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Neue EU-Verordnung: Gibt es ab jetzt nur noch labbrige Pommes?

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Beim Frittieren von Pommes entsteht Acrylamid. Eine neue EU-Verordnung soll den Gehalt reduzieren. 	Foto: dpa
Beim Frittieren von Pommes entsteht Acrylamid. Eine neue EU-Verordnung soll den Gehalt reduzieren. Foto: dpa © -

In der EU gelten neue Acrylamid-Regeln für Pommes, Chips, Kaffee und Brot. Ob Verbraucher damit wirklich nennenswert weniger von dem Schadstoff zu sich nehmen als bisher, ist aber fraglich.

Lebensmittelhersteller sowie Restaurants und Imbissbetriebe müssen seit Mittwoch neue EU-Regeln zur Eindämmung von Acrylamid einhalten. Die EU hatte die Verordnung vergangenes Jahr beschlossen, da Acrylamid als krebserregend eingestuft wird.

Wie entsteht Acrylamid?

Acrylamid bildet sich unter hohen Temperaturen beim Rösten, Backen, Braten oder Frittieren von stärkehaltigen Lebensmitteln und aus Zuckern. Betroffen sind vor allem Produkte auf Kartoffel- oder Getreidebasis sowie Kaffee. Hohe Temperaturen ab 150 Grad lassen Lebensmittel beim Backen, Braten und Frittieren bräunen. „Dabei entstehen erwünschte Aromen und Geschmacksstoffe – aber auch Acrylamid, das sich ab Temperaturen von 170 bis 180 Grad Celsius sogar sprunghaft ansteigend bildet“, so die Verbraucherzentrale Bayern.

Welche Produkte sind davon betroffen?

„Erhöhte Acrylamidgehalte finden sich in gebratenen und frittierten Kartoffelerzeugnissen wie Chips, Pommes frites, Bratkartoffeln oder Kroketten aber auch in Getreideprodukten wie Keksen, Kräcker, Toast- und Knäckebrot oder gerösteten Frühstücks-Cerealien“, warnen die Verbraucherschützer. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: „Da sich Acrylamid erst oberhalb von 120 Grad Celsius beim Backen, Braten, Frittieren oder Rösten bildet, sind alle nicht erhitzten sowie gekochten oder gedünsteten Lebensmittel frei davon.“

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Warum gilt Acrylamid als gesundheitsschädlich?

2015 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem Gutachten frühere Einschätzungen bestätigt, wonach Acrylamid in Lebensmitteln das Krebsrisiko erhöht. Demnach wird Acrylamid nach dem Verzehr aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen, in alle Organe verteilt und stark verstoffwechselt. Das dabei entstehende Glycidamid ist laut der europäischen Behörde die wahrscheinlichste Ursache von Genmutationen und Tumoren, die sich in Tierstudien beobachten ließen. „Besonders bei Kindern ist Vorsicht geboten“, warnt die Verbraucherzentrale Bayern. „Im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht essen sie mehr als Erwachsene und können deshalb schnell höhere Mengen an Acrylamid aufnehmen.“

Wie hat die EU-Kommission reagiert?

Lebensmittelhersteller sind nun dazu verpflichtet, den Acrylamidgehalt unter anderem in Pommes, Chips, Crackern, Brot, Frühstücksflocken, Plätzchen, Keksen, Zwieback und Kaffee zu reduzieren (EU-Verordnung 2017/2158). Hersteller von Fertigpommes müssen beispielsweise Kartoffeln mit einem geringeren Zuckergehalt verwenden. Köche sollen bestimme Verfahren beim Frittieren beachten. Kaffeeröster müssen berücksichtigen, dass Robusta-Bohnen mehr Acrylamid haben als Arabica-Bohnen. Bäcker müssen ihre Brote heller backen und die Hefegärung verlängern. Gleichzeitig lässt die EU aber Spielräume: Den Bäckern gesteht sie beispielsweise zu, bei der Reduktion von Acrylamid „das individuelle Produktdesign und die technischen Möglichkeiten“ zu berücksichtigen.

Wirken sich die Regeln auf den Geschmack aus?

Nein. „Bäckereien müssen sich zwar Gedanken machen, um den Acrylamid-Gehalt in ihren Broten zu reduzieren und die Vorgehensweise muss dokumentiert werden, falls es Kontrollen gibt“, sagt Christopher Kruse vom Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk. „Verbraucher werden davon aber nichts mitbekommen, Brote mit einer festen Kruste wird es weiterhin geben.“ Ähnliches gilt auch in der Gastronomie: „Für den Gast wird es auch künftig knusprige Bratkartoffeln und Pommes geben“, sagt Matthias Artmeier vom Gaststättenverband Dehoga Bayern. Zwar müssten die Gaststätten strengere Anforderungen berücksichtigen, der Geschmack bleibe aber gleich.

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Was sagen Verbraucherschützer?

Ihnen gehen die Vorschriften nicht weit genug. „Es gibt keine Sanktionen, wenn man gegen die neuen Richtwerte verstößt“, kritisiert Heidrun Schubert von der Verbraucherzentrale Bayern. „Wenn der Acrylamid-Wert in einer Tüte Chips höher ist als der Richtwert, darf die Packung trotzdem in den Handel.“ Bei Kaffee liege der neue EU-Wert für Acrylamid sogar um 43 Prozent höher als der bisherige deutsche Signalwert von 2010. Auch fehle eine Kennzeichnungspflicht, bemängelt Schubert. Verbraucher wüssten nicht, wie hoch der Acrylamid-Gehalt in den Produkten tatsächlich sei. Dennoch hält sie die Verordnung für einen Schritt in die richtige Richtung. „Allerdings wird erst die Praxis in den kommenden Jahren zeigen, ob tatsächlich weniger Acrylamid in unserem Essen landet.“ Verbraucher, bliebe nur eines: „Weniger Chips, weniger Pommes und weniger Frühstücksflocken.“ Problematisch sei nur, dass diese Produkte ausgerechnet von Kindern gerne gegessen würden.

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