Eine Frau steht auf einem Feld.
Die Landwirtschaft muss sich an die Klimaerwärmung anpassen. (Symbolfoto) Bildrechte: imago/Photocase

Kartoffeln, Weizen, Obst Klimaerwärmung: Neun Folgen für deutsche Bauern

12. Oktober 2021, 13:12 Uhr

Die Sommer werden wärmer, das Wachstum der Pflanzen beginnt früher, es wird trockener und heftige Gewitter werden häufiger. Der Klimawandel hat Konsequenzen für Landwirte. Nicht alle sind schlecht.

Größere und länger andauernde Hitze, weniger Regen, häufigere Gewitter und Stürme: Die Klimaerwärmung bringt das Wetter durcheinander. Das hat Folgen für die Landwirtschaft, die besonders abhängig von Temperaturen und Niederschlägen ist. Doch wie schwerwiegend sind die Konsequenzen und treffen sie alle Arten von angebauten Früchten gleichermaßen? Was können Landwirte tun, um sich auf die Veränderungen einzustellen? Das wollte ein Forscherteam um Horst Gömann vom Thünen-Institut in Braunschweig wissen.

Die Wissenschaftler studierten dafür zahlreiche Untersuchungen aus den vergangenen Jahrzehnten. Die wichtigsten Ergebnisse haben sie im Kapitel "Landwirtschaft" zusammengefasst, das ein Teil des Buchs "Klimawandel in Deutschland – Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven" ist. Dabei zeigte sich: Die Auswirkungen eines wärmeren Klimas und eines höheren Gehalts von Kohlendioxid (CO2) in der Luft sind je nach angebauter Frucht sehr unterschiedlich. Überraschenderweise profitieren einige Früchte sogar vom Klimawandel.

Acht Konsequenzen des Klimawandels für Landwirte in Deutschland:

1. Winzer profitieren von der Wärme

Herzoglicher Weinberg in Freyburg (Unstrut)
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Es sind goldene Zeiten für die Winzer im Saale-Unstrut-Weinbaugebiet und entlang der sächsischen Weinstraße. In heißen und trockenen Sommern bilden die Trauben mehr Zucker und das bringt dem Wein am Ende mehr Aroma. 2018 mit seinem Dürresommer gilt als sehr guter Weinjahrgang. Und auch im laufenden Jahr begann die Weinlese schon Mitte August, weil die Weinbeeren bereits reif waren. Bislang also profitieren Winzer von der Klimaerwärmung.

2. Probleme für den Weizen

Auf einem Feld bei Abbendrode im Landkreis Harz im Bundesland Sachsen-Anhalt, mäht ein Mähdrescher der Marke Claas mit Kettenantrieb die Feldfrucht Weizen.
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Landwirte, die Weizen und Mais anbauen, müssen sich mehr Sorgen machen wegen heißer Sommer. Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, werden beispielsweise Weizenpollen ab 30 Grad Celsius steril. Bei Mais passiert das bei mehr als 35 Grad Celsius. Die Folge davon ist, dass beide Früchte weniger Körner ausbilden. Dadurch können Landwirte deutlich weniger ernten. Bereits der Dürresommer 2018 hat viele Betriebe deshalb in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Und auch 2019 haben viele Bauern Sorgen, dass sie zu wenig ernten können.

3. Licht und Schatten bei Zuckerrüben

Rübenfeld im Harz
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Das Dürrejahr 2018 hatte je nach Region sehr unterschiedliche Folgen für Landwirte, die Zuckerrüben angebaut hatten. Im Süden Deutschlands fiel die Ernte überdurchschnittlich gut aus, in Sachsen-Anhalt und Thüringen dagegen sehr schlecht. Die Wissenschaftler um Horst Gömann schreiben, dass Zuckerrüben im Hitzestress mehr Aminostickstoffe enthalten. Das komme einerseits dem Rübenertrag zugute, behindere andererseits aber die Zuckerkristallisation.

4. Raps: mehr Futter, weniger Diesel

Blick auf ein gelb blühendes Rapsfeld
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Auch bei Raps verändern sich durch steigende Temperaturen vor allem die Inhaltsstoffe in den Pflanzen. Auf der einen Seite produzieren sie weniger Öle, auf der anderen Seite aber mehr Eiweiße. Das macht die gelb blühende Feldfrucht zum besseren Futter für Nutztiere. Zugleich kann aber weniger Biodiesel gewonnen werden.

5. Spargel: fehlende Kältereize im Winter

Viele Pflanzen brauchen im Winter Frost als eine Art Signal. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen Kältereiz oder Vernalisation. Bleiben diese Reize aus, reagieren einige Pflanzen mit einem verspäteten Austrieb im Frühling. Auch der Übergang zur Blüte findet dann nicht mehr gleichzeitig statt. Von diesem Phänomen ist unter anderem der Spargel betroffen. Forscher vermuten, dass geringere Erntemengen bei der beliebten weißen Delikatesse mit den zu warmen Temperaturen im Winter zusammenhängen.

6. Mehr Kohlendioxid ist gut für Pflanzen

Versuche in Gewächshäusern und auch auf offenen Feldern zeigen: Steigt in der Luft die Konzentration des Klimagases Kohlendioxid (CO2), können viele Anbaupflanzen besser mir Trockenheit umgehen. Der Grund: Pflanzen ernähren sich vom CO2. Ist dieses Nahrungsangebot in der Atemluft besser, müssen sie ihre Poren nicht so weit öffnen. Dadurch verdunstet weniger Wasser aus ihrem Inneren. Die Forscher nennen dieses Phänomen CO2-Düngung.

7. Leiden bei schwülem Wetter besonders: Milchkühe

Schwüles Wetter, also hohe Temperaturen bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit, macht vielen Menschen stark zu schaffen. Noch weniger sind aber Milchkühe von feuchter Luft begeistert. Sie leiden bereits ab Temperaturen von 24 Grad Celsius, wenn die Luftfeuchtigkeit mehr als 70 Prozent beträgt. Dann geht ihre Milchleistung drastisch zurück. Die Forscher vermuten, die Tiere brauchen dann deutlich mehr Energie, um ihre eigene Körperwärme regulieren und sich abkühlen zu können.

8. Bienen und Blumen könnten sich verpassen

Ein Problem stellt nach Ansicht vieler Forscher dar, dass sich die Vegetationszyklen von Pflanzen und Bestäubern durch die Klimaerwärmung unterschiedlich verändern. Viele Pflanzen beginnen inzwischen aufgrund wärmerer Temperaturen früher mit der Blüte. Insekten, die sich von den Blütenpollen ernähren und so auch für die Fortpflanzung der Blumen sorgen, orientieren sich aber oft an der Tageslänge, also am Licht. Folglich droht, dass sich Bienen und Blütezeit künftig verpassen, was negative Folgen für Landwirte haben könnte.

9. Unbekannt: Wie verhalten sich Schädlinge?

Wärmere Temperaturen begünstigen bereits jetzt die Einwanderung von Spezies nach Deutschland, denen es hier bislang zu kalt war. So fühlen sich seit einigen Jahren beispielsweise die asiatischen Tigermücken immer wohler bei uns. Wie sich aber die Situation für Schädlinge in der Landwirtschaft ändert, ist nach Ansicht der Wissenschaftler bislang kaum absehbar. Das Wechselspiel zwischen Insekten, Schnecken, Pilzen und Mikroorganismen sowie ihren jeweiligen Gegenspielern sei deutlich zu komplex, um Aussagen über den Einfluss der Klimaerwärmung machen zu können, schreiben die Forscher. Allerdings gehen sie davon aus, dass die Art der Landnutzung, also die jeweilige Bodenbearbeitung und die Entscheidung über Fruchtfolgen einen deutlich größeren Einfluss darauf hat, welche Tiere sich in den Feldern wohlfühlen und welche nicht.

Fazit: keine Katastrophen, aber Anpassungsbedarf

Für die kommenden 20 bis 30 Jahre erwarten die Forscher keine gravierend negativen Effekte für Pflanzenproduktion in der deutschen Landwirtschaft, bis auf wenige Ausnahmen.

Ganz im Gegenteil: Die für diesen Zeitraum projizierten relativ geringen Temperaturzunahmen und geringen Abnahmen der Sommerniederschläge fördern eher das Pflanzenwachstum, allerdings nicht überall gleich. Die bisherigen regionalen Unterschiede im Ertragsniveau dürften sich verstärken.

Gömann, Frühauf, Lüttger und Weigel (2016): Landwirtschaft

Eine deutliche Gefahr stellen allerdings extreme Wetterlagen wie Früh-, Spät- und Kahlfröste, extreme Hitze, Dürre, Hagel und Sturm dar. Hier empfehlen die Forscher Anpassungen wie verbesserte Be- und Entwässerungssyteme sowie ein besseres Halten der Feuchte in den Böden durch mehr Aufbau von Humus. Auch eine höhere Diversität der Anbaupflanzen helfe dabei, Schwankungen bei einzelnen Erzeugnissen abzufedern. Dazu gehöre unter anderem eine ausgewogene Mischung zwischen Sommer und Winterkulturen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 21. August 2018 | 20:00 Uhr