EuGH bremst neue Gentech-Pflanzen aus

Es ist ein wegweisendes und überraschendes Urteil: Immer wenn gentechnische Methoden zu Veränderungen am Pflanzenerbgut führen, müssen die Produkte gekennzeichnet werden.

Stephanie Lahrtz, München
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Bis jetzt gab es Crispr-Lebensmittel noch nicht zu kaufen. Doch in den USA soll bald ein Mais mit mehr Stärke auf den Markt kommen. (Bild: Geoff Hansen / AP)

Bis jetzt gab es Crispr-Lebensmittel noch nicht zu kaufen. Doch in den USA soll bald ein Mais mit mehr Stärke auf den Markt kommen. (Bild: Geoff Hansen / AP)

Organismen, die beispielsweise mit der neuen Genschere Crispr/Cas9 verändert wurden, fallen unter das strenge europäische Gentechnikrecht. Somit müssen Pflanzen, die nur wenige, gezielte Veränderungen aufweisen und zudem keine Fremdgene eingebaut bekamen, auch als gentechnisch veränderte Organismen geprüft und gekennzeichnet werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch in einem Grundsatzurteil entschieden.

Kennzeichnung notwendig

Die Richter des EuGH zeigten sich überzeugt, dass die möglichen Risiken von Pflanzen, die mit den neuen gentechnischen Methoden verändert wurden, prinzipiell ähnlich sind wie jene Gefahren, die durch den Einbau eines Fremdgens entstehen könnten. Aus Gründen der Vorsicht müsse man daher alle Pflanzen, die mithilfe der Gentechnik verändert worden seien, sorgfältig prüfen. Somit werden alle solchen Pflanzen der strengen Richtlinie für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) unterworfen.

Alle gentechnisch veränderten Pflanzen werden gleich streng reguliert

Alle gentechnisch veränderten Pflanzen werden gleich streng reguliert

Nach dem Urteil müssen Lebensmittel, die mit solchen Methoden verändert wurden, im Supermarkt speziell gekennzeichnet werden. Der Verbraucher kann sie so ohne weiteres erkennen. Da GVO in Europa von den Konsumenten sehr kritisch gesehen werden, dürfte das Urteil viele beruhigen.

Unerwartetes Urteil

Mit diesem Urteil hat das EuGH für eine grosse Überraschung gesorgt. Denn zum einen widersprechen die Richter der Einschätzung des Generalanwalts, die er im Januar vorgetragen hatte. Zum anderen widersprechen sie den wissenschaftlichen Aussagen von Forschern wie Wissenschaftsorganisationen rund um den Globus bezüglich der neuen gentechnischen Verfahren.

Denn laut den wissenschaftlichen Publikationen sind die durch Crispr/Cas9 herbeigeführten genetischen Veränderungen teilweise so subtil, dass sie genauso durch natürliche Vorgänge wie Sonnenlicht entstehen könnten. Auch UV-Licht verändert Gene, daher bekommen Menschen durch zu viel Sonnenlicht Hautkrebs. Und auch das geerntete Maiskorn ist genetisch nicht identisch mit jenem, das ausgesät wurde. Doch dies bewerteten die Richter anders. So schreiben sie in ihrer Begründung, dass «durch die Verfahren und Methoden der Mutagenese (also durch Methoden, die das Erbgut verändern) eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen wird».

Die Befürworter von Crispr-Pflanzen führen immer an, dass diese Gewächse oftmals ununterscheidbar seien von heutigem Saatgut, das mit alten Verfahren genetisch verändert worden sei. Denn sowohl konventionelles als auch Biosaatgut wird oftmals durch die Behandlung mit Chemikalien oder radioaktive Bestrahlung erzeugt – um neue Eigenschaften zu erhalten, benötigt man Genveränderungen. Die EuGH-Richter schreiben nun zwar, dass auch solche Methoden Mutagenesen seien und damit hergestellte Produkte daher eigentlich unter die GVO-Richtlinie fallen könnten. Doch weil die Methoden schon lange angewandt würden, könne man sie als sicher bezeichnen.

Die Richter haben also insgesamt weniger das Produkt, also die veränderte Pflanze bewertet, als vielmehr das Herstellungsverfahren, das unbestritten eine gentechnische Methode ist. Und diese gilt ihnen als potenziell gefährlich und daher kontrollbedürftig.

Bald Crispr-Lebensmittel im Supermarkt?

Bisher gab es Crispr-Lebensmittel im Supermarkt nicht zu kaufen. Das könnte sich allerdings ändern, da in den USA eine Sojabohne mit weniger Transfettsäuren oder ein Mais mit mehr Stärke in den kommenden Monaten auf den Markt kommen sollen. Sollten diese nach Europa exportiert werden, müssten sie als GVO gekennzeichnet werden.

Gentechnikkritiker warnten vor der Urteilsverkündung, Crispr-Pflanzen ohne Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung zuzulassen. Schliesslich seien sie nicht mehr rückholbar, wenn sie einmal in der Natur seien. Allerdings gilt dies für alle heute gezüchteten Sorten, die ebenfalls genetische Veränderungen im Vergleich zu früheren Sorten aufweisen, auch. In einer ersten Stellungnahme begrüsste Greenpeace Schweiz das Urteil, schliesslich seien noch nicht alle möglichen Risiken der Crispr-Technologie bekannt.

Der Deutsche Bauernverband fürchtet hingegen, dass im Agrarbereich wichtige Züchtungsoptionen fehlten, wenn die neuen Methoden streng reguliert würden. Wie auch Wissenschafter erhofft er sich von den neuen Methoden Pflanzen, die resistent gegen Trockenheit oder salzige Böden sind oder eine bessere Nährstoffzusammensetzung besitzen.