God of War: Kolumne zu Sonys PS4-Exklusivspielen - Uncharted, The Last of Us, wo bleibt die Individualität?
Sony produziert exzellente PS4-Spiele - aber God of War, Uncharted und The Last of Us nähern sich immer stärker an. Crafting, Dialoge, Third-Person-Perspektive: Geht die Eigenständigkeit der Exklusiv-Serien verloren? Ein nachdenklicher Kommentar von Redakteur Peter Bathge in seiner neuen Kolumne zu Sonys Exklusivspielen für die Playstation 4.
Das Videospiele-Jahr 2018 wirft eine neue, unbequem Frage auf: Ähneln sich First-Party-Titel für Sonys Playstation 4 wie God of War, Uncharted 4 und The Last of Us 2 zu sehr? Der Release von God of War für die PS4 war ohne Zweifel ein sagenhafter Erfolg, das Spiel ein grandioser Hit mit Meisterwerk-Anleihen. Aber der jüngste Auftritt von Kratos nähert sich in Sachen Gameplay, Erzählweise und Präsentation auch auffällig an die Spiele aus dem wohl beliebtesten PS4-Exklusivstudio Naughty Dog an.
Kopierte Spielelemente und die Übernahme erfolgreicher Konzepte sind nichts Neues in der Videospielbranche. Aber wenn dies nun sogar innerhalb eines Unternehmens geschieht und im Austausch dafür auf individuelle Stärken verzichtet wird, welche die fraglichen Serien überhaupt erst besonders gemacht haben, dann mache ich mir Sorgen um die PS4-Exklusivszene. Auch wenn Sonys Spiele zuletzt stets neue Qualitätsstandards setzten: Tut zu viel Vereinheitlichung der Playstation weh? Quelle: PC Games
Vision einer nicht allzu fernen Zukunft
Nathan Drakes Schuhgröße ist 48. Glaubt ihr nicht? Dann schaut euch doch einfach mal die Fußstapfen an, die der charmante Abenteurer nach seinem Ruhestand in Uncharted 4 hinterlässt. Riesengroß, nicht wahr? Chloe und Nadine aus The Lost Legacy können die auf keinen Fall alleine füllen. Dafür braucht es schon einen richtigen Kerl, komplett mit Bart und Breitaxt. Kratos scheint mir der genau richtige Ersatz für den smarten Uncharted-Helden zu sein: Der God-of-War-Recke würde beim Abenteurern in exotischen Locations auf dem ganzen Erdball mal so richtig auf die Pauke hauen. Ein Deckungssystem braucht er nicht, Gegner zerreißt er einfach mit bloßen Händen in der Luft.
Bei den Rätseln kommt eine einzigartige, neue Spielmechanik zum Einsatz: Je länger der Spieler ratlos vor einer antiken Maschine steht und in den unleserlichen, weil auf Altgriechisch verfassten Notizen des Götterschlächters blättert, umso mehr füllt sich Kratos' Wutzanzeige. Wenn sie voll ist, zerreißt der Glatzkopf auf Knopfdruck sein Notizbuch und schreit den uralten Mechanismus so lange an, bis entweder seine pulsierende Halsschlagader platzt und der Game-over-Bildschirm erscheint - oder aber die zu öffnende Tür klein beigibt und sich von selbst öffnet. Rhythmisches Drücken der X- und O-Tasten beschleunigt den Prozess; Quick-Time-Events kommen auch bei der obligatorischen Sexszene mit Sully zum Einsatz. Zwei bärtige Männer, die sich beim Liebesspiel im technisch grandios dargestellten Schlamm suhlen? Klingt wie ein weiteres großartiges Spielerlebnis aus dem Hause Naughty Boy ... äh Dog!
Es stimmt schon, Spielehelden werden zunehmend austauschbar. Ganz so weit wie oben beschrieben sind wir bei God of War 4 (jetzt kaufen 17,85 € / 22,99 € ) zwar noch nicht, aber die Uncharted-Parallelen sind zumindest nicht zu übersehen. Das fängt beim ähnlich langweilig-simplen Klettern an deutlich markierten Stellen am Fels an, setzt sich bei der veränderten Kameraperspektive fort und hört bei dem für die Götterschlächter-Serie neuen Fokus auf Story und Dialoge auf. Die (kopierte) Handschrift von Uncharted-Entwickler Naughty Dog scheint bei Santa Monica Studios neuestem PS4-Hit deutlich durch. Auch The Last of Us (KI-Begleiter) sowie beliebte Open-World-Spiele wie die Assassin's-Creed- oder Tomb-Raider-Serie standen unbestritten Pate für das Action-Meisterwerk aus der Hand von Designer Cory Barlog. Nicht umsonst beschrieb ich das Spiel bereits in meiner God of War-Vorschau als "Tomb Raider trifft The Last of Us".
God of Uncharted: Schlächter sucht Schätze
Quelle: PC Games Ich habe God of War gespielt und getestet, daher muss ich neidlos anerkennen: Ja, dieser neue Kratos hat ein fantastisches PS4-Debüt erhalten, ein ungemein unterhaltsames Spiel mit tiefsinniger Geschichte und motivierenden (Open-World)-Mechaniken. Aber so gut die ganzen ausgeborgten Elemente am Ende auch zusammenpassen, so frage ich mich doch, wohin das führen soll. In God of War sucht ihr Schätze wie in Tomb Raider, ihr investiert Erfahrungspunkte in einem RPG-tauglichen Fähigkeitenbaum und im Rahmen der Nebenquests wird der griechische Gott des Krieges zum Botenjungen degradiert, wenn er mal wieder fünf verlorene Seelen finden oder zehn mythologische Gegenstände von ungemeiner Wichtigkeit an sich bringen soll. Das macht Spaß und entspricht unseren modernen Vorstellungen eines Action-Adventures im Jahr 2018 - aber was hat das noch mit dem ursprünglichen God of War zu tun?
Es ist doch so: Immer öfter liest man in Foren und User-Reviews davon, dass sich (AAA-)Spiele immer mehr gleichen. Und es ist erwiesen, dass große Hersteller in der Vergangenheit (MMORPGs, MOBAs, Survival) wie der Gegenwart (Battle Royale!) gerne dem neuesten Trend hinterher hecheln. God of War macht da keine Ausnahme, setzt es doch auf populäre Bestandteile wie etwa ein Crafting-System. Es scheint fast so, als hätte der geheime Rat der Videospiel-Illuminaten, der aus den Schatten heraus das Schicksal von Millionen Gamern bestimmt, eines Tages beschlossen, dass heutzutage kein großes Spiel mehr ohne Handwerksmechaniken erscheinen darf. Wohin man schaut, überall muss man Rohstoffe sammeln, um Rüstungen zusammenzubauen oder Waffen zu verbessern, egal ob es zum Szenario passt oder nicht.
Das mag in God of War gut funktionieren, aber ich hätte mir für das 2018-Revival der Serie dennoch gewünscht, dass bei allem Mut zum Neuen die alten Stärken nicht komplett über Bord geworfen werden. So aber ist God of War ein Quasi-Reboot, das die Identität der Reihe wenn auch nicht verrät, so doch zumindest verwässert.
God of War wird erwachsen - Eine gute Sache?
Die Besonderheiten der Serie sind weltbekannt: God of War bot schon immer extrem blutige Hack&Slay-Action mit gigantischen Bossgegnern und atemberaubenden Vistas. Die Hintergrundgeschichte um den Spartaner Kratos und seine getötete Familie mag ernst angelegt gewesen sein, doch angesichts von wahnwitzigen Schnetzelsequenzen auf fliegenden Harpyen, Quick-Time-Events mit Lustsklavinnen und abgerissenen Köpfen entfernte sich das Geschehen am Bildschirm doch recht schnell von dieser tragischen Ausgangssituation: God of War bediente zuvorderst stets stumpfsinnige Gelüste der Spielerschaft nach immer größeren Gegnern, immer gewalttätigeren Exekutionen und immer beeindruckenderen Kulissen.
Nun aber ist Kratos in God of War 2018 (derselbe Typ, der in Teil 3 einem Gott den Kopf mit dessen Leuchtaugen abgerissen hat, weil er eine Lampe brauchte!) mit einem Mal dieser gebrochene Held, alt und ergraut, mit einer schwierigen Beziehung zu seinem Sohn Atreus, die fast genauso auch in The Last of Us 2 erzählt werden könnte. Das mag tolle Unterhaltung sein, die sich das Adjektiv "erwachsen" endlich auch mal abseits der Darstellung von literweise vergossenem Pixelblut verdient. Aber es ist eben doch ein großer Bruch mit den God-of-War-Traditionen und steht im krassen Gegensatz zu der beschwingten Action und den simpel-überdrehten Rache-Plots der Vorgänger.
Quelle: pcgames.de Eine Schlüsselrolle kam dabei stets der Tatsache zu, dass God of War das Geschehen aus fixen Kamerapositionen einfing, gerne weit rausgezoomt, um den Größenunterschied zwischen unser aller Lieblings-Spartaner und seinen im wahrsten Sinne des Wortes titanenhaften Gegenspielern zu unterstreichen. In God of War auf der PS4 dagegen rückt die Kamera Kratos so dicht auf die Pelle, dass ich beim Kampf gegen einen hünenhaften Troll vorrangig dessen haarige Kniescheiben bewundern darf. Von der im God-of-War-Test bemängelten Übersicht ganz zu schweigen.
God of War war zu PS2-Zeiten unter anderem wegen dieser für ein Actionspiel ungewöhnlichen Perspektive etwas ganz Besonderes. God of War zu PS4-Zeiten ist ein meisterhaft zusammengesetztes Spiel - aber es fühlt sich eben auch ein bisschen an wie Malen nach Zahlen: Cory Barlog und sein Team bei Santa Monica Studio haben bekannte Konzepte zu einer Schablone zusammengesetzt und darum eine Story gestrickt, statt etwas wirklich Eigenständiges zu erschaffen. Wenn Spiele-Entwicklung auf Dauer so funktioniert, bekommen wir irgendwann immer nur das Gleiche in anderer Verpackung vorgesetzt, so jedenfalls meine Befürchtung. Was das für Auswirkungen haben kann, zeigt das Negativbeispiel Call of Duty.
Es ist keine neue Entwicklung, dass sich Spieleserien nach etlichen Teilen neu erfinden oder sich hinter gleichen Spieletiteln plötzlich ganz andere Gameplay-Erlebnisse verbergen (siehe Tomb Raider oder Prey). In der jüngeren Vergangenheit stellten Fans angesichts diverser Reboots und Fortsetzungen des Öfteren die Frage: "Ist das noch XXX?" Und die Antwort war meistens: "Nein, aber es ist dennoch ein gutes Spiel!" So jetzt auch wieder bei God of War. Wenn man nach den hervorragenden Verkaufszahlen geht, scheint sich dieses Mal nur eine Minderheit an der krassen Neuausrichtung zu stören. Doch künftige PS4-Exklusivspiele könnten weniger Glück haben. Days Gone etwa wird bereits seit seiner ersten Präsentation für seine allzu offensichtlichen Parallelen zu The Last of Us kritisiert. Spider-Man könnte sich als Batman-Arkham-Knight-Abklatsch herausstellen. Und God of War? Das könnte vielleicht schon beim unvermeidlichen Nachfolger darunter leiden, dass es seine Eigenständigkeit für populäre Spielelemente aufgegeben hat - und somit letztlich nur ein weiterer Vertreter des schicken Einheitsbrei wird, den Sonys PS4-Exklusivspiele bilden.
Für mich ist das, was du kritisierst genau das was ich haben will.
Gameplay ist für mich zweitrangig, wenn ich dafür eine super Story mit tollen Charakteren serviert bekomme.
Und das sind dann auch die Faktoren, die mich dazu animieren ein Spiel mehrfach zu spielen.
TLOU hab ich nach dem fünften Mal aufgehört zu zählen und es wird mir nicht langweilig.