Used Racebike: Yamaha YZF-R1
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Über zehn Jahre hinweg hat Yamaha seinen Vollgasbrenner YZF-R1 kontinuierlich weiterentwickelt. Mit Erfolg: Das aktuelle Modell RN19 und die Vorgängerin RN12 erfreuen sich in Sportfahrerkreisen größter Beliebtheit. PS verrät die besten Tipps, um die Einsen noch schneller zu machen.

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Foto: Fact

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Eigentlich könnte sie auch eine Sechshunderter sein. Unbändige Drehfreude, federleichtes Handling – die R1 der Jahre 2004 bis 2006 glänzt mit Eigenschaften, die man intuitiv eher der kleinen Schwester R6 zuschreiben würde. Und spaltet damit die Lager. Denn während der eine Teil der lederummantelten Rennfahrergemeinde von einer Tausender brutale Kraft bei niedrigen Drehzahlen und Gegenwehr beim Einlenken erwartet, schwören die anderen auf Drehzahlen ab 10000/min und unbarmherziges Umlegen.

Diese zweite Gruppe fährt mit der Yamaha bereits im Serienzustand ziemlich gut. Wer Renngummis aufzieht und auf Zeitenjagd geht, findet aber auch an der RN12 noch einige Verbesserungsmöglichkeiten. PS holte sich für die Suche nach dem letzten Feinschliff Unterstützung von gleich drei Experten, allesamt mit reichlich R1 im Blut. Thomas „Ketchup“ Rothmund, Mechaniker des PS-LSL-R1-Endurance Teams 2005 und 2006, Dietmar Franzen, Tuner, Motoren-Papst und ebenfalls Teil des PS-LSL-Teams sowie Michael Galinski, 2005 Teamchef des IDM-Superbike-Meisters Stefan Nebel.

Über das Potenzial des japanischen Supersportlers sind sich alle drei einig. „Für den Anfang reicht es, eine Rennverkleidung dranzubauen, und los geht’s“, fasst Rothmund zusammen. „Wem das nicht reicht, sollte die Bremsbeläge gegen Zubehörteile beispielsweise von Lucas oder Premier austauschen, außerdem ist ein anderer Lenkungsdämpfer sinnvoll.“ Der nicht einstellbare Seriendämpfer steht auch bei den anderen Experten weit oben auf der Weg-damit-Liste – im Gegensatz zum Fahrwerk.

Selbst Michael Galinski, der Top-Material gewohnt ist, spricht sich hier nur für kleine Umbaumaßnahmen aus: „Mit einer umgebauten Gabel und dem Serienfederbein kommt man schon ziemlich weit. Carlos Checa fuhr mit diesen Komponenten bei Testfahrten in Spanien fast Superbikezeiten.“ Auch das Team PS-LSL setzt auf einen Serienumbau von HH-Racetech und holte damit 2006 einen Langstreckensieg. Dietmar Franzen erläutert: „Tausender brauchen eine relativ steife Hinterhand. Bei allen Mitbewerbern löst man dieses Problem über härtere Federn. Bei der R1 ist es eher umgekehrt: Man fährt eine normale Federrate und erhöht stattdessen die Dämpfung.“ Wer einen größeren Etat zur Verfügung hat, sollte trotzdem auf ein Zubehörfederbein zurückgreifen. Besonders deren Ansprechverhalten liegt in der Regel auf einem deutlich höherem Niveau.

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Bezüglich der Geometrie gehen die Meinungen auseinander. Franzen spricht sich dafür aus, die Gabel durchzustecken; Galinski rät in diesem Punkt zu Vorsicht: „Die R1 reagiert da empfindlich; extremes Anstellen mag sie gar nicht. Man sollte deshalb das Heck um maximal 10 mm anheben und die Gabel um höchstens 5 mm durchstecken.“

Auch beim Motor scheiden sich die Geister; Grund dafür sind die vielfältigen Überarbeitungsvarianten, die eine an die Vorlieben des Fahrers angepasste Leistungsentfaltung ermöglichen. Franzen trickste zum Beispiel mit einer Kombination aus Powercommander, Sport-Luftfilter, Komplett-Aufpuffanlage und anderen Ansaugtrichtern 2005 tapfere 180 PS ans Hinterrad der PS-LSL-R1. 2006 entschied er sich dann für ein spritsparendes Mapping auf Serienniveau, das bei 24-Stunden-Rennen einen kleineren Tank ermöglichte. „Das Hauptproblem einer Tausender ist nicht die Spitzenleistung, sondern die Fahrbarkeit. Gerade hierin hat die R1 mit ihrem Leistungseinbruch im mittleren Drehzahlbereich Schwierigkeiten, die sich allerdings mit den längeren Ansaugtrichtern in den Griff bekommen lassen“, erklärt Franzen. Nicht das Drehmomentloch an sich ist problematisch, sondern die plötzlich wieder einsetzende Leistung bei gut 7000/min, die akute Highsidergefahr am Kurvenausgang birgt. Doch selbst hier gibt es Variationsmöglichkeiten. „Wer viel Spitzenleistung braucht, sollte kurze Trichter verwenden, wer Wert auf Drehmoment legt, ist mit langen besser bedient. Auf jeden Fall eine gute Idee ist eine Kit-Kopfdichtung, um die Verdichtung zu erhöhen. Zusätzlich kann man den Kopf um zwei bis drei Zehntel planen, sofern es das jeweilige Reglement erlaubt“, erklärt Galinski.

In einem Punkt sind sich alle drei Experten einig: Wer viel auf der Rennstrecke unterwegs ist, muss einen zusätzlichen Kühler montieren, damit der Motor nicht so leicht überhitzt. Damit ausgestattet, gilt der Fünfventiler der RN12 als standfest, allerdings aufgrund der eng beieinander liegenden Ventile auch als etwas schwieriger zu überarbeiten als der Vierventiler der RN19.

Und welche Tipps haben die Experten sonst noch parat? „Kauft euch einen verballerten Tank, eine Zubehörverkleidung, einen Kupplungsdeckelschutz und Rahmenschoner. Weil: Wenn des Ding einmal durchs Kiesbett rauscht, ist die ganze Lackierung hinüber und der Kupplungsdeckel kaputt – das ist ein Haufen Geschäft“, empfiehlt Rothmund praxisnah. Außerdem schätzt er Fußrastenanlagen von PP: „Damit kannst du 200 Meter über den Asphalt rutschen, und die tut immer noch. Nur die Raste ist kürzer.“ Mit dieser Anlage lässt sich auch das Schaltschema umdrehen, was nicht ganz einfach ist, weil die Schaltstange der R1 durch den Rahmen führt.

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Lässt Rennfahrer-Herzen höher schlagen: Yamaha YZF-R1.

Franzen rät zudem zu Bridgestone- oder Pirelli-Slicks. "Der Pirelli ist der schnellere Reifen, aber der Bridgestone hält länger." Ganz schnellen Gesellen empfiehlt Galinski neben SBS- oder Lucas- Bremsbelägen noch carbonummantelte Bremsleitungen sowie Bremsscheiben von Moto-Master oder Braking.

Ein Umbau, der bei der RN19 nach Galinskis Meinung nicht nötig ist: "Selbst Jörg Teuchert fährt inzwischen wieder auf Standard-Scheiben. Die Bremsanlage ist mit guten Belägen über jeden Zweifel erhaben." Dafür geht der R1-Spezialist beim Fahrwerk eigene Wege. "Bei der RN12 ist eher der Rahmen straff und die Schwinge labil, bei der RN19 ist es genau umgekehrt. Die längere Schwinge der RN19 nutzen wir nicht. Mit der mittellangen Schwinge der 2006er-RN12 ist die R1 fahrbarer. Außerdem kann man die neue mit einer weicheren Feder hinten fahren. Statt 110 N/mm bei der RN12 fahren wir jetzt 95 bis 100." Als Reifen empfiehlt Galinski Dunlop oder Pirelli.

Auf den Motor angesprochen, kommen die Experten ins Schwärmen. Franzen lobt die Rückkehr vom Fünf- zum Vierventiler, der mehr Möglichkeiten bei der Überarbeitung der Brennräume bietet. Michael Galinski freut sich über das YCC-I, also die variablen Ansaugtrichter, die prima funktionieren, das Drive-by-Wire-System YCC-T und die voll programmierbare Kit-ECU. „Die kostet nicht viel Geld, und man kann damit jede Menge gute und schlechte Sachen anstellen, z. B. die Motorbremse durch automatisches Öffnen der Drosselklappen reduzieren. Dann noch eine Kit-Kopfdichtung und einen Sport-Luftfilter, und der Motor ist top.“ Wer den linken Unterarm schonen möchte, kann einen Quickshifter anschließen und über die Kit-ECU die Schaltzeiten einstellen.

Tuning in Kürze – RN12

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Andere Ansaugtrichter helfen, das Leistungsloch der RN12 bei 7000/min zu glätten.

2004-2006
Yamaha YZF-R1 (RN12)

Ein teures Zubehörfederbein ist bei der RN12 nicht unbedingt nötig. Von einem Experten überarbeitet, funktioniert das Serienfahrwerk auch im Renneinsatz sehr gut. Die Bremsbeläge sollten gegen Zubehörteile, z. B. von Premier, SBS oder Lucas ersetzt werden. Dazu macht ein Fernversteller für den Bremshebel Sinn. Wer mehr möchte, kann zusätzlich Scheiben von Braking oder Moto-Master montieren.

Längere Ansaugtrichter helfen, das Leistungsloch im mittleren Drehzahlbereich zu füllen. Die Geometrie sollte nur in sehr begrenztem Rahmen verändert werden – hinten maximal 10 mm nach oben, vorn höchstens 5 mm nach unten. Um das Material zu schonen, sind Sturzpads, Motordeckelschützer und eine Zubehörverkleidung Pflicht. Wer das Schaltschema umkehren will, muss sich nach einer passenden Zubehör-Rastenanlage umsehen.

Stärken:
Die RN12 glänzt mit einzigartiger Drehfreude und tollem Handling. Gute Voraussetzungen für ein Rennmotorrad. Mit Zusatzkühler gilt der Fünfventiler als standfest.

Schwächen:
Die Bremse und das Leistungsloch bei 7000/min
sind die großen Schwächen der großen Yamaha. Wenn die Leistung plötzlich wieder ansteigt, drohen Highsider.

Daten Yamaha YZF-R1 (RN12)

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Wenige Modifikationen, großer Nutzen. Eine Zubehör-Verkleidung und Sturzpads lohnen sich bei der R1 immer.


Vierzylinder-Reihenmotor, 5 Ventile/Zylinder, 128,7 kW (175 PS) bei 12500/min*, 107 Nm bei 10500/min*, 998 cm3, Bohrung/Hub: 77,0/53,6 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,4:1, Zünd-/Einspritzanlage, 42-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, U-Kat, Sekundärluftsystem


Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 97 mm, Radstand: 1415 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe, Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe, Federweg v./h.: 120/130 mm


Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17“/6.00 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/50 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln und radialer Bremspumpe vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten


Länge/Breite/Höhe: 2085/800/1105 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 805/855 mm, Lenkerbreite: 630 mm, 204 kg vollgetankt, v./h. 52,0/48,0 %

Hinterradleistung im letzten Gang: 117 kW (159 PS) bei 278 km/h


Beschleunigung 0–100/150/200 km/h: 3,2/5,1/7,5 s,
Durchzug 50–100/100–150 km/h: 5,4/3,9 s
Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h*

Kraftstoffart: Super bleifrei, Durchschnittstestverbrauch: 8,4 Liter/100 km, Tankinhalt 18 Liter, Reichweite: 214 km

13300 Euro (zzgl. Nebenkosten)

Tuning in Kürze – RN19

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So sieht ein echter Racer unter der Verkleidung aus. Die Wave-Bremsscheiben sind kein Muss. Der Bremsen-Fernversteller würde reichen.

2007-heute
Yamaha YZF-R1 (RN19)

Ganz oben auf der Tuningliste stehen auch bei der RN19 eine Rennverkleidung, Sturzpads sowie diverse Motoren- und Rahmenschoner. Der Kupplungsdeckel steht aus der Verkleidung hervor und wird beim Sturz oft beschädigt. Der Motor ist top, das YCC-I funktioniert sehr gut. Eine Renn-Kopfdichtung, eine Komplettanlage, ein Sport-Luftfilter und eine frei programmierbare Kit-ECU plus Quickshifter erhöhen das Potenzial des Vierventilers nochmal. Wer viel Rennstrecke fährt, kommt um einen Zusatzkühler nicht herum. Für die Bremsen lohnen sich Zubehörbeläge und Carbon-Leitungen. Die lange Schwinge ist Geschmackssache und wirkt sich auf das Handling aus. Je nach den Wünschen des Fahrers ist hier die des 2006er-Modells vorzuziehen. Speziell bei der RN19 lohnt sich außerdem eine höhere Verkleidungsscheibe.

Stärken:
Es gibt wenig zu meckern; das System mit den variablen Ansaugtrichtern funktioniert auch im Rennsport tiptop. Die Sechskolben-Bremse ist schon mit Serienscheiben eine Wucht.

Schwächen:
Durch die längere Schwinge ist die aktuelle R1 nicht mehr ganz so handlich wie die RN12. Das elektronische Gas ist gewöhnungsbedürftig – es reagiert leicht verzögert.

Daten Yamaha YZF-R1 (RN19)

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Auf der Rennstrecke mit viel Speed durch die Kurve. Hier spielt die R1 ihre Vorteile voll aus.

Motor:
Vierzylinder-Reihenmotor, 4 Ventile/Zylinder, 132,4 kW (180 PS) bei 12500/min*, 113 Nm bei 10500/min*, 998 cm3, Bohrung/Hub: 77,0/53,6 mm, Verdichtungsverhältnis: 12,7:1, Zünd-/Einspritzanlage, 42-mm-Drosselklappen, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, G-Kat

Fahrwerk:
Leichtmetall-Brückenrahmen, Lenkkopfwinkel: 66,0 Grad, Nachlauf: 102 mm, Radstand: 1415 mm, Upside-down-Gabel, Ø Gabelinnenrohr: 43 mm, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe, Zentralfederbein mit Umlenkung, einstellbar in Federbasis, Zug- und Druckstufe (High-/Lowspeed), Federweg v./h.: 120/130 mm

Räder und Bremsen:
Leichtmetall-Gussräder, 3.50 x 17“/6.00 x 17“, Reifen vorn: 120/70 ZR 17, hinten: 190/55 ZR 17, 320-mm-Doppelscheibenbremse mit radial verschraubten Vierkolben-Festsätteln und radialer Bremspumpe vorn, 220-mm-Einzelscheibe mit Einkolben-Schwimmsattel hinten

Maße und Gewicht:
Länge/Breite/Höhe: 2060/720/1110 mm, Sitz-/Lenkerhöhe: 820/855 mm, Lenkerbreite: 660 mm, 210 kg vollgetankt, v./h. 50,7/49,3 %

Hinterradleistung im letzten Gang: 121 kW (165 PS) bei 265 km/h

Fahrleistungen:
Beschleunigung 0–100/150/200 km/h: 3,2/4,5/7,4 s,
Durchzug 50–100/100–150 km/h: 5,1/4,0 s
Höchstgeschwindigkeit: 285 km/h*

Verbrauch: Kraftstoffart: Super bleifrei, Durchschnittstestverbrauch: 8,1 Liter/100 km, Tankinhalt 18 Liter, Reichweite: 222 km

Preis: 13750 Euro (zzgl. Nebenkosten)

Die aktuelle Ausgabe
PS 05 / 2024
PS 05 / 2024

Erscheinungsdatum 11.04.2024