Je früher die Massnahmen kamen, desto besser – eine Analyse von sechs stark vom Coronavirus betroffenen Regionen weltweit

Im weltweiten Kampf gegen die Covid-19-Pandemie haben Regierungen einschneidende Massnahmen erlassen und teilweise sogar wieder gelockert. Aber wie und wann wirken diese? Ein Blick in schwer betroffene Regionen in Italien, der Schweiz, den USA, Südkorea und China.

Katrin Büchenbacher, Christian Kleeb, Alexandra Kohler, Jonas Oesch
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In den vergangenen Wochen haben viele Regierungen weltweit im Kampf gegen das Coronavirus zu rigorosen Massnahmen gegriffen. Sie möchten die Bevölkerung vor einer ungebremsten Ausbreitung des Virus schützen und die Spitäler vor dem Kollaps bewahren.

Jedoch haben sich die Ausbrüche wegen unterschiedlicher Vorgehensweisen unterschiedlich entwickelt. Das zeigt eine Analyse der Massnahmen im Tessin, in der Lombardei, im Gliedstaat New York, in Daegu in Südkorea, in der Provinz Hubei und der Stadt Schanghai in China. In allen Regionen wollen Entscheidungsträger dafür sorgen, dass die Kontakte zwischen Personen minimiert werden. Denn Epidemiologen sind sich einig, dass das konsequente Social Distancing das wirksamste Mittel ist, um eine Pandemie zu stoppen oder einzudämmen.

Schanghai und Daegu bekamen den Ausbruch am schnellsten in den Griff

Schanghai und Daegu bekamen den Ausbruch am schnellsten in den Griff

Wenn sich die gemeldeten Coronavirus-Infizierungen in kurzer Zeit verdoppeln, heisst das, das Virus verbreitet sich schnell. Eine Verdoppelung in 30 Tagen und mehr bedeutet, das Virus verbreitet sich nur noch sehr langsam. Die obenstehende Grafik zeigt also: In Schanghai und Daegu konnte das Virus am schnellsten eingedämmt werden. Aber auch im Tessin dauerte es nur wenige Tage, bis die anfangs sehr schnelle Ausbreitung verlangsamt wurde. Das Tessin hat es nun geschafft, die Ausbreitung stark zu bremsen. Der Staat New York hat erst spät Schulen geschlossen und das öffentliche Leben lahmgelegt. In der Grafik zeigt sich das: Erst drei Wochen nach dem 100. Fall kann die Ausbreitung dort etwas gebremst werden.

Schnell zu reagieren zahlt sich also aus, wie sich an den Beispielen Schanghai und Tessin zeigt. In beiden Regionen kamen die Massnahmen früh. Aber auch drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens scheinen zu wirken, wie das Beispiel Hubei zeigt.

In der folgenden Darstellung wird sichtbar, wie weit die Coronavirus-Epidemien in den sechs Regionen jeweils fortgeschritten sind. Die Länge der Linie bedeutet, wie lang die Epidemie bereits dauert.

Sechs stark betroffene Regionen im Vergleich

Sechs stark betroffene Regionen im Vergleich

Im Folgenden schauen wir die Regionen genauer an. Die Grafiken zeigen die bestätigten Coronavirus-Infizierungen je Region. Die Steigung der Kurve ist entscheidend: Sie zeigt die Zunahme der Infektionen. Bis sich der Effekt einer bestimmten Massnahme in den Zahlen zeigt, vergehen aber ein bis zwei Wochen. Einerseits verstreichen zwischen der Ansteckung und dem Auftreten erster Symptome in etwa fünf Tage. Andererseits braucht der Sars-CoV-2-Test und dessen Auswertung Zeit, weswegen die Anzahl bekannter Infizierter stets der Realität hinterherhinkt.

1. China: Starke Massnahmen in der Provinz Hubei kommen auch Schanghai zugute

In Wuhan, einer 14-Millionen-Stadt im Herzen Chinas, stellen Ärzte das neuartige Coronavirus im Dezember zum ersten Mal fest. Vermutlich hat es schon im November die ersten Erkrankten gegeben.

Hubei greift zu drastischen Massnahmen, um die Ausbreitung zu stoppen

Hubei greift zu drastischen Massnahmen, um die Ausbreitung zu stoppen

Am 23. Januar riegeln die Behörden Wuhan komplett ab. Es ist die erste Massnahme zur Eindämmung, die China trifft. Zu dem Zeitpunkt gibt es bereits über 550 Infizierte in ganz China und 17 Tote. Zudem melden andere Länder in Asien und die USA je einen ersten Fall.

Die Fallzahlen steigen in Wuhan rasant an. Da bis zu 3000 Neuansteckungen am Tag gemeldet werden, ist das Gesundheitssystem schnell überfordert. Um die Kranken aufzunehmen und zu isolieren, baut die Regierung in Rekordzeit neue Spitäler. Bis zu 60 000 Betten werden so geschaffen. Mehr als 40 000 Gesundheitsfachpersonen aus dem Rest Chinas kommen der Provinz Hubei zu Hilfe.

Weitere Massnahmen zur Eindämmung setzen die Lokalbehörden in Wuhan und anderen Städten und Provinzen Chinas ab dem 23. Januar konsequent und rasch um. Seit den Neujahrsferien am 24. Januar sind Schulen, Geschäfte und Fabriken geschlossen. Bald sind laut Medienberichten über 760 Millionen Menschen in China von einer Art Hausarrest betroffen und dürfen nur mit einem Passierschein einkaufen oder müssen Essen nach Hause bestellen.

Kontaktpersonen von Infizierten werden strikt isoliert. Im Internet zirkulieren Videos, die zeigen, dass der Zugang zu Wohnungen, Quartieren und Dörfern gesperrt wird. Menschen in Schutzkleidung zerren Familienmitglieder von Infizierten aus dem Haus in die Zwangsisolation. Wer als infizierte Person die Quarantäne verletzt, muss mit Strafen von drei Jahren Gefängnis und bei schweren Verstössen gar mit der Todesstrafe rechnen.

Erfolgreiche Epidemiebekämpfung dank frühen Massnahmen in Schanghai

Erfolgreiche Epidemiebekämpfung dank frühen Massnahmen in Schanghai

In anderen Städten Chinas, wie in Schanghai, erlassen die Entscheidungsträger weniger einschneidende Regelungen. Die Stadt hat die Epidemie vorbildhaft in den Griff bekommen. Am 24. Januar gibt es in Schanghai erst 20 Fälle, und trotzdem wird der Schulbeginn nach den Neujahrsferien am 2. Februar bis auf unbestimmte Zeit verschoben. Es gibt Einreisekontrollen für Personen aus der Provinz Hubei, der Verkehr zwischen den Provinzen wird eingeschränkt. Neujahrsfeierlichkeiten finden nicht statt.

Auch nach den verlängerten Ferien bleiben viele Geschäfte, Fabriken und Restaurants geschlossen, und die Menschen werden angehalten, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Stadt von 22 Millionen Einwohnern kann einen schlimmen Ausbruch verhindern: Es gibt bis anhin nur etwas mehr als 400 Fälle laut offiziellen Meldungen der lokalen Gesundheitsbehörden. Es kommt der Stadt und vielen weiteren Provinzen in China zugute, dass die Behörden so rasch reagierten, als es in der Provinz Hubei schlimmer wurde.

Zwei Monate nach der Abriegelung von Wuhan hat sich die Situation in ganz China stabilisiert. Das Land meldet nur vereinzelt Neuansteckungen und asymptomatische Fälle und kehrt unter strengen Vorsichtsmassnahmen wieder zum Normalbetrieb von öffentlichem Leben und Arbeiten zurück. Die Menschen der Provinz Hubei dürfen ab dem 25. März, wenn sie gesund sind, wieder auf die Strasse und sogar die Provinz verlassen. Am 8. April hebt Wuhan den Lockdown auf. Ausländer dürfen seit dem 28. 3. nicht mehr nach China einreisen. Einen Grossteil der neuen Fälle stellen Auslandchinesen, die nach China zurückkehren.

2. Südkorea: mit Testen, rigoroser Kontaktverfolgung und Isolation die Ausbreitung schnell verlangsamt

Als chinesische Forscher Anfang Januar zum ersten Mal die genetische Sequenz des Coronavirus veröffentlichen, beginnen südkoreanische Firmen mit der Entwicklung und Lagerung von Testkits an der Seite der Regierung – lange bevor das Land seinen ersten Ausbruch hat.

Strikte Überwachung von Kranken, dafür mehr Freiheiten für Gesunde in Daegu-Gyeongbuk

Strikte Überwachung von Kranken, dafür mehr Freiheiten für Gesunde in Daegu-Gyeongbuk

Südkorea hat sich also extrem früh in Stellung gebracht, um das Coronavirus zu bekämpfen. Am 4. Februar verhängt die Regierung einen Einreisestopp für Personen aus der chinesischen Provinz Hubei. Die Erfahrungen mit Sars und Mers haben das Land gelehrt: Das neuartige Coronavirus muss ernst genommen werden.

Südkorea testet also bereits früh und hat die Epidemie somit lange gut im Griff, bis eine sogenannte Superverbreiterin etwa 70 Anhänger der christlichen Sekte Shincheonji in Daegu, einer Stadt im Südosten des Landes, ansteckt. Als dieser Ausbruch Mitte Februar bekannt wird, fangen die Behörden sofort an, die Betroffenen zu testen und die Infizierten strikt zu isolieren. Ab dem 24. Februar führt Südkorea täglich bereits mehr als 8000 Tests durch – über 100 pro Million Einwohner.

Trotzdem gibt es am 20. Februar bereits mehr als 100 Personen mit positivem Ergebnis. Eine erste Person stirbt. Am 21. Februar erklärt die Regierung Daegu und die nahe Stadt Cheongdo in der umliegenden Provinz Gyeongbuk zur «Special Care Zone». Die Zahlen steigen rapide an, insbesondere in der am schwersten betroffenen Stadt Daegu. Bis heute ist die Stadt für über 70 Prozent aller Fälle landesweit verantwortlich, davon sind über die Hälfte auf Anhänger der Sekte zurückzuführen.

Die Strategie heisst nun weiterhin: testen, testen, testen. Für Menschen mit Symptomen oder Kontakt zu Corona-Erkrankten sind die Tests kostenlos und werden einfach zugänglich gemacht. Patientinnen können entweder mit dem Auto in eines der 40 Drive-in-Testing-Zentren vorfahren oder sich zu Fuss in einer isolierten «Telefonkabine» testen lassen. In ganz Südkorea gibt es 600 Testing-Stationen. Das flächendeckende Testing soll dabei helfen, Fälle und Cluster von Infizierten im Lande aufspüren. Danach folgen ebenso wichtige Teile der Strategie: ein rigoroses Contact-Tracing von Infizierten, darauf folgt eine strenge 14-tägige Quarantäne.

Das Vorgehen scheint erfolgreich zu sein: Südkorea hat es geschafft, die Ausbreitungsgeschwindigkeit innerhalb weniger Tage nach dem Ausbruch in Daegu stark zu verlangsamen. Am 3. März ist die Verbreitung noch schnell und ungebremst. Nur vier Tage später ist die Kurve der Neuansteckungen deutlich flacher.

Mit den steigenden Fallzahlen fuhr das Land seine Testing-Kapazitäten hoch. Südkorea ist eines der Länder mit den meisten Tests pro Einwohner.

Südkorea hat es geschafft, ohne ein Ausgangsverbot und ohne extreme Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen und unternehmerischen Freiheiten die Lage unter Kontrolle zu bekommen. Schulen sind zwar zu, und Menschen arbeiten im Home-Office, wenn sie können, aber Daegu ist nicht abgeschottet. Trotzdem hat Südkorea die Neuansteckungen stark reduzieren können. Täglich stecken sich nur noch einige Dutzend an, Anfang März waren es täglich über 500. Für viele ist Südkorea deshalb ein Vorbild für eine erfolgreiche Epidemiebekämpfung ohne Stilllegung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Dafür nutzt Südkorea auch moderne Datenüberwachung wie Kreditkartenzahlungen, Mobiltelefonnutzung und Überwachungskameras, um Wege und Kontakte von infizierten Personen über zwei Wochen zurückzuverfolgen. Die Bewegungsprofile von infizierten Personen macht eine App öffentlich zugänglich. Nutzer der App erhalten eine Push-Nachricht, sobald sich im Umkreis von 100 Metern eine infizierte Person befindet. Damit das möglich ist, hat Südkorea die Datenschutzrichtlinien gelockert.

3. Italien: Nach vier Wochen Hausarrest flacht die Kurve in der Lombardei weiter ab

Italien zählt bisher knapp 140 000 Fälle und mehr als 17 000 Tote (Stand 8.4.). Damit ist Italien nach den USA und Spanien das am drittstärksten betroffene Land weltweit. Besonders hart getroffen hat es die Lombardei im Norden des Landes. Die Lombardei mit mehr als 10 Millionen Einwohnern stellt mehr als 40 Prozent aller bisher bestätigten Infektionen.

Die Lombardei hat mit strengen Massnahmen die Ausbreitung stark gebremst

Die Lombardei hat mit strengen Massnahmen die Ausbreitung stark gebremst

Am 23. Februar werden in der Lombardei schon über 100 Personen positiv getestet. Die Behörden reagieren: Etwa 50 000 Bewohner in Region Lodi südöstlich von Mailand werden in Quarantäne gesetzt, der Bereich wird «rote Zone» genannt. Schulen werden geschlossen, Events abgesagt, in den Kirchen finden keine Messen statt. Auch Büros sind zu.

Die Sperrmassnahmen werden am 25. Februar auf weite Gebiete Norditaliens ausgedehnt. Doch das Virus verbreitet sich weiter, innerhalb und ausserhalb der Lombardei. Am 2. März zählt die Lombardei schon über 1000 Fälle. Zwei Tage später unternimmt die italienische Regierung einen drastischen Schritt und schliesst landesweit die Schulen und Universitäten.

Am 8. März verkünden die Entscheidungsträger, dass grossteils Geschäfte, Arbeitsstätten und öffentliche Einrichtungen geschlossen werden. Restaurants sind noch beschränkt geöffnet. In der Lombardei haben nun bereits zwölf Städte eine Ausgangsbeschränkung. Die Menschen sollen ihre Häuser nur noch für das Nötigste verlassen: Lebensmittel einkaufen, zur Apotheke, zum Arzt gehen, zur Arbeit gehen, falls Home-Office nicht möglich ist.

Das Coronavirus breitet sich anscheinend ungebremst weiter aus. Einen Tag später, am 9. März, geht Ministerpräsident Conte noch einen Schritt weiter. In seiner abendlichen Ansprache verkündet er die Ausgangssperre für das ganze Land. «Es wird keine rote Zone mehr geben [. . .]. Es gibt nur Italien, Italien als Schutzzone», sagt er. Was bisher für die Lombardei galt, gilt nun für das ganze Land. Die Polizei soll kontrollieren, dass die Ausgangssperre eingehalten wird.

Mehr als vier Wochen haben die Italiener nun also schon Hausarrest. Ab dem 18. März verlangsamt sich der Anstieg der Kurve der bestätigten Fälle in der Lombardei endlich merklich. Die Zahlen verdoppeln sich nur noch alle acht Tage, nicht mehr alle vier oder fünf – die Massnahmen scheinen zu wirken. Am 21. März werden die Einschränkungen abermals verschärft. Die Industrie wird stillgelegt, ausgenommen der strategisch wichtigen Branchen: Energie, Verkehr, Lebensmittel sowie Gesundheitswesen. Sportliche Betätigung im Freien wird ganz verboten.

Die Lombardei steht still. Zwar kommen noch täglich etwa tausend Neuansteckungen hinzu, aber es gibt auch gute Nachrichten. Seit dem 7. April verdoppeln sich die Fallzahlen nur noch alle 30 Tage – das heisst die Ausbreitung wurde stark gebremst. Die Lombardei hat im Vergleich mit Schanghai oder der Schweiz zwar lange gewartet, bis Massnahmen ergriffen wurden. Dafür zahlt sich die Härte der Massnahmen jetzt aus.

4. Schweiz: Ausbreitung im Tessin seit dem 8. April stark gebremst

Das Coronavirus kommt am 24. Februar in die Schweiz. Ein Rentner aus dem Tessin schleppt das Virus aus Italien ein. Bereits drei Tage später reagieren die Tessiner Behörden: Fasnachtsveranstaltungen werden abgesagt, Rekruten dürfen nicht mehr in den Ausgang. Am 28. Februar, ruft der Bund für die Schweiz die «besondere Lage» aus: Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen sind verboten, was Veranstaltungen wie die Basler Fasnacht trifft. Zudem lanciert das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine schweizweite Hygienekampagne und ruft alle Bürger zum Händewaschen auf.

Das Tessin konnte die Ausbreitung dank früher Massnahmen relativ bald stoppen

Das Tessin konnte die Ausbreitung dank früher Massnahmen relativ bald stoppen

Langsam wird klar: Jetzt ist zwar erst das Tessin betroffen, bald wird sich das Virus in der ganzen Schweiz verbreiten. Die Ausbreitung muss sofort gestoppt werden. Die ersten Fälle werden einzeln nachvollzogen – die Schweiz betreibt also das sogenannte Contact-Tracing – jedoch nur für kurze Zeit. Bereits nach wenigen Tagen stellen die Behörden die Fallverfolgung wieder ein.

Die Schweiz testet etwa seit dem 28. Februar intensiver als zuvor. Bis zu 1000 Tests pro Tag werden durchgeführt – genaue Zahlen auf den Tag liegen allerdings keine vor. Wenn man den ungefähren Angaben glaubt, dann hat die Schweiz aber auf die Einwohnerzahl gerechnet vergleichsweise früh sehr viel getestet.

Am 3. März zählt die Schweiz bereits landesweit bereits 54 positiv getestete Personen, am 6. März sind es 206 positiv getestete – 37 davon im Tessin. Das BAG verkündet, dass nur noch Menschen aus Risikogruppen und stark Erkrankte getestet werden.

Die Infektionszahlen im Tessin beginnen nun anzusteigen, erst ganz langsam, wie das beim exponentiellen Wachstum üblich ist. Am 12. März meldet das Tessin 131 Infizierte, am Folgetag 170. Die Zahlen verdoppeln sich etwa alle drei Tage. Im Nachbarland Italien wird beobachtet, dass sich die Situation täglich verschlimmert. Am 12. März ruft das Tessin den Notstand aus. Kinos, Theater, Jugendklubs, Skigebiete und Discos werden geschlossen, und auch Gymnasien und Berufsschulen.

Am 13. März überschlagen sich in der Schweiz die Ereignisse: Der Bundesrat beschliesst, «das Leben in der Schweiz herunterzufahren». Geschäfte werden landesweit geschlossen, nur noch Apotheken, Ärzte und Lebensmittelgeschäfte bleiben offen. Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen werden verboten, in Restaurants, Bars und Diskotheken dürfen sich maximal 50 Personen aufhalten. Alle Skigebiete müssen bis Ende der Saison schliessen.

Es soll aber keine Ausgangssperre mit polizeilichen Kontrollen geben wie in Italien. Stattdessen appelliert der Bundesrat an die Vernunft der Bürgerinnen und Bürger. Aber de Facto hat die Bevölkerung Hausarrest: Alle sollen zu Hause bleiben, und wer kann, soll zu Hause arbeiten. Ab Montag, dem 16. März, werden alle Schulen schweizweit geschlossen.

Das Tessin geht am 23. März noch einen Schritt weiter und schliesst auch die Industriebetriebe, während schweizweit in der Industrie noch weitergearbeitet wird. Seit dem 16. März hat sich die Verdopplung der Zahlen im Tessin immer weiter verlangsamt. Am 29. März, also etwas mehr als zwei Wochen nach dem Lockdown, verdoppeln sich die Zahlen nur noch alle acht Tage: das bedeutet die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist moderat. Seit dem 8. April verdoppeln sich die Zahlen nur noch alle 30 Tage. Das Tessin konnte die Ausbreitung also stark abbremsen.

5. USA: 21 Tage ungebremste Ausbreitung des Coronavirus im Staat New York

Die USA haben im Vergleich mit den oben genannten Ländern sehr spät auf die Corona-Krise reagiert. Den ersten bestätigten Fall in den USA gibt es bereits am 21. Januar im Gliedstaat Washington. Bis einschneidende Massnahmen ergriffen werden, sind die USA mit landesweit 8000 Fällen aber schon stark betroffen.

In China eskaliert die Situation, die USA beobachten das Geschehen. Trump verkündet, dass Ausländer, die sich in China aufgehalten hätten, nicht mehr einreisen dürften. Amerikanische Bürger, die in Hubei waren, müssen bei der Einreise in die Heimat in Quarantäne. Das Risiko einer Ansteckung in den USA sei nach wie vor aber gering, sagt der Chef der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC am 31. Januar.

Der Staat New York reagiert erst nach mehr als 2000 Fällen

Der Staat New York reagiert erst nach mehr als 2000 Fällen

Das Virus aber breitet sich in den USA aus – am 24. Februar sind erst 50 Fälle bekannt, am 3. März 100. Die Dunkelziffer in den USA dürfte jedoch bereits zu jenem Zeitpunkt sehr viel höher gewesen sein, denn es wurden anfangs wenige Tests durchgeführt.

Als in Europa die Pandemie Anfang März schon sehr ernst genommen wird, sagt der amerikanische Präsident Donald Trump noch immer öffentlich, die USA kämen locker mit einem Virus wie Sars-Cov-2 klar. Erst am 13. März kündigt Trump den «state of emergency» für das ganze Land an. Am Folgetag verbietet die Regierung die Ein- und die Ausreise in jene Länder, die stark vom Coronavirus betroffen sind, vor allem in jene in Europa.

Am 17. März werden in den USA bereits knapp 5000 bestätigte Infizierungen gemeldet und über 100 Tote. Die Strategie der Eindämmung der Epidemie mittels Kontaktverfolgung und Isolation von Infizierten nützt nun nichts mehr – bei einer so hohen Fallzahl kann die Ausbreitung nicht mehr gestoppt werden. Die US-Gliedstaaten beginnen mit Massnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung. Laut dem so genannten Covid-Tracking-Projekt wird seit Mitte März auch viel mehr getestet. Das Gemeinschaftsprojekt versucht, möglichst vollständige Informationen der Tests in den USA zu sammeln. Die Daten stammen von den Gesundheitsministerien der Bundesstaaten und lokalen Nachrichtenberichten.

Der Gliedstaat New York wird am härtesten von der Epidemie getroffen. Am 17. März – als im Staat bereits über 2382 Fälle gemeldet werden und vier Tage nach der Ausrufung des nationalen Notstands – verkündet der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo, dass die Schulen und Universitäten im ganzen Staat schliessen müssten. Am Folgetag sagt er, 75 Prozent aller Personen in nicht essenziellen Jobs sollten von zu Hause aus arbeiten. Einen Tag später zieht er die Schraube weiter an: Die Menschen im Gliedstaat sollten in ihren Häusern bleiben und nur für das Nötigste ihr Haus verlassen. Alle Menschen ausser jene mit essenziellen Jobs sollten von zu Hause aus arbeiten.

Andrew Cuomo hält inzwischen jeden Tag eine Pressekonferenz ab, an der er den Bewohnern des Staates New York die Lage anhand von Daten und Fakten erklärt. Er spricht Klartext: Es gehe nun darum, wenn möglich jedes Leben zu retten. Donald Trump hat auf Wunsch Cuomos das Lazarettschiff «USNS Comfort» mit 1000 Liegeplätzen sowie mehreren Operationssälen in den Hafen von New York City geschickt. Die Spitäler im Staat New York sind überlaufen.

Derzeit sind im Staat New York mehr als 140 000 Personen infiziert. Und täglich kommen viele Neuinfektionen hinzu. Doch der seit zwei Wochen andauernde Lockdown zeigt mittlerweile Wirkung: Seit dem 4. April verdoppeln sich die Zahlen nur noch alle 8 bis 9 Tage, die Ausbreitung wurde also zumindest etwas gebremst.

Mehr von Katrin Büchenbacher (k.b.)

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