anpacken, und weil viele dieser Betriebe gar nicht in der Lage sind, eine korrekte Kostenrechnung aufzustellen."

Bekämen die Farmer nur 30 Cent pro Kilo Kaffee mehr, so wären damit bereits viele Probleme gelöst, sagt Schwarz. Doch diese 30 Cent plus gibt der Weltmarkt bislang nicht her – auch nicht nach dem Preisanstieg der vergangenen Monate.

cr