Wie laut ist mein Motorrad?
Alles zum Thema Standgeräusch und Fahrgeräusch

Wie laut sind eigentlich 90 oder 95 dB? Wie finde ich heraus, wie laut mein Motorrad ist? Und gibt es überhaupt einen Grenzwert fürs Standgeräusch? Alle Antworten gibt’s hier.

Im Rahmen eines Pilotprojekts soll im deutschen Landkreis Holzminden ab 2024 ein Fahrverbot gelten für alle Motorräder mit mehr als 90 dB Standgeräusch. Faktisch würde das eine Komplettsperre für sehr viele legale Motorräder an allen Wochenenden von April bis Oktober bedeuten. Vorbild ist Tirol: Das österreichische Bundesland spricht jedes Jahr von April bis Oktober Fahrverbote für Motorräder aus, die ein Standgeräusch von über 95 dB eingetragen haben. Anlässlich des deutschen Pilotprojekts betrachten wir hier alles rund ums Thema Lautstärke eingehend.

Debatte um Lautstärke von Motorrädern

Wie laut ist mein Motorrad? Wo finde ich diese Angabe?

Der Standgeräuschwert ist in den Zulassungsbescheinigungen unter U.1 eingetragen, das Fahrgeräusch findet ihr unter U.3. Ihr nehmt also eure Zulassungsbescheinigung Teil 1 zur Hand (früher Fahrzeugschein, das grünliche, gefaltete kleine Papier) und schlagt unter dem jeweiligen Buchstaben nach (siehe auch Video und Bildergalerie oben). Dort könnt ihr ablesen, ob ihr die Werte 90 dB oder 95 dB überschreitet. Bei einer Standgeräuschmessung im Straßenverkehr nach § 29 StVZO darf der gemessene Wert um 5 dB abweichen.

Hier findest du die Standgeräuschangabe im Fahrzeugschein deines Motorrads
Nico Streblow

Der Standgeräuschwert ist in den Zulassungsbescheinigungen unter U.1 eingetragen (roter Kreis im Bild), das Fahrgeräusch findet ihr unter U.3.

Welcher Grenzwert gilt fürs Standgeräusch von Motorrädern?

Für das Standgeräusch von Motorrädern sind vom Gesetzgeber keine Grenzwerte vorgeschrieben. Es wird jedoch stets ermittelt und in die Fahrzeugpapiere eingetragen. Damit erhält die Polizei die Möglichkeit, bei Verkehrskontrollen mit einfachen Mitteln den Originalzustand eines Fahrzeugs zu überprüfen. Denn Ersatzschalldämpfer dürfen die Originalanlage im Schalldruckpegel nicht übertreffen.

Welcher Grenzwert gilt fürs Fahrgeräusch von Motorrädern?

Beim Fahrgeräusch liegt der Grenzwert, je nach Klasse, bei 73, 74 oder 77 dB (A), abhängig vom Leistungs-Masse-Verhältnis (PMR). 80 Prozent aller aktuellen Motorräder gehören zur Klasse III, hier darf das Fahrgeräusch maximal 77 dB laut sein.

Was regelt die Euro 5/Euro 5+-Norm zur Lautstärke?

Die Euro-Normen sind vor allem Abgasnormen, weshalb das Thema Lautstärke dort nicht wirklich behandelt wird. Die Regelungen zur Geräuschentwicklung von Krafträdern sind in der UNECE-R 41 definiert (seit 2021 gilt die UNECE-R 41.05). Sie gibt die oben genannten 73, 74 oder 77 dB (A) vor. Die rund 80 Prozent Motorräder, die wegen ihres Leistungs-Masse-Verhältnis (PMR) zur Klasse III zählen, müssen zusätzliche Bestimmungen zu Geräuschemissionen (Additional Sound Emission Provisions, Abkürzung: ASEP) einhalten.

Was bedeutet ASEP?

ASEP steht für Additional Sound Emission Provisions, also für zusätzliche Geräuschmessungen. Die Motorräder, die in die Klasse III fallen – circa 80 Prozent aller aktueller Motorräder – müssen also weitere Laustärke-Bestimmungen einhalten. Laut dem Bundesverband gegen Motorradlärm sollen diese zusätzlichen Geräuschmessungen aufdecken, "wenn überwiegend hohe Geräuschemissionen mittels besonderer technischer Maßnahmen, z.B. gesteuerte Klappensysteme in den für die Standardmessung relevanten Betriebspunkten‚ künstlich reduziert werden." Der modellspezifische ASEP-Grenzwert muss aktuell über alle Betriebszustände zwischen 10 und 100 km/h eingehalten werden.

Wie funktioniert das mit der Auspuffklappe?

Das Motormanagement kann eine Klappe im Auspuff so steuern, dass im Testzyklus die Grenzwerte für die Lautstärke eingehalten werden. Beispiel: Wird das Fahrgeräusch im 4. Gang bei einer bestimmten Geschwindigkeit oder Drehzahl gemessen, macht die Klappe in genau diesem Bereich zu, und das Motorrad ist dann leiser. Außerhalb dieser relevanten Fahrzustände kann die Klappe den Sound dann wieder von leise auf laut drehen.

Motorräder werden lauter wahrgenommen als Autos

Grundsätzlich sind Motorräder im Straßenverkehr gar nicht lauter als Autos, sondern eher leiser. Das ergab eine Studie, die wir euch im Artikel "Alles zum Thema Motorradlärm" erläutern. Doch warum werden Motorräder als lauter wahrgenommen? Das hat vor allem etwas mit der Frequenz und der Klangfarbe des Motorradsounds zu tun. Musikwissenschaftler der Uni Wien stellten fest: Motorradgeräusche werden als besonders lästig wahrgenommen, weil sie "eine hohe Lautheit mit starkem Energiegehalt bei 2 – 4 Kilohertz sowie eine klangfarbliche Schärfe und ausgeprägte Rauigkeit" aufweisen.

7 Fakten über Schall

  • In der Luft ist Schall 343 m/s oder 1243,8 km/h schnell.
  • Der Schalldruck verhält sich zur Entfernung von der Schallquelle umgekehrt proportional – bei doppelter Entfernung wird er viermal schwächer.
  • Schalldruck ist eine physikalische Größe, gemessen in Dezibel (dB). Anders als konstante Maßeinheiten wie Meter oder Kilogramm verweist dB auf ein Größenverhältnis, verändert sich also mit dem Ausgangswert und den Bewertungskurven, auf die es sich bezieht.
  • Die Bewertungskurve A bei dB(A) bezieht sich auf die Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs.
  • Eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 10 dB(A) wird als Verdoppelung der vorhergehenden Lautstärke empfunden. Eine leise Unterhaltung mit 40 dB(A) ist folglich nicht 4-mal, sondern 8-mal lauter als normales Atmen mit 10 dB(A).
  • 10 dB(A) beträgt auch der Störpegel. Das heißt: Man hört nur das um 10 dB(A) lautere Geräusch. Alle anderen werden von diesem gleichsam verschluckt, überdeckt.
  • Die Maßeinheit Phon ist eine psychoakustische Größe, die außer dem Schalldruck auch die Frequenz der Töne und deren Eigenschaften berücksichtigt. Phon beinhaltet also auch, wie wir ein Geräusch empfinden.

Wie misst die Polizei das Standgeräusch von Motorrädern?

Die Polizei misst das Standgeräusch von Motorrädern mit einem Präzisions-Schallpegelmessgerät. Als Prüfgelände darf jeder Platz verwendet werden, der keine nennenswerten akustischen Störungen bewirkt. Das Mikrofon ist in Höhe der Auspuffmündung aufzustellen, in keinem Fall jedoch niedriger als 0,2 Meter über der Fahrbahnoberfläche. Die Mikrofonkapsel muss gegen die Ausströmöffnung der Abgase in einem Winkel von 45 Grad und in einer Entfernung von 0,5 Meter gerichtet sein. Der Motor wird auf die in der Zulassungsbescheinigung angegebene Drehzahl geregelt. Diese Drehzahl entspricht laut EG-Richtlinien der halben Nenndrehzahl, wenn die Nenndrehzahl über 5.000/min liegt oder dreiviertel der Nenndrehzahl, wenn diese bis zu 5.000/min beträgt. Quelle: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (Heft F 48), Bundesverband gegen Motorradlärm.

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Fazit

In Sachen Stand- und Fahrgeräusch eines Motorrads gibt es viel zu beachten. Ist man beispielsweise in Tirol unterwegs, sollten Fahrer und Fahrerinnen vorher in ihrer Zulassungsbescheinigung unter U.1 schauen, mit wie viel dB das Standgeräusch für ihr Motorrad angegeben ist. Das Limit für einige Strecken in Tirol: 95 dB. Und möglicherweise folgt 2024 nach diesem Beispiel – sogar mit einer 90 dB-Grenze – ein Landkreis in Deutschland. Es bleibt aber erst einmal abzuwarten, ob das Pilotprojekt in Holzminden tatsächlich umgesetzt wird.

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Erscheinungsdatum 10.05.2024