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Skandal sprengt Österreichs Regierung Welche Rolle Österreichs Milliardäre in der Ibiza-Affäre spielen

Von Wilfried Eckl-Dorna
Österreichs Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz Christian Strache

Österreichs Ex-FPÖ-Chef und -Vizekanzler Heinz Christian Strache

Foto: Hans Klaus Techt/ APA/ DPA

Ein Video hat Österreichs Regierung gesprengt: Es zeigt Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ, wie er vor der Nationalratswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte öffentliche Aufträge in Aussicht stellt.

Strache ist zurückgetreten, Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP hat die Koalition mit seinem bisherigen Regierungspartner FPÖ aufgekündigt. Neuwahlen sollen im September stattfinden.

Kern der Bestechlichkeits-Vorwürfe gegen Strache sind seine Aussagen zu möglicher Einflussnahme im Wirtschaftsleben des Alpenlandes. Dabei prahlt Strache auch mit Verbindungen zu Österreichs Superreichen. mm.de dokumentiert, wer die Milliardäre sind, wo sie politisch stehen - und welche Verbindungen sie zur Politik pflegen.

Gaston Glock: Der Waffen-Milliardär

Waffen-Unternehmer Gaston Glock

Waffen-Unternehmer Gaston Glock

Foto: SKATA / IMAGO

Gaston Glock ist Gründer und Mehrheitseigner des gleichnamigen österreichischen Waffenherstellers. Seinen Reichtum verdankt er der von ihm entwickelten selbstladenden Glock-Pistole. "Forbes" schätzt sein Vermögen auf 1,1 Milliarden Dollar, das österreichische Wirtschafts-Monatsmagazin "trend" auf 1,3 Milliarden Euro.

Der 89-jährige Glock gilt seit Jahrzehnten als wichtiger FPÖ-Finanzier. Er lebt in Kärnten, dem Bundesland, in dem Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider lange Landeshauptmann war. In dem Video nennt Strache Glock als einen von zehn potenziellen FPÖ-Großspendern, die angeblich verdeckt die rechtspopulistische Partei finanzieren - indem sie an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Auf Anfrage des SPIEGEL teilte Glock mit, niemals direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben.

Wie österreichische Medien berichten, gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass in dem vom bisherigen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ausgearbeiteten Waffengesetz Bestimmungen enthalten sind, die Glock begünstigen. Glocks zweite Ehefrau Kathrin veranstaltet regelmäßig das Pferdesport-Event Horses and Stars, bei dem hohe FPÖ-Vertreter Stammgäste sind. Und: Kathrin Glock sitzt seit kurzem im Aufsichtsrat der Luftfahrtbehörde Austro Control. Ihre Qualifikation dafür: Sie ist seit eineinhalb Jahren Chefin von Glock Aviation, die Privatjets vermietet.

Heidi Goëss-Horten: Österreichs reichste Erbin

Kaufhaus-Erbin Heidi Goëss-Horten

Kaufhaus-Erbin Heidi Goëss-Horten

Foto: imago images/SKATA

In österreichischen Medien wird die 78-jährige gebürtige Wienerin meist als "Kaufhauserbin" bezeichnet. Sie heiratete 1966 den damaligen deutschen Kaufhauskönig Helmut Horten, der ihr 1987 sein gesamtes Vermögen vermachte. "Forbes" sieht Hortens Vermögen bei 3,1 Milliarden Dollar, "trend" bei 2,95 Milliarden Euro. Die Milliardärin sammelt Kunst, ihre Privatsammlung stellte sie vor knapp einem Jahr in einem Wiener Museum zur Schau.

Zudem leistet sich die Erbin ein ziemlich aufwändiges Boot: Horten gehört die Privatyacht "Carinthia VII", die mit 97 Metern Länge zu den 50 längsten Motoryachten der Welt zählt. In dem Video nennt Strache sie ausdrücklich als einen der Spender, die "in der Regel Idealisten seien". "Die wollen Steuersenkung", sagt Strache. Goëss-Hortens Anwälte erklärten auf Anfrage des SPIEGEL, niemals direkt oder indirekt an die FPÖ gespendet zu haben.

René Benko: Immobilien-Kaiser und Kaufhaus-König

Immobilien-, Kaufhaus- und Medienunternehmer René Benko

Immobilien-, Kaufhaus- und Medienunternehmer René Benko

Foto: imago images/GEPA pictures

Der 42-jährige hat sich innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem der reichsten Österreicher emporgearbeitet. Sein Vermögen hat er mit Immobiliendeals gemacht, die von ihm gegründete Signa-Holding ist Österreichs größtes privates Immobilienunternehmen und seit November 2018 Minderheitseigentümer von Österreichs größtem Boulevardblatt "Kronen Zeitung".

Benkos Signa Holding ist längst auch in Deutschland in großem Stil aktiv: Signa besitzt die deutschen Warenhausketten Karstadt und Kaufhof. Sein Vermögen beziffert "Forbes" auf 4,9 Milliarden Dollar, im "trend"-Ranking 2018 kam Benko auf ein Privatvermögen von 3,81 Milliarden Euro.


Mehr dazu in mm premium: Österreichs heimlicher Kaiser - René Benko mischt halb Europa auf 


In dem Video bezeichnet Strache Benko als einen Unterstützer, der angeblich an die konservative ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz und an die FPÖ zahle oder vielleicht zahlen werde. Benkos Anwälte dementierten auf Nachfrage jegliche direkte oder indirekte Zahlungen an Parteien. Gute Verbindungen in die Politik hat Benko aber: Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (von der sozialdemokratischen SPÖ) sitzt im Signa-Beirat, ebenso wie die frühere FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess, die seit 2004 die österreichische Sparkassengruppe Wüstenrot leitet. Auch der frühere ÖVP-Innenminister Ernst Strasser war eine Zeitlang Mitglied des Signa-Gremiums.

Und auch einige seiner jüngsten Deals erscheinen durch das Video in neuem Licht: So erwarb Benko am Weihnachtsabend 2017 kurzerhand den Flagship-Store der österreichischen Möbelkette Leiner. Leiner benötigte damals dringend Geld, um eine drohende Insolvenz abzuwenden. Benkos Stiftung bekam im Eilverfahren den Zuschlag - unter Mithilfe von Bundeskanzler Sebastian Kurz, dem österreichischen Justiz- und Finanzminister. Bei der Eintreibung von Lohnabgaben, so heißt es in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard", soll die Finanzverwaltung ein Auge zugedrückt haben.

Johann Graf, Spielautomaten-Magnat

Zentrale des Glücksspiel-Konzerns Novomatic

Zentrale des Glücksspiel-Konzerns Novomatic

Foto: imago images/Volker Preußer

Der aus einfachen Verhältnissen stammende 62-jährige Unternehmer Johann Graf hat den Glücksspielkonzern Novomatic aufgebaut, der seit 1980 eigene Spielautomaten herstellt - und damit längst unangefochtene Nummer eins in Europa ist. Mit einem Vermögen von 8,1 Milliarden US-Dollar (laut "Forbes") beziehungsweise 6,7 Milliarden Euro (laut "trend") ist Selfmademilliardär Graf der zweitreichste Österreicher.

In Österreich galt Graf bislang als eher apolitisch, wie die meisten Superreichen dürfte er aber durchaus Interesse an niedrigen Steuersätzen haben. Im Video behauptet Strache, dass Novomatic "an alle" Parteien zahlt. Das dementierte Novomatic ausführlich. Der Glücksspielkonzern habe nicht an politische Parteien gespendet, auch nicht über den Umweg etwaiger Vereine, erklärte ein Sprecher.

Allerdings hat Novomatic schon eine ziemlich unschöne Politik-Story hinter sich: Dabei ging es um die Lockerung des Glücksspiel-Monopols, die der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser anstrebte. Das bescherte Grasser, Novomatic-Managern und einem Lobbyisten Ermittlungen wegen Verdachts der Bestechung und der Untreue, die sich über sieben Jahre hinzogen. Vor zwei Jahren verlief das Ganze im Sand, die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.

Dietrich Mateschitz, Dosen-Krösus

Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz

Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz

Foto:

ERWIN SCHERIAU / DPA

Natürlich kommt auch der reichste Österreicher in dem Strache-Video vor: Dietrich Mateschitz, 75, der mit dem Energy Drink "Red Bull" in den letzten 30 Jahren Milliarden verdient hat. Forbes führt ihn mit einem Vermögen von 18,9 Milliarden Dollar aktuell an Platz 53 seiner weltweiten Reichsten-Liste, "trend" taxiert sein Vermögen auf 12,5 Milliarden Euro. Neben seinem Getränke-Imperium samt Fußballclubs und Formel 1-Rennstall investiert Mateschitz auch im Medienbereich. So gehört etwa der TV-Sender "Servus TV" zu seinem "Red Bull Publishing House". Daneben besitzt Mateschitz zahlreiche Luxushotels.

Strache findet in seinem Video nicht nur freundliche Worte für den reichsten Österreicher. Zwar erwägt er in dem Video, den staatliche Rundfunkanstalt ORF teilweise zu privatisieren - etwa zugunsten von Mateschitz. Mateschitz sei "lieb", sagt Strache an anderer Stelle, die Medieninvestitionen des Milliardärs kritisiert Strache aber deutlich: "Der versteht das Geschäft nicht", urteilt der FPÖ-Politiker.

Auch Mateschitz' Anwälte bestreiten, dass Red Bull oder Mateschitz direkt oder indirekt an Parteien Geld gezahlt haben. Vor einigen Monaten fiel Mateschitz selbst in einem Interview mit rechtspopulistischen Äußerungen auf. Ihn störe das "unverzeihliche Ausmaß der politischen Fehleinschätzungen" bei der "Nichtbewältigung der Flüchtlingswelle", gab Mateschitz der "Kleinen Zeitung" zu Protokoll. Bislang galt Matschitz eher als unpolitisch, sein Sender Servus TV setzt in Österreich allerdings stark auf Heimatverbundenheit.

Die Privatstiftung des Dosen-Milliardärs finanziert zudem die Rechercheplattform Addendum, die laut Impressum eine "gemeinsame Faktenbasis für eine qualifizierte politische Debatte" schaffen will. Zum Start gab es Befürchtungen, dass Addendum eine österreichische Version des stramm-rechten US-Portals "Breitbart" werden sollte. Tatsächlich beschäftigt sich die Website häufig mit den Themen Asyl und Migration. Allerdings steht Addendum-Chefredakteur Michael Fleischhacker nicht für rechtslastige Themen, sondern für Qualitätsjournalismus: Fleischhacker war einst Chef der linksliberalen Tageszeitung "Der Standard", wechselte dann auf den Chefredakteursposten der konservativen "Presse" und baute zuletzt den Österreich-Ableger der Schweizer "NZZ" auf.

Die Artikelmischung auf Addendum ist eher bunt - vor Kontroversiellem-boulevardeskem schreckt die Website aber nicht zurück. Am Montag nach dem Rücktritt von Strache versprach die Redaktion in einem Artikel fünf Grafiken, die gegen einen politischen Totalabsturz der FPÖ sprechen.

Hans-Peter Haselsteiner, Baulöwe und FPÖ-Intimfeind

Hans-Peter Haselsteiner, Industrieller und langjähriger Chef des Baukonzerns Strabag

Hans-Peter Haselsteiner, Industrieller und langjähriger Chef des Baukonzerns Strabag

Foto: REUTERS

Einen profilierten FPÖ-Gegner will Strache laut dem Video empfindlich treffen: Den Industriellen Hans-Peter Haselsteiner, lange Zeit Chef des Baukonzerns Strabag. Im Falle einer Regierungsbeteiligung, so fabuliert Strache, "kriegt der Haselsteiner keine Aufträge mehr". Das könne er heute zusagen. Die vermeintliche Oligarchennichte solle einen Baukonzern gründen, dem man dann Bauaufträge zuschanzen werde, schlägt Strache vor.

Der 74-jährige Haselsteiner, ein promovierter Betriebswirt, hat sein Vermögen durch Übernahmen und Zukäufe in der Baubranche gemacht. "trend" schätzt das Vermögen von Haselsteiner und seiner Familie auf 1,92 Milliarden Euro. Seit Jahrzehnten gibt Haselsteiner ein veritables Feindbild für das stramm-rechte FPÖ-Lager ab. Denn er ist bekennender Liberaler - und war selbst auch politisch aktiv.

So unterstützte Haselsteiner jahrelang offen die Partei "Liberales Forum"(LIF), war deren Wirtschaftssprecher und saß als LIF-Abgeordneter im österreichischen Parlament. Den LIF-Nachfolger "Neos" finanziert Haselsteiner mit. Allerdings sagt Haselsteiner selbst auch, dass die Regierungsbeteiligung der FPÖ bei staatlichen Aufträgen für die Strabag "nicht sonderlich spürbar" gewesen sei. In Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge könne man in Österreich nicht so einfach eingreifen.

Trotzdem will Haselsteiner nun sämtliche Aufträge des vergangenen Jahres, die Strabag verloren habe, genau analysieren lassen. Er geht nicht von Unregelmäßigkeiten aus, "muss aber ausschließen können, dass es zu Eingriffen gekommen ist"'. Haselsteiner kontrolliert darüber hinaus den privaten österreichischen Bahnbetreiber "Westbahn", der sich seit längerem mit der staatlichen ÖBB zofft. Hinweise auf eine Benachteiligung der Westbahn unter FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer sehen Insider aber laut der Tageszeitung "Der Standard" nicht.

Heinrich Pecina und Martin Schlaff, Investoren

Investor Heinrich Pecina, Gründer des Investmenthauses Vienna Capital Partners

Investor Heinrich Pecina, Gründer des Investmenthauses Vienna Capital Partners

Foto: Heinz-Peter Bader / REUTERS

Kurze Erwähnungen finden bei Straches Milliardärs-Prahlereien auch die österreichischen Investoren Heinrich Pecina und Martin Schlaff. Pecina habe Ungarns Staatspräsidenten Victor Orban "alle ungarischen Medien der letzten 15 Jahre aufgekauft und für ihn aufbereitet", so Strache. Bei der Funke-Gruppe habe Pecina "die Kontrolle drauf", wirbt er gegenüber der vermeintlichen Oligarchennichte für dessen Fähigkeiten. Sie könne sich ja mit Pecina verbünden und Österreichs Boulevardblatt Kronen-Zeitung kaufen, sinniert Strache. "Dann hast Du alles, dann habt Ihr alles".

Pecina ist Gründer des Investmenthauses Vienna Capital Partners, das stark in Osteuropa aktiv ist. Im "trend"-Ranking der reichsten Österreicher taucht er nicht namentlich auf. Er gilt als wichtiger Drahtzieher im europäischen Gas- und Ölgeschäft und war bis Oktober 2016 an einer regierungskritischen Budapester Tageszeitung beteiligt. Da er nach dem Kauf die Zeitung bald schließen wollte, kassierte er kräftig Kritik. Auf Anfrage erklärte Pecina, er habe nie die Möglichkeit gehabt, die "Kronen-Zeitung" "in welcher Weise auch immer zu kontrollieren oder zu beeinflussen". Die Funke-Unternehmensgruppe erklärt, dass es keine Zusammenarbeit zwischen Funke und Herrn Pecina gibt.

Zu Martin Schlaff habe Strache, so sagt er es in dem Video, "eine gute Gesprächsbasis". Schlaff ist Finanzinvestor, er ist unter anderem am österreichischen Industriekonzern RHI beteiligt, der sich auf feuerfeste Materialien für die Stahl, Zement- und Petrochemiebranche spezialisiert hat. "trend" beziffert sein Vermögen auf 3,13 Milliarden Euro.

Schlaff ist Mitglied der sozialdemokratischen Partei, wegen seiner Deals aber umstritten. So hat er in Israel ein Kasino aufgebaut, bei dessen Eröffnung auch Schmiergelder geflossen sein sollen. Bei Mobilfunkbetreibern in Bulgarien und Serbien mischte Schlaff ebenfalls mit, dabei ließ er sich aber auch mit zwielichtigen Geschäftsleuten ein. Und in einer Affäre um Österreichs frühere Gewerkschaftsbank Bawag stellte Schlaff die Kaution bereit, um den in Frankreich inhaftierten ehemaligen Bank-Chef Helmut Elsner frei zu bekommen.