Test Kawasaki ZR-7
Fahr & Spar

Ein ausgewachsenes Motorrad mit kernigem Vierzylindermotor – und das Ganze für 11260 Mark. Hat die Kawasaki ZR-7 das Zeug zum Verkaufsschlager?

Zunächst halten wir inne und verneigen uns. Nicht vor der ZR-7. Wir verneigen uns vor der Kawasaki Zephyr 750. Denn schließlich war sie es, die anno 1991 die Initialzündung für das Naked Bike-Revival gab. Doch dann verschlief Kawasaki den Zug der Zeit, Bandit & Co. übernahmen das Zepter in der Mittelklasse, die Zephyr avancierte eher zum Liebhabermotorrad.
Nun endlich will Kawasaki die Lücke, die zwischen der ER-5 Twister und der ZRX 1100 klafft, nicht mit Macht, sondern mit der ZR-7 schließen und allein in diesem Jahr 2000 Stück an den Mann oder die Frau bringen.
Gerade bei letztgenannten stehen die Chancen nicht schlecht, denn die ZR-7 ist ein zierliches Motorrad. Kaum zu glauben, daß in dem im Kniebereich schlank geschnittenen Tank 22 Liter Sprit Platz finden. Niedrig ist die ZR-7 noch dazu, mit einer bequem, aber nicht zu weich gepolsterten Sitzbank, bei deren Abmessungen zudem an einen etwaigen Passagier gedacht wurde. Erfreulich: Unter dem Sitzkissen findet sich neben einem vollständigen Bordwerkzeug auch noch genug Stauraum für eine Regenkombi. Praxisrelevante Details, die überzeugen. Gleiches gilt für die weiß unterlegten, bis auf eine Uhr kompletten Instrumente, die nicht nur schön anzusehen, sondern auch bei direkter Sonneneinstrahlung gut ablesbar sind. Ebenfalls positiv: die gelungene Kröpfung des Lenkers und die einstellbaren Kupplungs- und Bremshebel. In der Mittelklasse leider noch lange nicht die Regel, ebensowenig wie der serienmäßige, leicht zu betätigende Hauptständer.
Ruckzuck ist das 229 Kilogramm schwere Motorrad abgebockt, der Choke gezogen und der Zündschlüssel umgedreht. Und wie ist’s um das Startverhalten bestellt? Immerhin hat sich Kawasaki in dieser Disziplin in der Vergangenheit nicht immer mit Ruhm bekleckert: Entweder der Motor jubelte in den höchsten Tönen, oder er starb abrupt ab. Überraschung Nummer eins: Der luftgekühlte Vierzylinder, größtenteils aus der Zephyr bekannt, springt tadellos an und reagiert bereits im kalten Zustand spontan auf das kleinste Zucken der Gashand. Überraschung Nummer zwei: In puncto mechanische Geräusche gibt sich der Vierer zwar unüberhörbar als Kawasaki-Motor zu erkennen, dennoch läuft das an Zylinderkopf und Zylinder modifizierte Triebwerk ruhiger und vibrationsärmer, als man das von einer Zephyr 750 gewohnt war. Kawasaki führt diese Geräuschminderung auf einen modifizierten Spannmechanismus an der Zahnkette des Primärtriebs zurück.
Überraschung Nummer drei: die Verbrauchswerte. Die ZR-7 saugt sich mit gut sieben Litern im Durchschnitt ungewohnt viel Sprit durch ihre vier 32er Gleichdruckvergaser. Da gab sich die Zephyr 750 im letzten Test (MOTORRAD 20/1997) mit knapp sechs Litern deutlich genügsamer. Dem Umweltgedanken trägt Kawasaki trotz eines Sekundärluftsystems zur Nachverbrennung der Abgase folglich nur halbherzig Rechnung.
Für diesen unangemessenen Durst dürfte unter anderem die sehr kurze Sekundärübersetzung und das sich daraus ergebende erhöhte Drehzahlniveau mit Schuld sein. Auf der anderen Seite verdankt die ZR-7 diesem Übersetzungsverhältnis überaus respektable Beschleunigungs- und Durchzugswerte. Weil der Motor zudem mit einer sehr homogenen Leistungskurve glänzt, lohnt das Ausdrehen der Gänge nicht – auf einen Leistungskick in oberen Drehzahlregionen wartet man vergeblich. Also lieber zügig das gut schaltbare Fünfgang-Getriebe durcheilen. Für den gemäßigt-flotten Landstraßenbetrieb genügt in der Regel die höchste Gangstufe, ebenso für eventuelle Überholmanöver. Paßt also alles bestens für einen entspannten, ruhigen Fahrstil.
Für den sich die durchaus handliche Kawasaki dank ihres unauffälligen, weil gutmütigen Fahrverhaltens anbietet. Bei sportlicherer Gangart allerdings offenbart das Fahrwerk der ZR-7 dann kleine Schwächen. In schnellen, welligen Kurven beispielsweise macht sich ein leichtes Kippeln um die Längsachse bemerkbar. Außerdem geriet die Abstimmung der gut ansprechenden Gabel einfach etwas zu weich, ohne daß sie beim Anbremsen auf holperigen Straße jedoch gleich auf Block gehen würde. Doppelt schade, weil die Schräglagenfreiheit für flotte Landstraßenfahrt mehr als ausreichend wäre. Aber Kawasaki Deutschland kennt dieses Problem bereits und sucht nach einer geeigneten Lösung. Wahrscheinlich würden schon geringfügige Modifikationen an Federung und Dämfung spürbare Verbesserungen bringen. Die Bremsen dagegen überzeugen mit gleichbleibend guten Verzögerungswerten, lediglich der Druckpunkt vorn dürfte eine Spur knackiger ausfallen.
Trotz dieser Kritikpunkte darf die ZR-7 von sich behaupten, ein würdiger Nachkömmling der Zephyr 750 zu sein. Sie wird sich ganz bestimmt ihren Platz in der hart umkämpften Mittelklasse sichern. Wo genau sie steht, das wird in Kürze ein Vergleichstest mit der direkten Konkurrenz, also der Suzuki GSX 750 und der Honda CB Seven Fifty, an den Tag bringen.

Unsere Highlights

Fazit

Wirklich kein einfacher Job, ein günstiges und gleichzeitig vollwertiges Motorrad auf die Räder zu stellen. Ersteres ist Kawasaki gelungen, beim zweiten Punkt läßt die ZR-7 gute Ansätze erkennen. Bequem und gutmütig zu fahren, ausgestattet mit standfesten Bremsen und auch in einer 34-PS-Version erhältlich, ist sie nicht zuletzt für Einsteiger interessant. Der hohe Spirtverbrauch und die zu weiche Gabel trüben das gute Gesamtbild nur wenig, außerdem sollte Kawasaki diese Probleme leicht in den Griff bekommen.

Die aktuelle Ausgabe
MOTORRAD 10 / 2024
MOTORRAD 10 / 2024

Erscheinungsdatum 26.04.2024