Für AMS-Aktien braucht es starke Nerven

Seit der Sensorenhersteller AMS die deutsche Technologiefirma Osram Licht einverleiben will, befindet sich der Kurs der AMS-Aktien auf einer Berg-und-Tal-Fahrt. Die Mitte 2020 vollzogene Übernahme ist ein gewaltiger Brocken, an dem AMS noch einige Zeit zu kauen hat.

Giorgio V. Müller
Drucken
Angestellte des österreichischen Sensorspezialisten AMS in der Fabrik in Unterpremstätten.

Angestellte des österreichischen Sensorspezialisten AMS in der Fabrik in Unterpremstätten.

Leonhard Foeger / Reuters

Wer in Aktien von AMS investiert, muss über starke Nerven verfügen. Dem österreichischen Hersteller von Sensoren, dessen Wertpapiere an der SIX Swiss Exchange gehandelt werden, gelingt es immer wieder, die Investoren zu begeistern – oder zu enttäuschen. Das war auch am Dienstag der Fall, als die Zahlen zum Geschäftsjahr 2020 veröffentlicht wurden. Obwohl sie die Prognosen der Analytiker übertrafen, tauchte der Aktienkurs um 10% und ging mit einem Tagesverlust von 7,1% aus dem Markt. Die für das traditionell flaue Startquartal in Aussicht gestellte Prognose für AMS allein (Umsatz +4%, adjustierte Ebit-Marge 21%) genügte offenbar nicht.

Volatile AMS-Aktien

Kurs AMS im Vergleich zum SPI (indexiert)
AMS
Swiss-Performance-Index

Die typische Flatterhaftigkeit des Aktienkurses (vgl. Grafik) hat zu einem guten Teil mit dem operativen Geschäft zu tun, das stark von den grossen Mobiltelefonherstellern abhängt. Über den Hauptkunden Apple darf AMS nicht öffentlich sprechen, obwohl alle wissen, wie wichtig er für das Unternehmen ist. Aus dem schnelllebigen Konsumgütersektor kamen bisher vier Fünftel der Einnahmen.

Zwecks Minimierung dieses Klumpenrisikos hat AMS dem deutschen Technologieunternehmen Osram Licht im Sommer 2019 eine Übernahmeofferte unterbreitet. Nach langem Hin und Her war sie per Mitte 2020 von Erfolg gekrönt. AMS kontrolliert nun 71% der Firma. Im zweiten Semester 2020, ab dem Osram erstmals voll in die AMS-Rechnung einfloss, belief sich der Anteil des Konsumgütergeschäfts nur noch auf 37%.

Noch nicht ganz am Ziel

Juristisch ist der langwierige Übernahmekampf jedoch noch nicht zu Ende, denn gegen den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ist Klage eingereicht worden. Zwar ist AMS zuversichtlich, dass die Sperre aufgehoben wird und die Integration «in absehbarer Zeit» umgesetzt werden kann. Bis dann muss noch zweigleisig gefahren werden.

Dank Osram ist AMS stärker differenziert. Ein Wermutstropfen ist nur, dass die im Automobilgeschäft erwirtschafteten Einnahmen zwar nun gut einen Drittel ausmachen, aber einen Sektor betreffen, der zurzeit in einer Krise steckt. Immerhin gelang es Osram im Schlussquartal, die bereinigte Ebit-Marge wieder knapp in den zweistelligen Prozentbereich zu hieven. Bei AMS allein belief sie sich auf 27%.

Schulden abgebaut

Die Übernahme von Osram ist jedoch nicht nur ein juristischer, sondern auch ein finanzieller Kraftakt. Osram ist grösser und beschäftigt mehr Mitarbeiter. Erfreulicherweise erarbeitet sich AMS ausreichend Mittel, um die hohe Verschuldung abzubauen. Ende Jahr betrug die Nettoverschuldung noch gut 2 Mrd. $. Mit einer Verschuldungsquote von 1,7 Mal ist die Bilanz in solider Verfassung. Mit der Ausgabe von Wandelanleihen, Junk-Bonds und zusätzlicher Brückenfinanzierung bei den Banken sei die Finanzierung bis zur Vollkonsolidierung von Osram sichergestellt, erklärte der Konzernchef Alexander Everke an einer Telefonkonferenz.

Im Gegensatz zum nun ausgewogeneren Geschäftsmodell dürften die AMS-Valoren so lange volatil bleiben, bis die Osram-Übernahme vollständig verdaut ist.

Mehr von Giorgio V. Müller (gvm)