Geschäfte mit dem guten Schweizer Image

Die Schweizer Gira Financial Group wirbt für Giracoin, den sie als digitale Währung im Gefolge des Bitcoin bezeichnet. Kunden sollen für bis zu 13 000 Franken sogenannte Token-Pakete kaufen. Die Firma hat Verbindungen zu Swisscoin, vor dem die Finanzmarktaufsicht warnt.

Matthias Sander
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Glaubt man einem Video der Schweizer Gira Financial Group AG auf Youtube, so war die Informationsveranstaltung in einem Hotel in Hanoi am 7. Dezember ein grosser Erfolg. Es kamen geschätzt rund 200 Besucher, etwa hälftig Männer und Frauen, alle chic gekleidet. Sie wurden empfangen von zwei tanzenden Drachenfiguren, dann schritten sie über einen roten Teppich in das palastartige Hotel. Auf einem Schild mit der Aufschrift «Giracoin» prangten die Schweizer und die vietnamesische Fahne. Manche Besucher liessen sich fotografieren vor einer grossen Aufstellwand mit dem Slogan «Giracoin – The Swiss Cryptocurrency» («Kryptowährungen» heissen digitale Währungen auch wegen ihrer Verschlüsselungstechnik).

Drinnen, im Saal, sassen die Gäste zu siebt oder acht an grossen, weiss gedeckten Tischen. Auf der Bühne sprachen mehrere Asiaten in eng geschnittenen Anzügen, begleitet von Powerpoint-Präsentationen. Es folgte ein grosser, stämmiger Redner mit schwarzer Sonnenbrille, offenbar der einzige Nicht-Asiate im Saal. Seinen Vortrag beendete er mit einer Siegergeste wie ein Tennisspieler. Es regnete Konfetti. Junge Frauen hängten dem Mann einen Blumenkranz um den Hals und überreichten einen Blumenstrauss, wie bei einer Siegerehrung.

Junge Frauen überreichen Giracoin-Repräsentanten bei einer Informationsveranstaltung in Vietnam Blumen. (Bild: Youtube/Screenshot)

Junge Frauen überreichen Giracoin-Repräsentanten bei einer Informationsveranstaltung in Vietnam Blumen. (Bild: Youtube/Screenshot)

Schnelles Geld, leicht verdient – diese Aussicht lockt immer. Die Gira Financial Group mit Sitz in Hergiswil im Kanton Nidwalden bezeichnet in Werbefilmen Kryptowährungen als Alternative zu staatlichen Währungen, zumal in Zeiten finanzieller Unsicherheit, etwa durch den bevorstehenden Brexit. Gira verweist in ihren tausendfach angeschauten Videos auf Bitcoin, die 2009 geschaffene, erste und grösste digitale Währung. Deren Wert stieg von einst wenigen Rappen auf derzeit rund 900 Franken, mit starken Kursschwankungen zwischendurch. Ähnliche Kursgewinne soll Giracoin erreichen.

Die Facebook-Seite «Viet Nam Giracoin» wirbt: «Du hast Bitcoin (...) am Anfang verpasst? Hier ist deine zweite Chance!!!» Auf der Seite giracoin.com stehen in sieben Sprachen Slogans wie «Sei Teil der finanziellen Revolution» oder «Denke gross und greif nach den Sternen». Die Facebook-Seite «Giracoin Official» wiederum, die mehr als 92 000 «Fans» hat, bewirbt ein «Business Seminar» in einem Hotel im nigerianischen Abuja. Zu sehen ist eine glücklich lächelnde, vierköpfige Familie mit einem rosa Sparschwein und der Slogan: «Vermögen bilden für Durchschnittsfamilien auf der ganzen Welt.»

Token-Pakete für 13 000 Euro

Wie genau soll das geschehen? Interessenten sollen auf giracoin.com Tokens in Paketen kaufen. Das günstigste Paket heisst «Starter», enthält 500 Tokens und kostet 50 Euro. Das teuerste heisst «Executive», enthält 12 000 Tokens und kostet 13 000 Euro. Mit diesen Tokens erwirbt man laut den Werbevideos das Recht auf eine bestimmte Menge Giracoins, die von Firmen-Computern errechnet werden. Dieses Errechnen wird auch Mining (Schürfen) genannt. So könne man sich, im Gegensatz zu Bitcoin, auch ohne Computer- und Englisch-Kenntnisse am Mining beteiligen, heisst es im Video.

Auf giracoin.com werden sogenannte Token-Pakete für bis zu 13 000 Euro verkauft.(Bild: giracoin.com/Screenshot)

Auf giracoin.com werden sogenannte Token-Pakete für bis zu 13 000 Euro verkauft.(Bild: giracoin.com/Screenshot)

Die Pakete sind mit einem Bonussystem verbunden. Für jeden direkt geworbenen «Teampartner» erhält man demnach zehn Prozent von dessen Handelsumsatz. Weitere Boni gibt es unter anderem, wenn man eine Mindestanzahl von bestimmten Token-Paketen kauft, oder wenn man sich aufgrund des Handelsumsatzes seines «Teams» für den «Gira World Pool» qualifiziert, aus dem es halbjährliche Ausschüttungen geben soll.

Der Giracoin soll also durch Empfehlungen wachsen. Ein solches System wird Netzwerk- oder Multi-Level-Marketing genannt. Von da ist es nicht weit zu einem Schneeballsystem, das sich nur so lange aufrecht erhalten lässt, wie neue Kunden stets neues Geld in das System einbringen. Entscheidend ist also die Frage, ob der Giracoin auch einen konkreten wirtschaftlichen Nutzen hat – oder nicht.

Die Antwort fällt bisher mager aus. Die Gira Financial Group bewirbt eine Plattform namens girabuy.com, auf der sich angeblich einst Händler präsentieren sollen, die den Giracoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Laut einem Countdown auf der Seite soll es in 63 Tagen soweit sein. Allerdings hiess es Mitte Dezember auf der Facebook-Seite «Viet Nam Giracoin», dass Gira bereits zum Jahresende einen «Open-Source-Marktplatz» für Händler lancieren werde. Und auf der offiziellen Seite giracoin.com liest es sich unter dem Stichwort «Nutzbarkeit» so, als ob die Plattform bereits funktioniere – denn «eine Kryptowährung hat erst dann einen Nutzen, wenn Sie nutzbar ist».

Firmen-Gründer wehrt sich

Der Gründer und allein zeichnungsberechtigte Verwaltungsrat der Gira Financial Group, Ramon Roger Simon, teilte der NZZ per E-Mail mit, dass sein Unternehmen erste Vereinbarungen mit Partnern für girabuy.com getroffen habe. Mittel- und langfristig wolle die Firma nicht mit der Herausgabe des Giracoin, sondern mit dem Zahlungsverkehr und den Dienstleistungsangeboten rund um diesen Zahlungsverkehr Geld verdienen. Der Zahlungsverkehr mit digitalen Portemonnaies («wallets») solle im Frühjahr 2017 beginnen.

Simon wehrt sich gegen den Vergleich mit Multi-Level-Marketing-Systemen (MLM) wie Onecoin oder Swisscoin, die in Verruf geraten sind. Sein Unternehmen sei nicht davon abhängig, immer neue Kunden zu gewinnen. «Und im Unterschied zu anderen Angeboten erwerben die Käufer bei uns Giracoins, die bereits fortlaufend in der Blockchain [ein digitales Rechenbuch, das Kryptowährungen zugrunde liegt] erzeugt werden und die sie auf einer bereits funktionsfähigen Zahlungsverkehrsinfrastruktur werden einsetzen können», schreibt Simon in seiner E-Mail. Der Zahlungsverkehr funktioniere auch weiter, wenn die Gira Financial Group handlungsunfähig sein sollte. Die Blockchain sei so programmiert, dass sie gegebenenfalls den Quellcode freigebe. Giracoins könnten dann unabhängig von der Gira Financial Group weiter eingesetzt werden, schreibt Simon.

Simons Distanzierung namentlich von Swisscoin lässt aufhorchen. Denn Simon selbst hat im Mai 2016 die Domain swisscoin.us registrieren lassen, unter der heute keine Website erreichbar ist. Erst wenige Tage später registrierte er diverse Gira-Adressen. Es sei erst dann aufgefallen, dass es Swisscoin schon gebe, schreibt Simon in seiner E-Mail. Weiter fällt auf, dass die Facebook-Seite von «Giracoin Viet Nam» auf Bildern einer mutmasslichen Werbeveranstaltung Schilder mit der Aufschrift des fasts namensgleichen «Swiscoin» zeigt. Die Facebook-Seite «Viet Nam Giracoin» wiederum nennt Giracoin in einer Reihe mit Bitcoin, Onecoin und Swiscoin. Dazu schreibt Simon in seiner E-Mail nur allgemein, dass die einzige offizielle Facebook-Seite jene namens «Giracoin Official» sei.

Giracoin auf Warnliste der Stiftung Warentest

Den Betreiber von swisscoin.eu, die Schweizer Euro Solution GmbH, hat die Finanzmarktaufsicht (Finma) Ende September auf ihre Warnliste gesetzt. Auf die Liste kommen Unternehmen, die womöglich ohne nötige Bewilligung arbeiten und auf Fragen der Finma falsche oder keine Angaben gemacht haben. Einen Eintrag macht die Finma auch, wenn sie eine «erhebliche Gefährdung von Anlegern durch Anbieter» vermutet. Zu Einzelfällen äussert sich die Finma generell nicht; zumindest scheint sie im Fall Giracoin nicht aktiv zu sein. Die deutsche Stiftung Warentest hingegen hat die Gira Financial Group wie auch die Betreiber von Onecoin und Swisscoin auf ihre «Warnliste Geldanlage» gesetzt.

Auf Giracoin-Websites wird umgekehrt gern auf die Finma verwiesen, wie überhaupt auf die Schweiz als Garant für Seriosität. Auf giracoin.com heisst es in einem in acht Sprachen verfügbaren Video, Giracoin erfülle alle Bedingungen der Finma, nämlich durch die Mitgliedschaft in einer Selbstregulierungsorganisation (SRO). Tatsächlich ist die Gira Financial Group Mitglied der Zürcher SRO Polyreg. In dem genannten Video und an anderen Stellen wird zudem das Wappen der Eidgenossenschaft und das Bundeshaus in Bern gezeigt. Und es wird darauf verwiesen, dass die komplette Geschäftsleitung aus gebürtigen Schweizer Staatsbürgern bestehe, die bestens vernetzt seien.

Die Gira Financial Group AG betont ihre Schweizer Herkunft, auch mit Bildern des Matterhorns wie in diesem Youtube-Video. (Bild: Youtube/Screenshot)

Die Gira Financial Group AG betont ihre Schweizer Herkunft, auch mit Bildern des Matterhorns wie in diesem Youtube-Video. (Bild: Youtube/Screenshot)

Im Gegensatz zu ähnlichen Coins scheint es für Giracoin tatsächlich eine Blockchain zu geben. Die Website blockexplorer.giracoin.com soll zeigen, dass minütlich neue Datenblöcke für diese «Blockkette» errechnet werden. Die Angaben dort sind nicht überprüfbar, weil die Giracoin-Blockchain im Gegensatz etwa zur Bitcoin-Blockchain privat und nicht öffentlich betrieben wird, nämlich von der Gira Financial Group. Das widerspricht der Grundidee digitaler Währungen und der Blockchain, sich von zentralen Instanzen wie Notenbanken unabhängig zu machen. Wenn die Gira Financial Group will, gibt es die Giracoin-Blockchain morgen nicht mehr.

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